Gemeinderat, 15. Sitzung vom 21.11.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 92 von 150
das Lärmproblem war massiv, als auch für die Frauen selbst, als auch für die Polizei. Niemand hat sich mehr ausgekannt, wo die Schutzzonen beginnen und wo sie enden.
Das heißt, dieser Schritt raus aus dem Wohnungsbereich ist ein guter Schritt; aber wir müssen gleichzeitig für die Frauen Bereiche schaffen, wo sie sicher stehen können. Hören wir auf mit den Forderungen, die da lauten, tun wir sie alle rein, hören wir auf mit den Bildern, dass dort alles happy peppy ist, dass dort keine Zuhälterei, kein Menschenhandel stattfindet! (GR Mag Dietbert Kowarik: Sagen Sie das der Frau Stadträtin!) Das ist schlichtweg nicht richtig, das ist Realitätsverweigerung! Entweder wir stellen uns diesem Thema oder eben nicht, aber hören wir auf mit Mythen und Verherrlichungen, das bringt uns keinen Millimeter weiter.
Wir haben Kriterien erarbeitet. Die Anrainer und Anrainerinnen haben uns gesagt: Die drei wichtigsten Probleme sind der Lärm, der Schmutz und die Anmache, das ist unangenehm. Daher sind wir hergegangen und haben gesagt: Den Lärm müssen wir berücksichtigen, wenn wir Erlaubniszonen schaffen; der Schmutz ist ernst zu nehmen, daher werden wir mit der MA 48 reden; und das Dritte, die Anmache ist etwas extrem Unangenehmes, daher werden wir Sensibilisierungskampagnen machen, wie man mit Frauen in der Nacht umgeht.
Das heißt, wir nehmen Anrainer und Anrainerinnen ernst, wir nehmen aber auch die Frauen ernst. Wir haben Sexarbeiterinnen, die das freiwillig machen, und wir sind noch immer in einer unaufrichtigen Diskussion, denn wir haben die Sittenwidrigkeit noch immer nicht abgeschafft! Da wäre die Bundesregierung gefordert. Die Frauen zahlen Steuern, dürfen aber keine Rechnung legen. Das ist ein wichtiger Punkt zur Verbesserung der Situation!
Wir haben gesagt, wir unterstützen den Indoor-Bereich. Das heißt, wir schaffen sichere Arbeitsplätze, wir machen ein Genehmigungsverfahren, wir machen Zuverlässigkeitsprüfungen. Ja, wir sind auf dem Weg, aber wir haben es noch nicht geschafft, die sicheren Plätze für die Frauen zu bestimmen. Laut dem Gesetz ist es so: Es bleiben Bereiche in den Außenbezirken über. Dort empfehlen wir keiner Frau, sich hinzustellen, weil es schlichtweg zu gefährlich ist. Dann sind Bereiche übrig geblieben, nämlich im Prater und im Auhof.
Ja, es gab Bedenken, auch von mir, ob der Auhof wirklich geeignet wäre. Wir beziehungsweise das Steuerungsteam mit all den ExpertInnen haben gesagt, schauen wir es uns an. Jetzt, nach den Erfahrungen … (GR Mag Wolfgang Jung: Hätten Sie sich das doch vorher überlegt!) Sie haben die Weisheit auch nicht mit dem Löffel gefressen, sage ich Ihnen ganz ehrlich! Mit den Erfahrungen gibt es jetzt die Entscheidung, den Auhof zurückzunehmen, er ist zu unsicher. Also wovon reden Sie da? Das Thema ist längst erledigt. (GR Armin Blind: Die stehen noch immer dort, nichts ist erledigt!) Sie können gern Selbstgespräche halten. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir haben da eine klare Entscheidung getroffen. (Beifall von GR Dipl-Ing Martin Margulies.)
Der nächste Punkt, etwas, das immer wieder vergessen wird … (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir haben ein Steuerungsteam. Wir haben jetzt die Bezirksvorsteher der Gürtelbezirke eingeladen. Ja, es ist kein Geheimnis, dass es eine Überlegung gibt, Gürtelbereiche für die Straßenprostitution zu öffnen. Es wird von uns ein Paket Richtung Bund geben, das den Menschenhandel anlangt. Wir werden uns genau anschauen, wie sich die Bordelle und die Betriebe im nächsten Jahr entwickeln werden und wie sich das mit den Genehmigungsverfahren und Zuverlässigkeitsbestimmungen entwickeln wird.
Das heißt, wir sind da in einem Prozess, wo wir permanent beobachten und auch verändern können. Uns fällt keine Krone vom Kopf herunter, weil wir sagen, die Erfahrungen zeigen jetzt Entwicklungen, die wir wieder verändern müssen. Und ja, wir wissen, dass wir Bereiche brauchen, wo die Frauen stehen; denn es gibt die Straßenprostitution, es gibt sie. Da haben wir Frauen, die freiwillig und selbstständig arbeiten, und da haben wir tatsächlich ein massives Armutsproblem. Wir haben Frauen aus Bulgarien und Rumänien, die auf der Straße stehen und dem Gewerbe der Prostitution nachgehen. Das wissen wir.
Aber ich bitte Sie, diese Frauen in der Diskussion mit Respekt zu behandeln. Was wollen Sie denn mit den Frauen? Sie abschaffen, verdrängen, unsichtbar machen? Die gibt es. Wir haben die Aufgabe, bestmöglich damit umzugehen. In Dortmund wurde die Straßenprostitution im Mai abgeschafft. Die Tagung letzte Woche zeigte ganz klar: Sie finden die Frauen nicht mehr, die der Straßenprostitution nachgegangen sind. Die gehen jetzt straßenzügeweise jede Wohnung ab – in Deutschland ist die Wohnungsprostitution erlaubt –, um einen Zugang zu diesen Frauen zu finden, weil eine irre Sozialproblematik, irre Abhängigkeiten, auch in Verbindung mit Gewalt, dahinterstecken.
Das heißt: Während Sie hergehen und sagen, Sie wollen das nicht mehr sehen – und Armut ist kein schöner Anblick –, sondern Sie verdrängen und kriminalisieren, sagen wir von Rot-Grün: Auch wenn es kein einfaches Thema ist, setzen wir uns damit auseinander, und zwar bestmöglich. Das ist unsere Aufgabe. (Zwischenruf von GR Mag Wolfgang Jung.)
Der nächste Punkt, der mir wichtig ist, ist, noch einmal klarzustellen: Wir haben ein rot-grünes Prostitutionsgesetz. Wir entlasten den Wohnungsbereich, und wir werden die Straßenprostitution sicherlich nicht in die Illegalität, in den Menschenhandel, in Zwang und Abhängigkeiten verdrängen! (GR Mag Dietbert Kowarik: Sind sie ja schon! Lernt das endlich!) Das ist unsere Aufgabe. Wir werden die Indoor-Situation verbessern und wir werden auch den Menschenhandel ernst nehmen. Das ist entscheidend. Und all die Dinge, die Sie immer wieder an Verachtung und Respektlosigkeit kommunizieren, nämlich den Menschen gegenüber, die da kämpfen (GR Mag Dietbert Kowarik: Von sich auf andere schließen!), auch aus Armutsgründen, das lehnen wir einfach ab.
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