Gemeinderat, 18. Sitzung vom 26.01.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 20 von 76
machen. Paradebeispiel: Wenn wir in einem Spital allein so viel Straßen zu erhalten haben wie im gesamten 8. Bezirk, wenn wir so viel Geld ausgeben, bevor wir noch einen Patienten gesehen haben, macht es Sinn, hier in andere Strukturen zu gehen. Das geht nicht zu Lasten der Qualität, sondern ist wirklich intelligentes strukturelles Sparen.
Auf der anderen Seite müssen wir weiter investieren. Das ist ja auch mein Ziel bei allen auch manchmal – das gebe ich gerne zu – unpopulären Maßnahmen, die jetzt gesetzt werden müssen. Wir müssen die Investitionsfähigkeit der Stadt Wien erhalten. Das ist auch für die Wirtschaft unbedingt notwendig. Wir müssen weiter der stabile Faktor sein, wir müssen weiter investieren, wir müssen beauftragen, und wir müssen unseren Teil dazu beitragen, dass die Wirtschaft im Schwung ist, dass es eine gute Ausbildung gibt, dass Forschung und Entwicklung nicht leiden unter der Krise und dass vor allem die Menschen auch Arbeit haben.
Diese Kombination, glaube ich, ist der richtige Weg. Nur auf eines zu setzen, nur zu sparen, wäre fatal. Genau so fatal wäre es aber auch zu sagen, es ist uns wurscht, wir wollen kein Geld sparen, wir setzen nur auf Investitionen. Auch das wäre falsch. Ein intelligenter Weg, eine intelligente Mischung zwischen beiden, das ist nicht leicht zu finden, da werden wir noch viel darüber zu diskutieren haben, aber das ist der Weg, den ich in Wien gehe.
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Die 3. Zusatzfrage stellt Herr GR Mag Neuhuber.
GR Mag Alexander Neuhuber (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Guten Morgen, Frau Vizebürgermeisterin!
Wir befinden uns ja mitten in einer interessanten und tatsächlich fachlich wirtschaftspolitischen Diskussion, was die Ratings betrifft. Ich teile Ihren Optimismus nicht ganz, dass diese Herabstufung die Stadt Wien nicht betreffen wird, weil ich fürchte, dass, auch wenn wir noch so gute Relationen mit unseren Banken haben, die Banken an dem Rating nicht ganz vorbeikommen. Gerade nach Basel III müssen sie ja jeden Kreditnehmer „raten“, und ich glaube nicht, dass man da Standard & Poor's völlig auslassen wird in der zukünftigen Betrachtung. Aber, wie gesagt, das ist eine rein wirtschaftspolitische Diskussion.
Meine Frage bleibt natürlich bei den Rating-Agenturen. Sie wissen, es gibt jetzt Bemühungen, eine europäische Rating-Agentur zu gründen. Es gibt schon einige internationale Consulter und Berater, die vor haben, das in den nächsten Jahren zu machen. Es soll 2013 losgehen.
Mein Frage: Würden Sie dann eine derartige europäische Rating-Agentur mit einer Einstufung Wiens beauftragen?
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Frau Vizebürgermeisterin.
VBgmin Mag Renate Brauner: Zum einen: Jawohl, Sie haben recht, ich gehe optimistisch an die Herausforderungen heran. Nicht zuletzt auch auf Aufforderung sowohl des Wirtschaftskammerpräsidenten als auch des Industriellenvereinigungspräsidenten, die richtigerweise die Wirtschaft und die Politik auch zu Optimismus und zu Kraftanstrengungen auffordern. Ich bin der Meinung, dass sie völlig recht haben, mit Jammern – obwohl wir Wiener das natürlich schon ganz gerne machen – ist noch nie ein Problem gelöst geworden, und ich glaube, wir müssen hier auch mit Optimismus an die Dinge herangehen.
Das Problem, das wir jetzt haben, ist natürlich schon auch eines der self-fulfilling prophecy, wo man sich gegenseitig dauernd erzählt, wie schlecht alles ist, und wir wissen, was für eine leider starke Bedeutung auch die Psychologie im Moment gerade in diesem hypertrophen Finanzsystem hat. Also ich halte es für ganz wichtig, hier optimistischer an die Dinge heranzugehen, nicht zuletzt auch deshalb, um den Leuten zu vermitteln, dass die Probleme, die es gibt, lösbar sind, denn die Alternative wäre eine ganz schreckliche. Insofern stimmt es: Ja, ich gehe optimistisch an die Dinge heran, aber nicht naiv, sondern dieser Optimismus hat eine sehr gute Begründung.
Ja, es stimmt – auch da bin ich Ihrer Meinung –, es wäre wichtig, so eine europäische Rating-Agentur ins Leben zu rufen. Da muss man aber dann auch genau hinschauen, wie diese Rating-Agentur ist, denn wenn das Rating-Agenturen sind, die im Prinzip denselben Mechanismen unterworfen sind, nur halt auf Europaebene, dann sehe ich den Vorteil noch nicht. Ich glaube, dass man hier schon auch die Europäische Zentralbank als bessere Kontrolle mit einbeziehen sollte. Auch das ist eine grundsätzliche Diskussion, weil es sehr viele gibt, die der Meinung sind, nicht zuletzt die Deutschen, die ja bekanntlich äußerst einflussreich sind, dass die EZB sich auf reine Zinspolitik reduzieren sollte, was ich nicht glaube. Aber das würde jetzt wirklich zu weit führen.
Deswegen will ich Ihnen die Frage jetzt nicht so aus dem Bauch heraus mit Ja oder Nein beantworten. Dazu ist das Thema viel zu wichtig. Aber grundsätzlich glaube ich natürlich, dass eine europäische Rating-Agentur notwendig wäre, und sie wäre jedenfalls ein besserer Ansprechpartner für die Kommunen, als es jetzt die amerikanischen Agenturen sind.
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Die 4. Zusatzfrage stellt Herr GR Dipl-Ing Margulies.
GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Ich bin sehr dankbar, dass Sie angesprochen haben, dass ein Teil des Downratings der Republik und in Folge jetzt auch der Stadt Wien damit zusammenhängt in der Begründung, dass de facto Standard & Poor's festgestellt hat, man darf ein Land nicht kaputt sparen. Sie haben es für Wien Gott sei Dank ausgeschlossen, aber für die Republik Österreich habe ich schon ein bisschen die Befürchtung, dass kaputt gespart werden soll, insbesondere wenn ich mir Vorschläge der Bundesregierung ansehe, die besagen, wir nehmen jeder Sekretärin und jeder beamteten Putzfrau 1 Prozent ihres Gehaltes weg, während man die Reichen und Superreichen gänzlich ungeschoren lässt.
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