«  1  »

 

Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 35 von 125

 

Betreffend Kaufkraft kann man auch ganz klar sagen, dass sich Wien im Vergleich zu Zürich deutlich verschlechtert hat. Wien liegt kaufkraftmäßig auf dem 24. Platz, München auf dem 20. Platz. Das ist eine Studie der Schweizer UBS-Bank.

 

Soweit zu den Zahlen des Budgets, um auch dazu ein bisschen etwas zu sagen, was die Dinge wieder zurückrückt. – Ich möchte jetzt aber auch noch zwei, drei andere Themen kurz aufgreifen und hoffe, dass sich das zeitlich ausgeht. – Ein Punkt ist zum Beispiel die an und für sich ganz tolle Einführung eines Top-Jugend-Tickets als Jahresnetzkarte für Jugendliche um 60 EUR ab Herbst. Es ist dies eine lobenswerte Aktion, die den Schülern und Lehrlingen der Ostregion fraglos viel helfen wird. Es beruht dies auf einer Absprache der drei östlichen Landeshauptleute, basiert aber, wenn ich recht informiert bin, budgetmäßig auf Kosten des Bundes. Dort tut man sich natürlich ein bisschen leichter.

 

Das ist aber nicht das Einzige: So gut die Sache ist, so ist zugleich aber auch hervorzuheben, dass die allgemeine Jahresnetzkarte auf 365 EUR und nicht auf die von den Grünen versprochenen 100 EUR herabgesetzt wurde. Aber immerhin ist es weniger geworden. Eine zutiefst unsoziale Vorgangsweise ist aber, dass eine große Bevölkerungsgruppe, die es am nötigsten braucht und teilweise sozial schwach ist, nicht berücksichtigt wurde, nämlich die Senioren. Die Seniorenjahresnetzkarte ist in keiner Weise verbilligt worden. Der Preis für diese ist gleich geblieben. Ich meine, wenn man alles um 25 Prozent kürzen kann, dann kann man natürlich auch den Preis der Jahresnetzkarte für Senioren kürzen!

 

In diesem Sinne bringen wir einen entsprechenden Antrag ein. Dieser besagt, dass die zuständige Stadträtin für Senioren und Seniorinnen in dieser Stadt eine deutliche Preisherabsetzung der Jahresnetzkarte der Wiener Linien wie bei allen anderen Bevölkerungsgruppen durchsetzen soll. – Ich denke, unabhängig vom Antrag, an 25 Prozent. (Beifall bei der FPÖ. – GR Dipl-Ing Martin Margulies: Was kostet das ungefähr?) 25 Prozent weniger sind ungefähr 55 EUR pro Karte.

 

Die zweite Frage, die ich ansprechen möchte, haben wir schon das letzte Mal diskutiert. Wir haben rund um die Aberkennung des Namens Dr-Karl-Lueger-Ring eine Debatte geführt, in der festgestellt wurde, dass seitens der Stadt Wien eine Vorgangsweise gewählt wurde, bei welcher mit den Maßstäben und Werten von heute auf die Zeit von gestern zurückgegriffen wird. Es ist aber offensichtlich der Wunsch der Kulturpolitik in Wien, dass man hier alles wieder aufleben lässt und aufbereitet, Persönlichkeiten aus der Vergangenheit und von einer gewissen Glorie wegzerrt und sozusagen aufzeigt, was sie sonst noch gemacht haben.

 

Angesichts dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass der Antisemitismus in der Person Luegers natürlich vorhanden war. Man muss allerdings dazusagen, dass das zeitgeistig war. Es gibt reihenweise andere Persönlichkeiten, auf welche das auch zutrifft. Wir werden diesbezüglich der Reihe nach entsprechende Anträge einbringen, weil wir gerne bei der Aktion des Herrn Kulturstadtrats mitmachen, der offensichtlich eine Aufarbeitung der eigenen Geschichte in den Mittelpunkt des Interesses stellt. Wir werden daher mit diversesten Personen anfangen, die sich ebenfalls antisemitisch betätigt haben, von Karl Marx, der selbst jüdischer Herkunft war, angefangen bis zu Pernerstorfer und anderen. Es gibt zahlreiche Beispiele, die belegen, dass es so gewesen ist.

 

Ganz besonders trifft das, wie wir vergangenes Jahr schon gesehen haben, auf Prof Julius Tandler zu, der ein großartiger Gesundheitspolitiker in der Stadt Wien war, der großartige Neuerungen eingeführt und wichtig für die Reform des gesamten Gesundheitswesens bis zum Jahr 1934 gewirkt hat. Er hat ein modernes Gesundheits- und Sozialsystem in Wien überhaupt erst möglich gemacht hat. All das ist unbestritten.

 

Dessen ungeachtet ist die dunkle Seite des Herrn Tandler, zeitgeistig gesehen, ebenfalls hervorzuholen. Es ist auch festzustellen, dass er Eugeniker war, aber nicht nur das. Das hat es öfters gegeben, diesbezüglich gab es Gesetze in Amerika, in Schweden und anderswo, es wurden beispielsweise Heiratsverbote ausgesprochen, um die Verbreitung von Erbkrankheiten zu verhindern. Das war damals Zeitgeist. Aber Tandler ist noch viel weiter gegangen: Er hat die Auslöschung unwerten Lebens verlangt und hat das in einem Artikel, den ich schon einmal vorgelesen habe, 1924 ganz massiv hervorgehoben. Ich meine, das sollte man ebenfalls bedenken! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Er hat gesagt: „Welchen Aufwand übrigens die Staaten für vollkommen lebensunwertes Leben leisten müssen, ist zum Beispiel daraus zu ersehen, dass die 30 000 Vollidioten Deutschlands diesen Staat 2 Milliarden Friedensmark kosten. Bei der Kenntnis solcher Zahlen gewinnt das Problem der Vernichtung lebensunwerten Lebens an Aktualität und Bedeutung. Gewiss: Es sind ethische, es sind humanitäre oder fälschlich humanitäre Gründe, welche dagegen sprechen, aber schließlich und endlich wird auch diese Idee, dass man lebensunwertes Leben opfern müsse, um lebenswertes zu erhalten, immer mehr und mehr ins Volksbewusstsein dringen.“

 

Damit hatte er recht! Die Nationalsozialisten haben genau das verwirklicht, und in diesem Sinn ist Tandler natürlich ein Wegbereiter der Massenvernichtungspolitik, wie sie in der Euthanasie stattgefunden hat. – Dieses Faktums wird man sich natürlich im Zusammenhang mit der Person Tandlers erinnern müssen. Daher stellen wir den Antrag, dass der zuständige Stadtrat ersucht wird, dafür Sorge zu tragen, dass neben den Straßenschildern des Julius-Tandler-Platzes im 9. Wiener Bezirk Gedenktafeln angebracht werden, auf welchen auch auf die verhängnisvolle Rolle Julius Tandlers als Vorreiter der NS-Politik betreffend die Auslöschung des damals so bezeichneten „lebensunwerten Lebens“ hingewiesen wird. – In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung beantragt. (Beifall bei der FPÖ.)

 

So. Dann haben wir noch ein Thema, das ich ganz kurz – ich habe eh nicht mehr viel Zeit – ansprechen will,

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular