Gemeinderat, 10. Sitzung vom 28.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 113
Ich zitiere kurz aus dem Text, den Wien eingebracht hat: Es wurde mit Besorgnis festgestellt, dass bis Ende 2010 21 Kinder in Wien in der Babyklappe abgegeben wurden und 122 anonym geboren wurden. Weiter steht im Text, dass das Jugendamt äußerst gravierende Bedenken angeführt hat, weil man meint, dass „die Gründe, die zur Entscheidungen für eine anonyme Geburt führen, objektiv nicht in dem Maße schwerwiegend sind, als sie nicht durch Beratung und Angebote der sozialen Dienste zu lösen wären beziehungsweise einer regulären Adoptionsfreigabe nichts im Wege stehen würde“.
Schlimmer noch – ich zitiere weiter: „Das Jugendamt vermutet, dass die anonyme Geburt mit dem Akt der Adoptionsfreigabe gleichgesetzt beziehungsweise verwechselt würde."
Das muss man sich einmal anschauen! Das Jugendamt stellt fest, dass die Frauen, die anonym gebären, nicht wissen, welche Konsequenz diese Entscheidung hat, und glauben, dass eine Adoption nur dadurch eingeleitet wird, dass sie anonym gebären.
Und weil das Jugendamt in so großer Sorge ist, gab es jetzt diese Initiative zur Evaluierung der Babyklappe. Man meint nämlich, dass sich bereits jetzt schon auf Grund von fehlenden Informationen aus der Herkunftsfamilie für einzelne Betroffene medizinische Probleme ergeben hätten und dass die Unmöglichkeit, Information über die eigene Herkunft beschaffen zu können, irritierend und psychisch belastend sei. Und vor allem wisse man nicht, wie es der Mutter weiter geht, nachdem sie anonym geboren oder das Kind in der Babyklappe abgegeben hat, und seien ihre Probleme, die sie zu diesem Schritt bewogen haben, ja mitnichten durch die Abgabe gelöst worden.
Wien hat also einen Beschluss der Länder herbeigeführt, der zum Ziel hat, dass das Bundesministerium für Justiz eine Evaluierung der Erfahrungen mit anonymen Geburten und Abgabe in der Babyklappe österreichweit durchführen möge und ein Maßnahmenkatalog zur Unterstützung der betroffenen Frauen in Auftrag gegeben wird. – Ich glaube, dass das eine wichtige Entscheidung ist! Ich meine nämlich, dass es gut ist, wenn man bei kontroversen Angelegenheiten zunächst einen Schritt setzt und nach einiger Zeit überprüft, ob es der richtige war.
Es ist wichtig, dass das jetzt evaluiert wird und man sich ohne ideologische Scheuklappen anschaut, ob wir mit dem, was wir wohlmeinend installiert haben, das erreicht haben, was wir damit wollten, nämlich Kinder aus Lebensgefahr und Frauen aus großer Not zu befreien, oder ob wir damit andere Problemzielgruppen geschaffen haben, was wir nicht wollten. Ich finde es gut, dass StR Oxonitsch diese Initiative gesetzt hat!
Fazit: Wir sind leidenschaftliche Regierungspartner und –partnerinnen. Die neue Aufgabe macht Spaß, sie ist eine Herausforderung, sie beinhaltet eine große Verantwortung, und ich glaube, dass sie eine Chance für die Stadt ist! – Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Mag Ebinger. Ich erteile ihm das Wort.
GR Mag Gerald Ebinger (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Meine Damen und Herren!
Die Konstellation ist jetzt wirklich super: Zuerst redet die ÖVP, und dann redet die Schattenstadträtin: Dadurch kennt man eigentlich die Antworten der Stadträtin schon vorher! Ich glaube, der einzige Unterschied ist, dass Sie noch eine Redezeitbeschränkung haben. Diese ist aber ohnedies nicht notwendig, denn so lange redet unsere Stadträtin ja nicht!
Fasziniert hat mich Folgendes: Kollegin Korosec – leider ist sie jetzt nicht da – hat anfangs gesagt, dass sie Kollegen Margulies bewundert, weil er – wie ich das jetzt formulieren möchte – erst ein glühender Gegner und jetzt ein glühender Verfechter aller Wirtschaftspolitik ist. Dann hat Frau Kollegin Pilz gesagt: „Wir tun beides mit Leidenschaft!“
Das ist schon bewundernswert! Das erinnert mich an den „Talisman". Ich bin ja auch Kultursprecher, und ich nehme an, Sie alle kennen den „Talisman": Titus Feuerfuchs wird wegen seiner roten Haare überall ausgegrenzt. Plötzlich stellt sich heraus, dass der eine Erbschaft von seinem Onkel, dem Bierversilberer Spund, gemacht hat. Darauf sagt die Gärtnersfrau Baumscher einen auch für die GRÜNEN sehr markanten Satz: „Jetzt heißt es umdenken!" (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Meine Damen und Herren! Das tun Sie in einer genialen Art und Weise, da kann man nur schauen!
Ich habe auch 40 Minuten Redezeit, die ich nicht ausnützen werde, außer es geht mit mir durch oder jemand forciert das. Ich möchte nur ein paar Beispiele bringen, um diesen sozialen Kahlschlag, den wir auch medial und in Pressediensten immer wieder thematisieren, ein bisschen zu beleuchten.
Ich beginne mit dem Thema, dass Obdachlose für die Übernachtung jetzt 4 EUR zahlen müssen, während man vorher gratis übernachten durfte. Daraufhin gab es im September des vergangenen Jahres diesen wunderbaren Pressedienst des Herrn Ellensohn – den ich jetzt leider nicht bei der Hand habe –, in dem er gesagt hat, dass das eine Schweinerei auf Kosten der Ärmsten der Armen ist, und zu einer Demonstration mit dem Titel „Wir lassen uns nicht unterkriegen!" aufgerufen hat. – Nach der Wahl hat sich das alles geändert! Und das ist auch völlig korrekt: Die Leute gehören ohnedies ein bisschen erzogen, damit sie lernen, sich in die Gesellschaft einzugliedern! (Heiterkeit bei der FPÖ.) Das ist ja überhaupt kein Problem!
Eine andere Initiative ist „wieder wohnen“: Da bekommen Menschen – und all das sind eigentlich positive Dinge, Herr Vorsitzender! – ein 6-m²-Zimmer zur Reintegration in die wohnende Gesellschaft. So möchte ich das einmal bezeichnen. Mit 1.1.2011 wurde der Preis dafür – unserer Meinung nach relativ schamlos – von 150 EUR auf 180 EUR monatlich erhöht. Das ist für 6 m² ein ziemlich hoher Betrag, und es ist vor allem eine ziemlich große Erhöhung, nämlich um 20 Prozent!
Darüber muss man sich einmal Gedanken machen! Hiebei geht es um Leute, die obdachlos sind und wieder
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