Gemeinderat,
60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll -
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nicht reden! Darüber reden wir nicht, wir reden über ganz andere Sachen.
Darüber darf man nämlich nicht reden, das hat man schon per APA ausgerichtet -
Herr GR Wagner: Kinder in Armut sind ungeeignet für den Wahlkampf. Ungeeignet!
Armut überhaupt, Probleme sind ungeeignet für den Wahlkampf. Ich weiß,
was geeignet ist für den Wahlkampf, und vielleicht sollten sich die GRÜNEN das
überlegen, meine Kollegen und Kolleginnen: Mercer-Studie, das ist super! Wir
fragen die Manager, ob es ihnen taugt in Wien, und stellen ihnen zum Beispiel
folgende Frage. (GR Kurt Wagner: Herr Ellensohn! Sie wissen genau, dass in
der Auseinandersetzung ...) Wir stellen ihnen folgende Frage - Fakten,
Herr Wagner! Das ist ein Fakt, was ich Ihnen vortrage. (GR Kurt Wagner: Das
ist unter Ihrer Würde!) Sie können sich gerne zum Wort melden.
Das ist ein Fakt, in der Mercer-Studie werden Manager Folgendes gefragt (GR
Kurt Wagner: Das ist genau das, was Sie tun in dieser Diskussion!): Wie
schwierig ist es, nach Österreich einzureisen? Geht das gut? Ist es schwer,
oder geht das leicht? Moment: Ein Manager, den wir in einem internationalen
Konzern haben wollen, dem wir nachher viel Geld zahlen, der soll
Schwierigkeiten beim Einreisen haben?
Das müssen Sie andere Leute fragen, aber in der Mercer-Studie fragen Sie
kein Kind, das sich von einer Schulveranstaltung abmeldet. Sie fragen keine
Sozialhilfeempfängerin. Sie fragen keine Frau, die hier im Haus reinigt. Das
fragen Sie alles nicht.
Darüber dürfen wir reden, falls jemand Interesse hat, bei den GRÜNEN
oder bei den anderen Fraktionen im Haus - die SPÖ macht das ohnehin ausgiebig
-: Über die Mercer-Studie zu reden, ist sicher willkommen. Allerdings nicht
über den Teil, der nicht so gut war: nicht darüber, dass die Luft schlecht ist,
44. Platz, und so weiter und so fort, das ist nichts, sondern nur über die
positiven Sachen von dort. - Tut mir leid, diesen Gefallen kann ich Ihnen nicht
tun!
Sogar der Volkspartei haben Sie vorgeworfen: Sie dürfen keine
Misstrauensanträge stellen! Wir dürfen nicht über Kinderarmut reden. Na ja,
vielleicht gibt es noch ein paar gute Vorschläge, was wir hier zu tun haben.
Aber Sie sollten sich in erster Linie um Ihren eigenen Wahlkampf und nicht um
die Wahlkämpfe der anderen Fraktionen kümmern.
Fakten: In Österreich - darüber haben wir hier übrigens schon geredet,
es hat niemand etwas dagegen gesagt - sind 13 Prozent armutsgefährdet, in
Wien sind 17 Prozent armutsgefährdet. Dem ist nicht widersprochen worden,
sondern die SPÖ hat gesagt: Na, Städte über hunderttausend - sage ich heute
auch -, dort ist es eben so, es ist ein bisschen mehr als im nationalen
Durchschnitt.
Das ist wohl wahr. Nur, wenn das einfach ein Naturgesetz ist und es
vollkommen egal ist, ob in Deutschland irgendwo die CDU an der Macht ist oder
ob in Wien die Sozialdemokratie regiert - wenn es in einer Stadt mit
hunderttausend einfach so ist, dann sollten wir den Leuten vielleicht sagen,
dass es wurscht ist. Es ist wurscht, weil man bei hunderttausend nichts machen
kann, da hat man eben eine höhere Armutsgefährdung, das ist so. (GR Kurt
Wagner: Sie machen ja schon wieder falsche Vergleiche! Jetzt vergleichen Sie
die Bundesrepublik mit der Stadt Wien!)
Jetzt nehmen wir die 17 Prozent, denen hier in einer anderen
Sitzung nicht widersprochen wurde. Da haben Sie selber gesagt: Ja, das ist so, weil
da viele Leute wohnen. Jetzt noch eine Zusatzfrage dazu, zum Mitdenken: Wenn es
insgesamt 17 Prozent sind, sind es dann wahrscheinlich bei den
AlleinerzieherInnen mehr oder weniger als im Durchschnitt? Und sind es bei
Familien mit 3, 4 oder mehr Kindern mehr als im Durchschnitt - also statt 17,
sagen wir, 20 oder 24 Prozent, denn das ist das, was wir jetzt sagen -,
oder sind es weniger? Glaubt irgendjemand in dem Haus, dass Mehrkindfamilien
viel reicher als die anderen sind? Oder AlleinerzieherInnen? Nein!
Fakten! Das sind Zahlen, und das Schöne daran - oder in Wirklichkeit das
Schiache daran - ist, ich muss sie nicht selber machen, weil das von anderer
Seite aus gemacht wird.
In
Wien kann man auch so leben - darauf sind Sie dann stolz, und darüber darf man
reden -: Ich kenne auch eine Familie mit drei Kindern, da darf der Älteste im
Kindergarten ins Fußballtraining gehen, das zusätzlich Geld kostet, aber das
ist kein Problem. Er darf in den Dschungel gehen und Theaterstücke anschauen,
die dort zu zweit 15, 16 EUR kosten. Kein Problem, und auch sonst ist
alles in Ordnung. Dazu bekommen sie einen bilingualen Kindergarten auch noch
gezahlt. Ein super Leben, Mercer-Studie 1A!
Es sind aber meine Kinder! Denn das ist leicht: Wenn man in der
Einkommensklasse ist, wo wir da herinnen sind, dann ist es leicht, davon zu
reden, dass man da draußen gut leben kann. Ich kann in Wien gut leben, anders
wäre es ja auch komisch mit dem Einkommen. Das gilt auch für alle anderen da
herinnen. Aber wir sollten schon zwischendurch nicht vergessen, dass es da
draußen Leute gibt, die nicht die Hälfte und nicht einmal ein Viertel von dem
verdienen. Und man sollte es auch nicht leugnen, weil das nichts nützen wird. (Zwischenrufe
bei der SPÖ.)
Es gibt nämlich auch die Kinder - da waren ja auch
Leute von der SPÖ dort und haben sich die Geschichte anhören dürfen -, es gibt
auch die Kinder, die im Gemeindebau delogiert werden. Eine Frau, die halbtags
arbeiten geht, vier Kinder, Mann im Häfen, sie kann keinen Beitrag leisten -
sie will wahrscheinlich keinen Beitrag leisten, aber kann es auf jeden Fall
auch nicht -: vier Kinder, Gemeindebau, delogiert! Untergekommen bei einer
Freundin - na, die hat aber keine Villa am Stadtrand, sondern auch nur allein
eine normale Wohnung. Dort sitzen sie jetzt eben zu sechst, zwei erwachsene
Frauen, vier kleine Kinder. Das ist ein Zustand, den haben wir hier schon
einmal thematisiert, aber das hat damals auch niemanden
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