Gemeinderat, 14. Sitzung vom 21.10.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 51
Und dann gibt es den Herrn Kulturstadtrat, der offensichtlich durch den Druck, der in den Medien aufgebaut wurde, auch den Schritt nach vorne wagt und im Ö1-Morgenjournal ein Interview gibt. Dort höre ich dann, dass man jetzt intensiv daran arbeitet, eine Reorganisation der Kunsthalle aufzustellen. Das finde ich sehr löblich und das unterstützte ich vollinhaltlich, aber ein Kulturstadtrat, der gleichzeitig erzählt, er hat es nicht in der Hand, Druck auszuüben auf den Vorstand, dass man Gerald Matt aus dem Verkehr zieht, ja, wie soll denn der bitte eine Reorganisation der Kunsthalle durchsetzen? Das erklären Sie mir bitte!
Eines noch, was besonders bemerkenswert ist: Die Mitglieder des Vorstandes der Kunsthalle waren das bestgehütete Geheimnis, ähnlich wie der Zugangscode zu Fort Knox. Sie haben immer gesagt, wir haben dort niemanden mehr – denn es war ja das Ziel, dass die Politik aus all diesen Gremien hinausgeht –, wir haben keine Vertrauten, wir haben niemanden, der uns informiert. Und jetzt kommen wir drauf, im Vorstand der Kunsthalle sitzen Leute, die, ich möchte jetzt einmal sagen, der SPÖ nahestehen. Ein Herr Dr Josef Kirchberger, Geschäftsführer Art for Art Theaterservicegesellschaft, SPÖ-Publikumsrat im ORF. Ganz bekannt der neue Rechnungsprüfer in der Kunsthalle, auch kein unbekannter Herr: Dr Thomas Stöphl, ehemaliger Mitarbeiter und ziemlich erfolgloser ehemaliger kaufmännischer Direktor im Volkstheater. Auch kein Unbekannter bei der SPÖ.
Und dann gibt es eine Frau Mag Waltraud Orthner, die zwar seit Frühling angeblich nicht mehr dabei ist, die allerdings Sonderbeauftragte für Kunst, Kultur, Bildung und Wissenschaft im Gusenbauer-Kabinett war und nunmehr Leiterin der Abteilung Sponsoring der Wien-Bibliothek ist.
Also sich jetzt noch immer herzustellen und sagen, wir haben dort niemanden, wir wissen nichts, wir kriegen keine Informationen, das ist, bitte, im höchsten Maße unglaubwürdig. (Beifall bei der ÖVP.)
Und eines ist diese Woche auch noch passiert, was eigentlich wirklich erschütternd ist, denn bislang hat dieses Thema die Grenzen Österreichs noch nicht weit überschritten, aber in der Zeitung „Die Zeit" von dieser Woche ist ein bemerkenswerter Artikel erschienen, und ich weiß nicht, ob alle von Ihnen gelesen haben, was darin zu finden ist. Es ist bemerkenswert, denn die Kulturhauptstadt Europas erlangt traurige Berühmtheit. Und eines wird in diesem Artikel auch ganz eindeutig klar: Der Kulturstadtrat ist anscheinend nicht willens, im Sinne der res publica zu handeln. Ich darf nur ein paar Dinge aus diesem Artikel zitieren, damit Sie wissen und noch einmal die Delikatheit dieser Affäre vor Augen geführt bekommen:
„Wer an einem Wochentag durch die Kunsthalle im Wiener Museumsquartier streift, kann sich einsam fühlen. Menschenleere Hallen, gelangweiltes Personal. Auf der Internet-Seite des Ausstellungshauses empfängt der Chef persönlich die Besucher: ‚Die Gazelle zittert, weil der Löwe brüllt. Die Hyäne wittert. Doch die Kunst erfüllt.'
In den vergangenen Monaten häufte sich ein beeindruckender Berg an Vorwürfen: enorme Reisespesen, frisierte Besucherzahlen, fragwürdige Nebeneinkünfte, zu Unrecht unter seinem Namen veröffentlichte Publikationen, Mobbing, der Versuch, ganz nach Kärntner Vorbild potenziellen ausländischen Sponsoren die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen.
In der Kunsthalle ist es übrigens ein offenes Geheimnis, dass Matt und seine engsten Mitarbeiter sogar Erfolgsprämien kassiert haben sollen, weil sie sich gar so tapfer monatelang gegen alle Vorwürfe zur Wehr gesetzt haben.
Lange, manche meinen, viel zu lange, war SPÖ-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny seinem Schützling beigestanden. Über den Sommer schien die lästige Affäre ausgestanden, doch im Lichte der neuen Verdachtsmomente scheint es dem roten Kulturpolitiker jetzt angeraten zu sein, sich vorsichtig abzusetzen. Er stellte eine Neuorganisation der Kunsthalle für die unmittelbare Zukunft in Aussicht."
Und noch einmal: Wie wollen Sie die durchsetzen, wenn Sie nicht einmal den Direktor absetzen können?
Dann wird noch darüber erzählt, dass der Herr Matt eigentlich politisch nicht zuordenbar ist. Er ist einer – da gibt es mehrere – die immer dort sind, wo Rauch aufsteigt. Und obwohl die Stadt das Budget der Kunsthalle mit mehr als 4 Millionen EUR an Steuergeldern jährlich finanziert, betrachten Matt und Kunsthallenpräsident Häusle das Ausstellungshaus als ihre Privatangelegenheit.
Im April dieses Jahres stand in einer Presseaussendung des Vorstandes sogar zu lesen, die Vereinsführung habe es Matt genehmigt, betriebliche Ressourcen für Nebentätigkeiten zu nutzen. Das wird jetzt ergänzt um die Leistungen in seinem privaten Umfeld, in seiner Wohnung und alles, was Urlaubsreisen und Sonstiges betrifft.
Dann gibt es noch eine Machbarkeitsstudie, die delikaterweise von der ehemaligen Lebensgefährtin des Herrn Matt erstellt wurde. – Alles in allem ein Sumpf, der seinesgleichen sucht.
„Wenn der Direktor in den Medien unter Beschuss gerate, würde er mit dem Strategieklassiker vom Kriege des preußischen Generals Carl von Clausewitz unterm Arm durch seine Kunsthalle tigern und aus voller Kehle brüllen: ‚Ich bin im Krieg! Und ich werde ihn gewinnen!' Allerdings lehrt Clausewitz auch, ein Feldherr müsse stets gewärtig sein, dass sich auf seinem Schlachtfeld regelmäßig das Unvorhergesehene einstelle."
Um dieses Unvorhergesehene möglich zu machen, erlaube ich mir, einen Beschluss- und Resolutionsantrag einzubringen und hoffe sehr, dass die Vernunft in diesem Hause heute siegt und alle Parteien diesem Antrag zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Herr GR Mag Werner-Lobo. Ich erteile es ihm.
GR Mag Klaus Werner-Lobo (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
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