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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 19.11.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 108

 

tricht geschlossen haben, wirklich ernst nehmen, braucht es einen europäischen Finanzausgleich, um die Krise zu bewältigen und, so wie es Wien tut, aus der Krise herauszuinvestieren, statt in die Rezession hineinzusparen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ. – GR Mag Wolfgang Jung: Schuldenvergemeinschaftung!)

 

Dazu noch ein paar Worte zur aktuellen EU-Budgetdiskussion an die Adresse der ÖVP. Ich halte die Veto-Drohungen von Herrn Spindelegger gegen die Erhöhung des EU-Budgets für mehr als entbehrlich. Er stellt sich hier auf eine Stufe mit David Cameron und der FPÖ. Ja glaubt man denn, die Krise zu bewältigen mit weniger Geld? Glaubt man denn, man bekommt mehr Europa – und auch Sie sagen, wir brauchen mehr Europa zur Lösung der Krise – mit weniger Geld? Das kann man doch nicht glauben, nämlich diese Doppelzüngigkeit, die Sie schon immer praktizierten in Ihrer EU-Politik, die schon lange keine kosmopolitische ist. – Sidestep: Siehe auch EU-BürgerInnenwahlrecht, das in Wien leider noch immer nicht umgesetzt werden kann, weil die ÖVP eine entsprechende Gesetzesänderung im Bund nicht zulässt. – Glauben Sie denn, dass mit dieser Sparpolitik, die auch Sie vertreten, Europa aus der Krise geführt werden kann? Nein, selbstverständlich nicht!

 

Wir sehen auch in Wien – und das haben einige meiner Vorredner und Vorrednerinnen ja schon gesagt –: Warum hat denn Wien bisher die Krise besser bewältigt als andere Bundesländer? Weil Wien eben mit dem Reform- und Wachstumspakt auf nachhaltiges Wachstum setzt. Wir sagen immer dazu, und das ist uns wichtig: nachhaltiges Wachstum, „green growth“. Wachstum allein bringt noch nichts, Wachstum muss auch nachhaltig sein und umverteilt werden. Wien setzt also genau darauf. Mit einem Reform- und Wachstumspakt steuern wir der Krise entgegen. Das ist erfolgreich für Wien, das ist auch erfolgreich in Europa, und dafür kämpft Rot-Grün in Europa. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Eine kurze Bemerkung noch zu einem Thema, das uns schon im Europaausschuss sehr stark beschäftigt hat, aber noch weiter beschäftigen wird, nämlich zum Thema öffentliche und soziale Dienstleistungen. Da ist es Rot-Grün ganz, ganz wichtig, immer wieder zu sagen, wir brauchen eine offensive und starke Lobbypolitik in Europa, vor allem bei der Europäischen Kommission, um den Liberalisierungstendenzen nachhaltig entgegenzuwirken, die immer wieder durch die Hintertür kommen, zuletzt mit der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie, die wir auch im Europaausschuss besprochen haben.

 

Es ist einerseits positiv, dass der Vertrag von Lissabon die kommunale Selbstverwaltung der Städte gestärkt hat. Andererseits sehen wir auch, dass es eigentlich ein ständiger Abwehrkampf ist, und es immer schwieriger wird, diese so wichtigen öffentlichen Dienstleistungen und vor allem die sozialen Dienstleistungen hier zu regulieren, zu steuern und zu kontrollieren. Ich denke nur daran, wie schwierig für Wien zum Beispiel dieser Weg der Koppelung der öffentlichen Auftragsvergabe war. Jetzt haben wir das im Frauenbereich gemacht: Koppelung der Auftragsvergabe an Frauenförderungenunternehmen oder auch Koppelung der Auftragsvergabe der Bauaufträge an Lehrlingsförderungenunternehmen. Das ist ein richtiger und wichtiger Weg, aber wie schwierig war es, das europarechtlich überhaupt möglich zu machen!

 

Das ist sicher ein Thema, wo wir als Rot-Grün, als Europaausschuss, gemeinsam mit dem Städtebund, mit dem Verband öffentlicher Wirtschaft und Gemeinwirtschaft, in den Städtenetzwerken, Eurocities, Ausschuss der Regionen und so weiter hier eine ganz offensive Politik machen werden müssen. Das war übrigens letzte Woche auch Thema der Konferenz öffentlicher Dienstleistungen in Brüssel, zu der alle vier Parteien angereist sind, die einerseits schlecht organisiert war – aber das gehört nicht hierher –, anderseits sehr interessante Elemente aufgebracht hat. Zum Beispiel, dass die Kommission jetzt doch verstärkt auf das Thema CSR, also Corporate Social Responsibility, setzt. Wir nennen es ja lieber environmental, social and government principles, also Grundprinzipien der öffentlichen Dienstleistungsgestaltung. (GR Mag Wolfgang Jung: Ja, so gefällt es mir besser!)

 

Es wurden Labels und Anreizsysteme entwickelt für Unternehmen, die Sozialpolitik, Frauenpolitik oder Umweltpolitik umsetzen. Das ist gut, das ist einmal ein richtiger Schritt. Anreizsysteme sind per se nicht schlecht, aber sie genügen natürlich nicht. Wenn der legislative und der politische Rahmen dafür nicht stimmen, dann ist das natürlich zu wenig. Es ist zwar zu begrüßen, aber wir müssen in dieser Hinsicht sicher viel, viel offensiver werden.

 

Eine Möglichkeit, offensiv zu werden, bietet zum Beispiel eine der interessantesten europäischen Bürger- und Bürgerinneninitiativen, die im Moment zu unterschreiben ist, nämlich „Wasser ist ein Menschenrecht“. Ich halte das für eine sehr spannende BürgerInneninitiative. Sie wissen ja, die GRÜNEN haben sich sehr stark dafür eingesetzt, dass endlich direktdemokratische Elemente in der Europäischen Union entwickelt werden. Die Europäische BürgerInneninitiative ist nun ein erstes solches, wenngleich immer noch viel zu wenig, viel zu hochschwellig, viel zu unverbindlich. Also wenn wir GRÜNEN im Europaparlament nicht zumindest das Anhörungsrecht der AntragstellerInnen zu einer Europäischen BürgerInneninitiative erkämpft hätten, wäre das überhaupt etwas nach dem Motto: Sagen sie es dem Salzamt, reden Sie es in ein Sackerl.

 

Das ist es nun nicht, und wir versuchen natürlich, das Beste daraus zu machen und europaweit Lobbying zu machen und für interessante BürgerInneninitiativen Allianzen zu schließen. Es sind ja nicht alle BürgerInneninitiativen gleich spannend, seien wir ehrlich. Da gibt es auch ein paar die – hm ... Aber eine sehr wichtige BürgerInneninitiative, die ich Ihnen in diesem Haus vorstelle – und wir werden darüber auch im Europaausschuss debattieren –, nämlich „Wasser ist ein Menschenrecht“, wird auch vom Europäischen Gewerkschaftsbund stark unterstützt, weil es da genau um den Kampf um öffentliche Dienstleistungen geht beziehungsweise um das Recht der Menschen auf Zugang zu diesen Dienstleistungen. Da geht es also nicht um das rein marktorientier

 

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