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Gemeinderat, 20. Sitzung vom 26.03.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 21 von 38

 

prognostiziert und bis jetzt nicht geändert, wir werden ein Wirtschaftswachstum von nur 0,4 Prozent haben und das, glaube ich, ist für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik, für eine nachhaltige Wirtschaft viel zu wenig, um weiter hier jetzt einen Aufschwung zu erleben und dementsprechend für dieses Land dann auch was Gutes zu tun. Wir brauchen daher Anreize für die Wirtschaft, und wir brauchen diese Anreize dringend für die Wirtschaftsregion Wien vor allem im Großen und Ganzen. Der Spruch der rot-grünen Stadtregierung „Wien ist die lebenswerteste Stadt“ zieht in der Realwirtschaft überhaupt nicht, wenn die wirtschaftlichen Grundlagen ganz einfach zukünftig abhanden kommen. Das kann es nicht sein, wir müssen in die Entwicklung arbeiten. Schaffen wir es nicht, Wien für Produktion, Entwicklung und Forschung attraktiv zu gestalten, werden wir uns in Zukunft leider nicht mehr lebenswert nennen können.

 

Einige Stichworte zu diesem Thema. Stichwort Triple-A-Verlust auch für Wien. Wirtschafts-Rating-Agenturen wie Standard & Poor’s sind keine Investoren. Sie analysieren und liefern aber Indikatoren für die Investoren, und das ist ein wesentlicher Faktor. Dabei ist nicht nur auf das Triple-A zu schauen, sondern auch auf die Arbeitslosenrate in Wien, wie schon angesprochen, die in Wien nach wie vor die höchste in ganz Österreich ist. Das muss sich ganz einfach ändern. Die Bildungsquote muss man sich anschauen, die Finanzgebarung und vor allem auch die Gebührenbelastung, die in der letzten Zeit auf die Wienerinnen und Wiener und auch die Wiener Betriebe ganz einfach niedergeprasselt ist.

 

Ich muss Ihnen, meine Damen und Herren von Rot-Grün, nicht erklären, dass wir in vielen dieser Bereiche bereits Nachholbedarf haben, um aufzuholen. Ja, wir haben bei der Attraktivität unseres Standortes Nachholbedarf. Mercer zeigt, dass wir in Wien zum Paradies der Privatmänner und der Topmanager gehören. Die Wachstumsraten zeigen aber, dass Produktion und Innovation nicht bei uns, sondern vor den Haustüren Wiens stattfinden. Wir leben derzeit in einer Zeit des internationalen Wettbewerbes. Unsere Nachbarn, die Tschechei und Slowakei, haben ihre Hausaufgaben in den vergangenen Jahren gemacht und zukunftsorientiert investiert. Die Osteuropa-Headquarters bekommen in den Nachbarregionen viele Anreize, gute Investitionsgrundlagen und gut ausgebildetes Personal, das großteils sogar aus Wien kommt, das an der Wirtschaftsuniversität oder auf der Technischen Universität ausgebildet wird. Sie bekommen schnelle Genehmigungsverfahren und eine solide Infrastruktur. Tschechien etwa hat ein solides Wirtschaftswachstum, das Bildungsniveau und die Anzahl der Maturaabschlüsse sind im Steigen. Die Industriezweige wie die Autoindustrie boomen. In der Slowakei zeigt sich der Wettbewerb mit dem Wiener Raum noch viel stärker. Bratislava boomt. Laut Eurostat ist das BIP pro Kopf Kaufkraft in der slowakischen Hauptstadt bereits auf dem 5. Platz der reichsten Regionen. Wien ist leider auf den 11. Platz abgerutscht. Da muss man etwas dagegensteuern, dass wir nicht weiter nach unten kommen. Bratislava ist eine Dreiviertelstunde von Wien entfernt, und damit gehört Bratislava zum erweiterten Speckgürtel von Wien. Jedes Jahr bauen 200 österreichische Unternehmen Standorte aus. Insgesamt gibt es bereits 2 000 österreichische Firmen in der Slowakei. Das liegt zum einen an den sehr günstigen Unternehmensbesteuerungen, aber auch an den geringen bürokratischen Hürden.

 

Der Raum Bratislava ist auch im Bildungsbereich sehr dynamisch. 17 Prozent der Bevölkerung in dieser Region haben einen Uni-Abschluss, über 30 Prozent Maturaabschluss. Damit ist in dieser Region der Anteil der sehr gut Ausgebildeten doppelt so hoch als in Wien, meine Damen und Herren. Bei der Wiener Bevölkerung gibt es nur 10 Prozent mit Universitätsabschluss und 15 Prozent mit Matura.

 

Jetzt, meine Damen und Herren, ein Zitat des österreichischen Wirtschaftsdelegierten Patrick Sagmeister, vor Kurzem im „Hohen Haus" im ORF: „Vorteile für viele Unternehmer sind die geringen bürokratischen Hürden und die qualifizierten Arbeitskräfte." - Sie sehen, die qualifizierten Arbeitskräfte sind ganz einfach ein wesentlicher Bestandteil einer erfolgreichen Wirtschaft. Auch hier ist Wien säumig. Der Trend zeigt klar, Wien muss effizienter, unternehmerfreundlicher und unbürokratischer werden, um künftig mit seinen Nachbarregionen Schritt halten zu können.

 

Außerdem müssen wir dringend das Qualifikationsniveau der Wienerinnen und Wiener heben. Qualifikation und Kompetenz sind der Schlüssel der Zukunft, meine Damen und Herren. Wir bilden auf der Technischen Universität, auf der Wirtschaftsuniversität und auf der MedUni Topleute aus, aber wir schaffen es oft nicht, sie dauerhaft in Wien zu halten. Das muss sich ändern.

 

Wir müssen als Produktions-, Forschungs- und Wirtschaftsstandort attraktiv werden und nicht mit dem Status der perfekten Wellnessoase für Topmanager den Puls der Zeit versäumen. Dabei droht die Verschuldung der Stadt Wien, meine Damen und Herren, aus dem Ruder zu laufen. 2008 hatten wir noch 1,4 Milliarden EUR Schulden, Ende 2009 werden wir 4 Milliarden EUR Schulden haben, plus 2,4 Milliarden EUR Schulden bei Wiener Wohnen, das heißt, über 6 Milliarden EUR Schulden. Hier ist alles zu tun, um diesen Schuldenstamm abzubauen. Auf Bundesebene, meine Damen und Herren, haben wir mit dem Konsolidierungsprogramm bereits einige unserer Vorstellungen zu dieser Reform durchsetzen können, und zwar eben nur 20 Prozent einnahmenseitig und 80 Prozent ausgabenseitig. Das ist der wesentliche Schlüssel, meine Damen und Herren, einer zukünftigen Reform. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das kann jedoch nur der Anfang einer umfassenden Reform in Österreich sein. Wien wird sich dieser Reform nicht entziehen können, um auch in Zukunft auf dem Wirtschaftsstandort bestehen zu können. Unser Anliegen ist es, dass jene Menschen, die in Wien wirtschaftlich

 

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