Gemeinderat, 66. Sitzung vom 12.10.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 13
(Beginn um 9 Uhr.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen!
Ich eröffne die 66. Sitzung des Wiener Gemeinderates.
Entschuldigt für den ganzen Tag sind GR Dr Aigner, GR Dr Günther und GRin Dr Vitouch.
Vom Grünen Klub des Rathauses wurde ein Verlangen auf Einberufung einer Sitzung des Gemeinderates zum Thema „Die Auswirkungen der geplanten Kürzungen im Bund auf das Wiener Budget – Wien drohen 2011 größter Sozialabbau und steigende Armut" eingebracht.
Der Herr Bürgermeister hat in Entsprechung des § 21 Abs 4 der Wiener Stadtverfassung in Zusammenhalt mit § 8 der Geschäftsordnung des Gemeinderates der Stadt Wien zu dieser Sitzung eingeladen.
Von den GRen Dr Tschirf, Mag Feldmann und Dipl-Ing Stiftner wurde ein Ersuchen an das Kontrollamt gemäß § 73 Abs 6a der Wiener Stadtverfassung betreffend die Prüfung der Einhaltung des Baurechtsvertrages mit dem Wiener Tierschutzverein bezüglich des Wiener Tierschutzhauses eingebracht. Dieses Prüfersuchen wurde an das Kontrollamt weitergeleitet.
Wir kommen nun zur Besprechung des Verlangens. Laut Mitteilung der antragstellenden Fraktion ist Frau GRin Mag Vassilakou Begründerin und Erstrednerin in einer Person. Die Fraktionsvereinbarung sieht hiefür eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vor. Ich erteile Frau Mag Vassilakou das Wort.
GRin Mag Maria Vassilakou (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Verehrte Damen und Herren!
Als wir GRÜNE den Antrag für diese Sondersitzung eingebracht haben, war das mitten im Wahlkampf und damals war noch nicht bekannt, was an Einsparungen von Bundesebene auf die Stadt zukommt. Es hat ja ursprünglich auch eine Aufregung, eine berechtigte Aufregung im Zusammenhang mit dem Termin, wann diese Sitzung stattfinden soll, gegeben, der dann festgesetzt wurde. Allerdings denke ich jetzt im Nachhinein, dass es auch sein Gutes hat, denn der Herr Finanzminister hat, kaum dass die Wahl geschlagen war, einen Tag später, bereits gestern, die ersten Pläne bekannt gegeben und die lassen aufhorchen.
Also zunächst, das, was auf uns zukommt, ist ein Sparbudget für gleich einmal die nächsten drei Jahre. Man muss sich einmal die Frage stellen: Was bedeutet das? Was bedeutet es, wenn hier ein Budget für gleich drei Jahre beschlossen werden soll, das noch dazu ein Sparbudget sein soll. Diejenigen von Ihnen, die sich da schon ihre Gedanken gemacht haben, müssen auf den Punkt gekommen sein, dass ein dreijähriges Budget in diesem Fall ja nichts anderes als ein dreijähriges Denkverbot und ein dreijähriges Planungsverbot bedeutet. Denn wenn gleich auf drei Jahre im Voraus geplant wird, wo überall Kürzungen kommen werden, dann ist es klar und dann ist es logisch, dass just in diesen Bereichen in den nächsten Jahren nicht mehr investiert werden wird. Schön langsam frage ich mich, wann der Herr Finanzminister auch noch ein 5-Jahres-Budget vorlegen wird, damit man sozusagen gleich zu Beginn einer Funktionsperiode weiß, dass alles eigentlich auch schon wieder vorbei ist. Das lassen wir uns nicht gefallen, verehrte Damen und Herren! Das darf und kann sich Wien nicht gefallen lassen!
Und wenn es Sie interessiert, vielleicht einige wenige Zahlen, wo es in den nächsten drei Jahren überall Kürzungen geben soll:
Budget für Arbeit: minus 4,1 Prozent; Budget für Familie und Jugend: minus 234,9 Millionen EUR; Budget für Bildung und Forschung, das sind Schulen und Universitäten: minus 1,4 Prozent; Budget für Wirtschaft, Infrastruktur und Umwelt: minus 3 Prozent. Und das ist bei Weitem nicht alles, das ist erst der Beginn.
Ich frage mich an dieser Stelle: Wie kann es sein, dass man sich das für die nächsten Jahre vornimmt, noch dazu zu einem Zeitpunkt, wo selbst die besten Ökonominnen und Ökonomen sich nicht trauen vorauszusagen, wie die Konjunkturentwicklung sein wird und mit welchen Ressourcen wir zu rechnen haben werden. Nein, der Finanzminister weiß es schon. Er weiß auch schon, wo er überall sparen möchte und ganz zufälligerweise sind es genau jene Bereiche, von denen wir wissen, dass dort nicht gespart werden muss, sondern ganz im Gegenteil, das sind genau jene Bereiche, in denen in den nächsten Jahren investiert werden muss, in denen modernisiert werden muss und in denen wir Geld dringend in die Hand nehmen müssen, um die Weichenstellungen für die Zukunft vorzunehmen. Mit dem Sparbudget wird es nicht möglich sein, verehrte Damen und Herren! Das ist ein Budget der Stagnation!
Und die Frage, die sich stellt, ist: Will sich Wien das gefallen lassen? Will das mächtigste und bevölkerungsreichste Bundesland - oder hat Niederösterreich mehr Einwohner? – na, das zweitbevölkerungsreichste, aber auf alle Fälle das mächtigste, so selbstbewusst wollen wir sein, will also das mächtigste Bundesland dieses Budget zur Kenntnis nehmen? Will man dann auch brav das, was es für die Stadt bedeutet, abnicken und umsetzen oder will man gerade in diesen Zeiten den anderen Weg gehen? Und ich will und ich muss und werde mich an dieser Stelle auch bei jenen Bereichen aufhalten, wo ich sehr wohl der Meinung bin, dass wir uns Gedanken darüber machen müssen: Was tun wir in den nächsten Jahren und wie gehen wir damit um?
Vielleicht einigen wir uns zu Beginn dieser Rede vorweg auf etwas: Ich werde nicht in gewohnter Wahlkampfmanier hier behaupten, dass in Wien alles schrecklich wäre und nichts funktionieren würde. Wir einigen uns darauf. (GR Mag Wolfgang Jung: Leistung!) Wir einigen uns darauf. Wir einigen uns dafür darauf, dass Sie in Ihren Redebeiträgen nicht herauskommen und behaupten werden, dass alles bestens ist, dass alles wunderbar ist, das heißt, es wäre gut, wenn das Wort Mercer-Studie heute nicht vorkommt, außer dieses eine Mal in meiner Rede. Es wäre gut, wenn wir uns darauf einigen, dass wir diese Stadt lieben, dass wir unglaublich stolz auf diese Stadt sind und dass wir uns dennoch Gedanken machen möchten, wo es Bereiche gibt, in denen es nicht so prächtig funktioniert, denn wenn es so
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