Gemeinderat, 61. Sitzung vom 28.06.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 109 von 126
tiefer werden. Das vermisse ich, Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie! Das vermisse ich!
Wenn Sie von der FPÖ heute behaupten, dass Sie gerade wegen Ihrer Integrationspolitik gewählt werden, dann müssten bei Ihnen eigentlich die Alarmglocken läuten, und Sie müssten sich fragen: Was haben wir denn falsch gemacht? Warum haben wir denen einen Nährboden bereitet, sodass Hetze und Angstmache in dieser Stadt irgendwann salonfähig werden? (GRin Martina Ludwig-Faymann: Vielleicht durch Schwarz-Blau?) Nona! Ich bin das auch gewohnt. Frau Kollegin! Ich kann mich erinnern, dass am Anfang der Periode immer die Bundesregierung schuld war. Heute höre ich davon nichts mehr, denn heute sind Sie selbst in der Regierung. Heute höre ich von Ihnen diesbezüglich nichts mehr! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)
Sie haben doch seinerzeit die Integrationsvereinbarung torpediert und gesagt: Nein, das ist nicht gut! Heute sagen ExpertInnen der Stadt Wien, wie toll und effizient diese Integrationsvereinbarung ist. Und Sie in dieser Stadtregierung profitieren ja auch noch davon, weil Sie sich viel Arbeit ersparen, und Sie haben auch finanzielle Vorteile, weil der Bund das organisiert, und zwar so organisiert, dass Menschen hinkommen und dass nicht das passiert wie oft in der Stadt Wien, dass Deutschkurse angeboten werden, die Mindestanzahl von TeilnehmerInnen nach kurzer Zeit aber nicht erreicht wird und der Kurs dann wieder sozusagen aufgelöst wird.
All das sind Tatsachen. (GRin Nurten Yilmaz: Das sind G’schichterln!) Das sind keine Geschichten, das wissen Sie! Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Kollegin, bin ich nämlich draußen bei den Migranten und kenne die Anliegen der Menschen. Ich höre mir diese an. Wenn Sie auch Migrantenzeitungen lesen, dann werden Sie mich dementsprechend oft wahrnehmen. Die zuständige Integrationssprecherin der SPÖ glänzt hingegen meist mit Abwesenheit. Und so lässt sich die Liste fortsetzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Bereich, der mich persönlich auch emotional sehr berührt, ist der Bereich Jugend und Bildung. Das ist ein Bereich, der meiner Meinung nach noch immer nicht den Stellenwert genießt, den er verdienen würde. Mich persönlich schmerzt es sehr, wenn ich Zahlen sehe, die besagen, dass 50 Prozent jener Jugendlichen, die in der Sonderpädagogischen Lehranstalt sind, Migrationshintergrund haben. 50 Prozent! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Man nimmt diesen Jugendlichen eigentlich die Zukunftsperspektive. Wer stellt denn einen Jugendlichen ein, der eine pädagogische Lehranstalt beziehungsweise eine Sonderschule besucht hat? So ziehen wir eine perspektivenlose Jugend heran, meine sehr geehrten Damen und Herren, die dann irgendwann vielleicht einmal auch mit Fehlverhalten konfrontiert wird, und wir ordnen sie dann irgendwo unter dem Aspekt Integrationsverlierer ein.
Dasselbe stellt man fest, wenn man sich die Zahl der beim AMS vermerkten Jugendlichen anschaut. Da geht es nicht anders! Zwei Drittel der Jugendlichen, die beim AMS unter „Jugendliche“ vermerkt sind, haben Migrationshintergrund.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind unsere Jugendlichen! Und wenn wir es nicht schaffen, diesen Jugendlichen eine gute Bildung, Ausbildung und Zukunftsperspektiven zu geben, müssen wir damit rechnen, dass uns das irgendwann gesellschaftlich auf den Kopf fällt. Diese Zeche müssen wir dann bezahlen!
Sie hören diese Zahlen sicherlich nicht gerne! Sie möchten nämlich dann hinausgehen und sagen, wie toll Integration funktioniert, welches tolle Multikulti-Fest irgendwo gefeiert wurde oder welche Broschüre Sie gerade vorstellen. Integration ist jedoch mehr als das! Lippenbekenntnisse und bunte Plakate nutzen diesen Menschen nicht, weder den Einheimischen noch den MigrantInnen.
Es hat sich in den letzten Jahren ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen. Wien ist sicherlich nicht mehr so wie Wien vor 40 oder 50 Jahren. Die Migration hat diese Stadt sichtlich geprägt, auch wenn Sie das nicht so wahrnehmen beziehungsweise auch nicht erkennen wollen, dass das auch eine Herausforderung für diese Stadt gebracht hat und sich alle Ressorts dieser Stadt diesen Herausforderungen auch stellen müssen. Integration ist nämlich eine Querschnittsmaterie, sie berührt alle Ressorts im Rathaus. Und ich glaube, ehrlich gesagt, dass das Integrationsressort eigentlich nur eine Koordinationsfunktion hat, denn tatsächlich etwas umsetzen können eher die anderen Ressorts, das Bildungsressort et cetera.
Das Integrationsressort kann Subventionspolitik machen, Vereine fördern, Werbekampagnen initiieren. Wenn es aber irgendwo tatsächlich brennt und tatsächlich etwas umgesetzt werden muss, dann müssen andere Ressorts mitspielen. Dafür fehlt mir die Koordination in dieser Stadt, der entsprechende Austausch zwischen den Ressorts!
Ich muss ehrlich sagen, ich habe heute zum ersten Mal im Kulturbereich gehört, dass dort diverse Subventionen vergeben werden. Wenn man sich nicht selbst dahintersetzt, dann werden diese Informationen nicht an unser Ressort übermittelt!
Wie gesagt: Ich kann eine lange Liste von Verfehlungen und Defiziten in dieser Stadt im Integrationsbereich aufzählen, auch wenn Sie es nicht wahrnehmen möchten.
Das gilt auch für den Stadtentwicklungsbereich. Heute haben wir in vielen Bezirken dieser Stadt eine Ballung zu verzeichnen, die nicht gerade integrationsfördernd, dialogfördernd und stimmungsfördernd ist. Das belastet nicht nur nicht das Umfeld in der Nachbarschaft, sondern auch im schulischen Bereich, im Kindergartenbereich et cetera. Da hätte die Stadt Wien mit ihren großen Möglichkeiten als größter Wohnungsinhaber oder Hausherr der Welt mit über 220 000 Gemeindewohnungen auch die Möglichkeit gehabt – und ich bin überzeugt, dass sie das noch immer hat! –, mit einem ausgeklügelten Wohnvergabemanagement gewissen Entwicklungen entgegenzuwirken.
Wenn man sich also intensiv dahintersetzt, den Willen zeigt, diesbezüglich etwas zu tun, und einen Masterplan in diesem Bereich entwickelt, dann ist das durch
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