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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 26.06.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 49 von 88

 

Zweig zu kommen. Lange Zeit waren wir rund um die Pflegethematik genau in diesem Modus. Wir haben uns in einer Untersuchungskommission nichts geschenkt. Viele Anwesende, Christian Deutsch, Marianne Klicka, Ingrid Korosec, Kurti Wagner, ich kann sie gar nicht alle nennen, Sonja Ramskogler, wir haben uns in dieser Untersuchungskommission viele Wahrheiten, unangenehme Wahrheiten und auch einige Verletzungen nicht erspart. Wichtig war, dass in diesem Prozess klar geworden ist, wir müssen etwas in Wien ändern. Wir müssen etwas in der Pflege ändern. Es kann nicht so sein, dass wir die Verhältnisse vom Ende des vorvergangenen Jahrhunderts mitnehmen ins 21. Jahrhundert.

 

Die Frau StRin Pittermann und ich waren sicher sozusagen die erbittertsten Kontrahentinnen in diesem Punkt. Aber eines muss man der Liesl Pittermann sagen, sie hat die Konfrontation nicht gescheut. Es gab einen Tag, ich glaube, es war der Kontrollausschuss, da hat sie gesagt: „Und Ihnen sage ich, Frau Pilz, arbeiten Sie einmal einen Tag in Lainz, bevor Sie so groß reden!“ Der Herr Kontrollamtsdirektor hat gesagt: „O je, falsche Ansage!“ Ich habe gesagt: „Gut, Frau Stadträtin, ich komme!“ Ich glaube nicht, dass sie es intendiert hat, aber sie hat mich damit eingeladen. Ich habe dann einen Tag lang den Kittel einer Abteilungshelferin angezogen, war in einer ganz gewöhnlichen Langzeitstation und habe dort viel erlebt. Ich habe unglaublich bemühtes Personal unter schwierigsten Bedingungen erlebt. Ich habe erlebt, wie es ist, und jetzt ist es leider ein bisschen ungustiös, wenn man einem alten Herrn, dessen Inkontinenzeinlage den Inhalt nicht halten kann, über 50 m zum Klo und dann noch weitere 10 m in ein ungeeignetes Bad hilft. Das hat etwas mit Würde oder Nichtwürde zu tun. Ich habe auch erlebt, dass ich einen Herrn getroffen habe, der um die 70 war. Ich habe ihn gefragt, warum denn ein so junger Mensch schon im GZW ist. Die Schwestern haben gelacht und haben gesagt, er ist seit 30 Jahren da, er hat Asthma, und irgendwie war das sein Lebensraum. Diese Dinge waren dann Thema und es war klar, es läuft viel falsch und wir machen es jetzt anders.

 

Wir haben dann mit der Geriatriekommission herausgefunden aus dem, dass alles super ist und dass alles schlecht ist. Wir konnten, würde ich sagen, vertrauensbildende Maßnahmen setzen. Weiter hinten habe ich irgendwo Peter Hacker gesehen. Viele Leute aus dem Gesundheitsbereich waren dabei. Wir haben uns die Frage gestellt: Wie wollen wir denn selbst alt werden? Was werden wir denn brauchen? Wir konnten aussteigen aus dieser Dichotomie und wir konnten anfangen. Frau StRin Wehsely hat das dann sehr konsequent umgesetzt, aus diesem Dialog auszusteigen. Wir konnten ein Pflegeheimgesetz entwickeln, dass, und so lange dauern politische Veränderungsprozesse, im Jahr 2015 das Geriatriezentrum Am Wienerwald zugesperrt wird. Wir haben neue, schöne Pflegewohnhäuser. Wer sie nicht gesehen hat, sollte einmal hingehen. Orte, wo man sagt, dort könnte man selbst seinen Lebensabend, wenn es sein soll, auch beschließen. Niemand in Wien muss mehr sagen: „Ich bringe mich um, bevor ich ins Heim komme.“ Denn das habe ich früher gehört. Diese Entwicklung, denke ich, ist eine Leistung für unsere Stadt. Wir konnten Abschied nehmen von alten Konzepten. Wir konnten auch Abschied nehmen aus einem unversöhnlichen Dialog zwischen Opposition und Regierung.

 

Der zweite Veränderungsprozess, von dem ich reden möchte und den ich in all den Jahren mitbegleiten, kritisieren und seit der gemeinsamen Regierung auch mittragen kann, ist die Spitalsreform 2030. Du hast gesagt, Gesundheitsplan 2030. Wir haben einen Plan, 2030, aber das ist konkret eine Spitalsreform. Man kann nicht genug betonen, was da für wichtige Dinge passieren werden. Da bleibt im Wortsinn kein Stein auf dem anderen, was die Gebäude betrifft. Aber es bleibt auch kein Stein auf dem anderen, was die Strukturen betrifft. Da ist vieles im Werden. Aber mit dem RSG, den wir jetzt verabschieden werden, ist es auf Schiene. Es ist unumkehrbar. Da werden ein paar heilige Kühe geschlachtet. Du hast das, glaube ich, in den Medien so genannt.

 

Da gibt es noch ein paar andere Partner. Das ist vielleicht im Vergleich zur Geriatriereform die große Schwierigkeit. Ich bin sicher, wenn es helfen würde, würde Frau StRin Wehsely auf den Tisch hauen und sagen: „So, das machen jetzt alle!. Und ab nun wird einfach die Spitalsreform umgesetzt.“ Faktum ist, dass es viele Player gibt. Nicht alle haben das gemeinsame Wohl im Auge, sondern vielleicht haben manche auch ihre Standesinteressen im Auge.

 

Damit komme ich jetzt zu einem zweiten Partner, mit dem ich in den vergangenen Jahren trefflich gestritten habe, die Wiener Ärztekammer. Die Wiener Ärztekammer sagt sehr oft, es geht ihr um die Patienten und Patientinnen. Das glaube ich ihr absolut. Es sind nämlich Ärzte und Ärztinnen. Aber sehr oft geht es ihr auch und insbesondere um ihre Standesinteressen.

 

Ich habe von Entwicklungen und Veränderungen geredet, die ich mitbegleiten durfte. Jetzt möchte ich von einem kleinen Sieg sprechen. Vielleicht ist so eine Abschiedsrede auch die Möglichkeit, sich einmal über so etwas zu freuen. Ich habe, unterstützt von einem Drittel der Abgeordneten hier, eine Verfassungsklage eingebracht, weil der Rechnungshof gesagt hat, die Gebarung der Privathonorare in den Wiener Spitälern entspricht nicht der gebotenen Transparenz und rechtlichen Notwendigkeit. Er hat kritisiert, dass es private Abrechnungsvereine gibt und dass insbesondere im Wiener AKH niemand von der Ärzteschaft verpflichtet war, für die Privatpatienten Infrastrukturbeitrag zu bezahlen. Kann man sich das vorstellen? Man spielt mit der vollen Orgel des besten Krankenhauses Österreichs und zahlt genau gar nichts dafür, dass man seine eigenen Privatpatienten und Privatpatientinnen betreut. Ich habe hier, an diesem Pult, den Herrn Rechnungshofpräsident unterstützt und habe gefragt: „Erwarten Sie sich etwas von uns?“ Denn die Landesregierung hat damals zu den Vorschlägen genau geschwiegen. Der Herr Rechnungshofpräsident hat

 

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