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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 43 von 125

 

Europaparlament einen Brief an Kommissionspräsident Barroso überreicht, hier einen Notfallpan für das griechische Gesundheitssystem vorzusehen.

 

Ich denke, die Gefahr für Europa wäre nicht ein ökonomischer Kurswechsel oder eine Änderung des Memorandums gewesen, das die Troika mit Griechenland geschlossen hat, sondern die Gefahr für Europa ist genau die Fortsetzung dieses bisherigen Kurses, der Griechenland in diesen Ausnahmezustand gebracht hat und eigentlich ein Kurs ist, der in den Abgrund fährt.

 

Wir denken, es braucht für Griechenland zum Teil genau jene Vorschläge, die Griechenland jetzt gemacht hat, nämlich das Memorandum auszudehnen, die Zeitschiene zur Erfüllung der Auflagen der EU mindestens zwei Jahre auszudehnen und sie auch substanziell zu verändern, also zum Beispiel das Arbeitslosengeld wieder zu erhöhen, die Mindestlöhne, die dramatisch gekürzt wurden, wieder zu erhöhen, die Mindestpensionen wieder zu erhöhen, die ebenfalls dramatisch gekürzt wurden, die Beamtenentlassungen, die geplant sind – zum Teil Tausende von Beamten, habe ich gelesen – nicht vorzunehmen. Denn – gerade in einer Stadt wie Wien muss man das diskutieren – wie kann ich denn glauben, dass ich fast ein Drittel meiner Beamten des öffentlichen Dienstes entlasse und dann auch nur ansatzweise die so wichtigen Leistungen des öffentlichen Dienstes wie Gesundheitsversorgung und so weiter aufrechterhalten kann. (GR Mag Wolfgang Jung: Das ist die Frage, ob sie diese Leistung erbringen!) Das kann ja niemand glauben. Also das ist wahrlich ein Kaputtsparen dieses Landes. Die Mehrwertsteuer ist auch erhöht worden. Sie soll jetzt auch gesenkt werden laut den Vorschlägen.

 

Ich denke, intelligente Auflagen, auch für Griechenland, wären zum Beispiel Stopp aller Rüstungsausgaben, generelle Korruptionsbekämpfung und eine Umstellung des Steuersystems. Das alles ist nicht neu, wir haben das schon öfter hier von dieser Stelle aus diskutiert, aber ich denke, es wäre gerade jetzt, angesichts dieser positiven Stimmung, die da jetzt plötzlich herrscht – hu, hu, jetzt wird alles gut nach der Griechenlandwahl – anzugehen. Mitnichten wird alles gut.

 

Es braucht – davon sind wir Grünen überzeugt – einen Kurs- und Paradigmenwechsel der EU. Weg vom Kaputtsparen von Griechenland. Und dann kommt Spanien. Irland, Portugal, Italien stehen ja auch schon da. Spanien hat wenigstens noch einen Aufschub seiner Auflagen bekommen, und wir hoffen, dass das Griechenland auch bekommt.

 

Es braucht einen Wachstums- und Beschäftigungspakt, und dafür braucht es einen Mix von Maßnahmen. Wir haben einige davon auch in dem rot-grünen Antrag, den wir heute stellen. Das eine ist nachhaltige Entwicklung, nachhaltiges Wachstum.

 

Es braucht Eurobonds unserer Meinung nach. Wir werden jetzt vielleicht beim EU-Gipfel einen Einstieg in Eurobonds light haben, Euro Bills. Das ist einmal ein erster Schritt, aber ich denke, die tatsächliche Einführung von Eurobonds, also von Eurostaatsanleihen, wäre ganz, ganz wichtig als präventives Mittel gegen Spekulation gegen einzelne Staaten. Die EU muss auch für Staaten die Möglichkeit vorsehen, wie Private in Ausgleich gehen zu können, damit künftig auch Banken und Spekulanten das Risiko einer Insolvenz mittragen, nicht nur die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen.

 

Es braucht – da sind wir auch auf einem guten Weg, da könnte etwas herauskommen beim morgigen Gipfel – eine Aufstockung des Stammkapitals der Europäischen Investitionsbank. Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt, um Wachstum und damit indirekt auch Beschäftigung in den Ländern anzukurbeln.

 

Aber es braucht auch – und davon ist wieder einmal keine Rede – die Schließung von Steueroasen, einheitliche Unternehmensbesteuerung in Europa, progressive Steuern statt Flat Tax, dann endlich die qualifizierte Mehrheit statt Einstimmigkeit im Ministerrat, um Steuerpolitik auch wirklich einmal offensiv machen zu können.

 

Es braucht eine echte Regulierung der Finanzmärkte – das haben wir auch in unserem rot-grünen Antrag heute vorgesehen –, eine wirksame europäische Finanzmarktaufsicht, strenge Regeln für internationale Spekulanten, Kontrolle hochspekulativer Transaktionen, Hedge Fonds gehören stärker an die Kandare genommen. Es braucht Genehmigungspflichten, und ein Schrumpfen des Bankensektors wäre ökonomisch eigentlich auch durchaus tragbar und sinnvoll.

 

Es gibt einen positiven Schritt, der jetzt gerade im Europaparlament und auch im Rat verhandelt wird, den wir sehr unterstützen, das ist eine neue Richtlinie betreffend Märkte für Finanzinstrumente, wo es um mehr Transparenz am Finanzmarkt geht, auch um eine klare Definition, was ist Marktmissbrauch und was ist kriminell am Finanzmarkt. Das ist ein wichtiger Schritt, und wir hoffen, dass diese Richtlinie bald kommt.

 

Einer der wichtigsten Bausteine für einen solchen Wachstums- und Beschäftigungspakt in einem solchen Kurswechsel ist natürlich – man kann es nicht oft genug sagen – die Sozialunion und die europäische Demokratie. Vorschläge für die Bildung einer Sozialunion liegen seit Jahren vor, Vorschläge von vielen, vielen Akteuren der europäischen Politik – Europäischer Gewerkschaftsbund, Armutskonferenz und so weiter –, nämlich europaweite Mindestlöhne, Absicherung starker und gut ausgebauter Dienste, wirklich europaweit verbindliche soziale Mindeststandards und eine Beschäftigungspolitik, die in ihren verbindlichen Kriterien den verbindlichen Kriterien der Wirtschafts- und Währungsunion etwas entgegenhalten kann, also wirklich verbindliche Ziele, die dann auch umgesetzt werden müssen.

 

Die Demokratisierung habe ich schon erwähnt. Die Grünen kämpfen für einen neuen Europäischen Konvent, um diese europäische Demokratie – Stichwort europaweite Volksabstimmungen – auch zu schaffen, und ich denke, das, was wir heute mit unserem rot-grünen Antrag vorlegen, ist ein wirklicher Gegenentwurf, ein pro-europäischer Gegenentwurf zu der Spar- und

 

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