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Gemeinderat, 18. Sitzung vom 26.01.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 76

 

Aber einmal mehr: Die lückenlose Aufklärung jedes einzelnen dieser Fälle, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen, wird der Stadt nicht gelingen. Aber worum es mir ganz maßgeblich geht, ist zu sagen, ja, es hat Vorwürfe gegeben und es hat Vorfälle von Missbrauch gegeben und es hat letztendlich auch Misshandlungen in Einrichtungen gegeben, das ist nicht zu leugnen. Wir werden es aber nicht schaffen, jeden Fall lückenlos aufzuklären. Daran scheitern Gerichte, daran scheitert auch die Polizei, und ich will hier nicht den Eindruck erwecken, dass es uns gelingen wird. Wir können nur die Anliegen der Opfer ernst nehmen, ihr erlittenes Leid ernst nehmen und ihnen jene Unterstützung geben, die sie sich verdient haben.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. - Die nächste Zusatzfrage wird von Frau GRin Hebein gestellt. - Bitte.

 

9.13.59

GRin Birgit Hebein (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Stadtrat! Es ist jetzt wichtig, dass die Untersuchungskommission unter dem Vorsitz von Barbara Helige die Vorwürfe in Ruhe lückenlos aufklären kann, ohne politische Zurufe von außen, die teils sehr geschmacklos sind, wo man den Eindruck hat, es geht hier nicht um die Opfer, sondern um parteipolitische Abrechnungen. Wir werden es dann politisch bewerten, wenn die ersten Untersuchungsergebnisse vorliegen.

 

Das heißt, Wien ist hier tätig und nimmt die Vorwürfe ernst. Aber die Bundesregierung ist säumig.

 

Daher meine Frage an Sie: Inwieweit unterstützen Sie unser Anliegen, dass endlich bundesweit eine unabhängige Untersuchungskommission eingerichtet wird, ein Opferfonds, wo man alle Vorwürfe klärt, und das einheitlich, mit einem einheitlichen Procedere, mit einheitlicher Unterstützung und Hilfe? Hier gibt es zwar vollmundige Ankündigungen, aber Funkstille in der Umsetzung.

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.

 

Amtsf StR Christian Oxonitsch: Ich habe mich immer für Maßnahmen eingesetzt, die gerade in diesem hochsensiblen und wichtigen Bereich zu einheitlichen Standards führen, und selbstverständlich auch im Bereich des Opferschutzes. Man muss gleichzeitig aber auch fairerweise anerkennen, dass wir uns hier in einem sehr komplizierten Bereich der entsprechenden Zuständigkeiten und der entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen befinden, nicht zuletzt dadurch, dass Angelegenheiten der Jugendwohlfahrt in unmittelbarer Länderkompetenz sind, sodass es - und das muss man fairerweise auch dazusagen - für den Bund nicht ganz einfach ist, hier eine entsprechende Veränderung vorzunehmen.

 

Aber nichtsdestotrotz, wir unterstützen die Bundesregierung in all jenen Maßnahmen, wo es darum geht, zu einheitlichen Standards zu kommen, sei es im Bereich des Opferschutzes, sei es auch im Bereich der Jugendwohlfahrt. Leider sehen das nicht alle Länder so, und das ist durchaus auch ein Problem der Bundesregierung. Da kann man also die Bundesregierung gar nicht so sehr als Schuldige betrachten. Aber ich denke, nicht zuletzt durch die einheitliche Meinung auch des Wiener Landtages im Bereich des Jugendhilfegesetzes, aber, wie ich denke, auch im Bereich das Opferschutzes haben wir hier – und das ist zumindest einmal sehr gut - in Wien eine sehr klare Haltung und Position.

 

Für mich war aber auch wichtig – ungeachtet dieser Diskussionen –, zusätzlich darüber nachzudenken, in welchen Bereichen wir auch unser System immer wieder verbessern können. Es gibt ja auf der einen Seite hier durchaus neue Kompetenzen, auch im Bereich der Volksanwaltschaften, die auf Bundesebene geschaffen wurden, aber nichtsdestotrotz war es mir wichtig, nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass es ja auch für die Volksanwaltschaft nicht gerade einfach sein wird, über 4 000 Einrichtungen in diesem Bereich in irgendeiner Form wirklich zu kontrollieren - ungeachtet der realen Kompetenzen der Volksanwaltschaft -, dass wir hier zusätzlich auch in Wien eine entsprechende unabhängige Anlaufstelle für Bewohnerinnen und Bewohner unserer Einrichtungen beziehungsweise von Einrichtungen, die im Auftrag der Wiener Jugendwohlfahrt arbeiten, schaffen. Wir werden hier bereits mit 1. März die entsprechende Anlaufstelle haben.

 

Es ist mir nämlich ganz wichtig, dass über ein System, das wir vor rund zwei Jahren eigentlich in Form einer Kooperation mit „Rat auf Draht" auf die Beine gestellt haben, in jeder unserer Einrichtungen diese Anlaufstelle für Jugendliche, aber auch für Kinder in unseren Einrichtungen zur Verfügung steht, an die man sich anonym wenden kann, dass es, wenn es ein Problem gibt, wenn jemand in der Einrichtung Sorgen und Ängste hat, eine Anlaufstelle gibt, wo man sich rasch und unbürokratisch hinwenden kann, und dass wir dazu auch noch in der Lage sind - ich sage es einmal salopp -, ein Gesicht zu präsentieren. Ich denke, dass es gerade für Kinder und Jugendliche durchaus ganz wesentlich und wichtig ist, auch eine Person zu haben, die einmal in der Einrichtung war, die man vielleicht schon einmal kennengelernt hat, an die man sich vertrauensvoll außerhalb der Einrichtung wenden kann. Wir werden diese unabhängige Anlaufstelle im Rahmen der Kinder- und Jugendanwaltschaft bekanntermaßen ja auch entsprechend schaffen und auch damit wieder eines der ersten Bundesländer, wenn nicht sogar das erste Bundesland sein, das diese Anlaufstelle schafft – als, glaube ich, ganz, ganz wichtige Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, wobei man sich immer nur wünschen kann, dass nur wenige sie brauchen werden. Am besten ist es, wenn es hervorragend funktioniert. Aber wenn man ein Problem hat, dann gibt es eine Person, an die man sich vertrauensvoll wenden kann. Es gibt auch weiterhin „Rat auf Draht" als Anlaufstelle, die in unseren Einrichtungen bekannt gemacht wird, aber eben auch eine Person, die einmal in der Einrichtung vorbeikommt, sich vorstellt, mit den Jugendlichen auch über ihre Probleme spricht. Auch wenn es so etwas natürlich im Rahmen der normalen Heimaufsicht im Bereich der MAG ELF sowieso gibt, so weiß man dann

 

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