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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 25.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 97 von 125

 

sichergestellt! (Demonstrativer Beifall von GR Mag Wolfgang Jung.)

 

Ihrer Rede, Frau Feldmann, kann ich in vielen Punkten inhaltlich schon einiges abgewinnen, sachlich auch einiges abgewinnen. Aber ein Punkt hat mich sehr erschreckt, nämlich, als Sie die Leitlinien Ihrer Frauenpolitik skizziert haben und als Allererstes den Punkt genannt haben: Es geht um die Zukunftschancen unserer Kinder. Genau darum geht es bei feministischer und Frauenpolitik nicht, es geht um uns! (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Wollen Sie keine Kinder?) Es geht um uns Frauen! Wir wollen alles, und zwar jetzt sofort - das sei auch Ihnen hinter die Ohren geschrieben, Herr Jung! (Beifall bei den GRÜNEN. - Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 

Noch ein kleiner Tipp an alle, die mit den Reden von Herrn Jung immer wieder ihre Schwierigkeiten haben: Mein Rezept - ein bescheidenes Rezept, aber mein Rezept - ist, ich summe im Inneren immer ein Lied von Lily Allen. Falls es wer kennt: Ich darf den Titel hier nicht nennen, er beginnt mit F, das zweite Wort ist you, ein netter Titel, ein fröhlicher Titel. Das hilft, wenn man den innerlich summt bei Reden meines Kollegen Herrn Jung.

 

Wie wichtig ... Ich wollte genau über diese Geringschätzung, die Sie heute wieder an den Tag gelegt haben, genau darüber wollte ich nämlich reden. Die kommt meistens ja auf leiseren Sohlen daher, als Sie das heute hier gezeigt haben. (Heiterkeit der Rednerin.) Die kommt meistens eher latent daher, die ist leider aber auch so selbstverständlich und allgegenwärtig, dass sich kaum jemand darüber aufregt.

 

Häufiger kommt sie versteckt daher als so offensichtlich wie von Ihnen, Herr Kollege. Häufiger ist sie zwischen den Zeilen zu lesen, trotzdem aber unübersehbar, besonders dann, wenn es um Lohndiskriminierungen und um unverhohlenen Sexismus geht. Oft ist sie in einem Nebensatz gedankenlos dahingesagt, und leider sorgt sie in der Regel auch nicht wirklich für Widerspruch, weil sie das ausdrückt, was leider immer noch sehr tief und in sehr vielen Köpfen hockt, aller Emanzipation zum Trotz.

 

Das beste Beispiel haben wir ja heute erlebt, nämlich, dass die Hälfte der Bevölkerung irgendwie immer noch weniger wichtig, weniger ernst zu nehmen und weniger wert zu sein scheint. Die Frauen mögen noch so sehr auf dem Vormarsch sein, wir können uns noch so sehr ins Zeug legen, wir können noch so sehr alles wollen, gleichzeitig scheint die Misogynie, die Frauenfeindlichkeit, nicht unterzubringen zu sein. Wie kürzlich eine englische Philosophin - Nina Power heißt sie - im „Guardian“ auch beschrieben hat, scheint es angesichts der herrschenden Rezession auch wahrscheinlich überhaupt kein Zufall zu sein, dass die wieder so im Kommen ist.

 

Wer nicht mitlacht bei sexistischen Witzen, wird als humorlos abgestempelt. Wer kritisiert, dass regelmäßig von einem Beziehungsdelikt die Rede ist, wenn Frauen von ihren Männern oder von ihren Vätern oder von ihren Brüdern getötet werden, womit die Tat nicht nur verharmlost wird, sondern auch suggeriert wird, dass die Frau schon auch immer ein bisschen selbst an ihrem Tod schuld sei. Solche Leute sollen dann nicht allzu spitzfindig sein.

 

Wer es vielsagend findet, dass nicht nur ein Vulgärbegriff des weiblichen Geschlechtsteils als Schimpfwort verwendet wird, sondern auch Ausdrücke wie „Schlampe“, „Nutte“, „Ich fick' deine Mutter.“ zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören, die soll sich mal nicht so anstellen und sich mal wieder einkriegen. So hält sie sich, so wird sie salonfähig, so bleibt sie salonfähig, die Geringschätzung von Frauen.

 

Dafür aber erklären uns Männer regelmäßig die Welt, und zwar in allen Bereichen. In Medien - und da gibt es zahlreiche Studien, von der Schweiz über England über die USA - wird Männern viel mehr Platz zugestanden: Fünf Mal, mindestens fünf Mal häufiger kommen Männer zu Wort als Frauen, selbst bei Themen, die sozusagen klassisch, die definitiv uns Frauen betreffen. Bei Themen, wo es um Abtreibung geht, auch in der Bildungspolitik zum Beispiel, wo vor allem bei den Pädagoginnen sozusagen Frauen am Werken sind, auch da (GR Mag Wolfgang Jung: Bei den Fernsehköchen!) erklären uns immer ganz gerne Männer die Welt, erklären uns, wie es geht und wie sie es auf jeden Fall besser machen würden.

 

Ein letzter, ein wichtiger Punkt, der ja auch gut über die Hälfte unseres Budgets einnimmt, ist der Gewaltschutz. (Im Saal wird das Licht gedämpft. - GR Mag Wolfgang Jung: Die Welt verdunkelt sich! Der Himmel weint!) Über die Hälfte davon fließt in den Gewaltschutz. Wie wir hier immer wieder beteuern - und das mache ich auch heute wieder -, finden wir es nicht richtig, dass das Gewaltschutzbudget, dass der Gewaltschutz im Frauenförderungsbudget angesiedelt ist.

 

Es ist kein Geheimnis, das betonen wir hier immer wieder: Wir sehen Gewaltschutz nämlich als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich deshalb nicht allein unter dem Titel Frauenförderung und Frauenbudget finden lassen sollte. Und - da bin ich ganz einer Meinung mit Frau Kollegin Feldmann - ich würde das Budget auf jeden Fall auch erhöhen. Selbstverständlich kann das gerne um den Teil des Gewaltschutzbudgets erweitert werden. Diskussionen stehen noch an, jede Budgetverhandlung ist spannend.

 

Denn Gewalt an Frauen ist brisant und aktuell wie eh und je. Gerade zur Zeit wieder bekommt sexualisierte Gewalt viel Platz in Zeitungen, viel Sendezeit in TV und Radio. Die Auslöser waren Vorwürfe gegen prominente mutmaßliche Täter, und da ist und war dann sehr viel von Sextätern, von Triebtätern, von Männern, die einfach nicht anders können, die Rede. Die Solidarisierung und Bemitleidung von mutmaßlichen Tätern wird großgeschrieben, die Verhöhnung der Opfer auch.

 

Gewalt gegen Frauen ist alltäglich. Gewalt gegen Frauen hat sehr viele Gesichter. Körperliche, psychische, sexuelle und strukturelle Gewalt erhält das System und hat System. Gewalt an Frauen dient der Erhaltung von Macht und des Status quo, hemmt Frauen massiv in ihrer Entwicklung und hindert sie an gesellschaftlicher Teilhabe.

 

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