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Gemeinderat, 29. Sitzung vom 20.11.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 70 von 79

 

mit kürzeren Arbeitszeiten, mit sinnvolleren Arbeitszeiten und Arbeitseinsätzen für das Pflegepersonal und für die Ärzte und für die Ärztinnen, damit es nachher nicht heißen kann, dass die Arbeitsbedingungen unerträglich sind. Aber zu all diesen Vorschlägen gibt es keinen einzigen Hinweis, keinen einzigen Kommentar, nicht einmal ein Muh oder ein Mäh, sodass wir nicht einmal wissen, ob Sie diese sehr sinnvollen Vorschläge überhaupt zur Kenntnis genommen haben.

 

Selbst wenn ich noch eine Minute und ein paar Sekunden Zeit habe, möchte ich es hier bewenden lassen. Ich denke mir, dass bei einer Diskussion über die verschiedenen strategischen Ziele, die das Gesundheitswesen vor sich hat, eigentlich mehr Substanz zu erwarten wäre, auch mehr Substanz von der Opposition, und mehr Diskussionsbeiträge. Denn ich glaube, dass gerade in diesem Bereich, der der Stadt Wien sehr viel Geld wert ist, auch sehr viel Hirnschmalz hineingehört, damit die Kosten, die wir in diesem Bereich haben, uns nicht sozusagen über die Ohren oder über den Kopf wachsen und wir die wirklich gute Gesundheitsversorgung der Wiener und Wienerinnen auf einem leistbaren und qualitativ hochwertigen Niveau halten können. – Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Die Grüne Fraktion hat jetzt noch 4 Minuten Restredezeit. Zu Wort gemeldet ist GR Univ-Prof Dr Frigo. Vorgabe 8 Minuten.

 

17.13.56GR Univ-Prof Dr Peter Frigo (Klub der Wiener Freiheitlichen)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Meine Damen und Herren!

 

Die Kritik von Dr Kickert nehme ich nicht an, denn ich war noch nicht dran. Sie werden von mir hauptsächlich Fachliches hören. Kurze Kritik von der Frau Dr Kickert bezüglich Personal: Ich kann das schon nicht mehr hören. Natürlich ist der Personaleinsatz schlecht. Ich denke nur an Ambulanzschwestern, die bis um 6 Uhr da sind, die Ambulanz hört aber um halb drei auf.

 

Aber kommen wir einmal kurz zum Spitalskonzept. Das Spitalskonzept ist für mich die erste Reform, die ich überhaupt erlebe. Klar, weil die Spitäler zusammenbrechen, weil nie etwas gemacht worden ist. Es wurde nur verwaltet, statt reformiert, meine Damen und Herren. Das ist die ganze Wahrheit des Spitalskonzeptes. (GR Kurt Wagner: Da sind Sie noch nicht einmal im Gemeinderat gesessen, haben wir schon gearbeitet! – GR Johann Herzog: Im Spital, oder wo?) – Unterbrechen Sie mich nicht. Ich habe nicht viel Redezeit.

 

Erstversorgungseinheiten statt Hausärzte, das ist nämlich in Wahrheit die Devise. Und ich glaube, die Wiener werden sich dieses neue Spitalskonzept nicht gefallen lassen. Die wollen nämlich ihren Hausarzt, meine Damen und Herren. In Wahrheit fehlt es nämlich, wie die Frau Dr Laschan oder auch die Frau Dr Kickert behauptet hat, an einer finanziellen Lösung zwischen Bund und Land, zwischen Spital und niedergelassenem Bereich. Die gibt es nämlich nicht. Es gibt einen ersten Schritt, ja, einen ersten Schritt, das ist schön, aber in Wahrheit gibt es nichts. Es gibt die 15a-Vereinbarungen, die alle Jahre wieder kommen, aber eine richtige Finanzierungslösung, vor allem eine einfache, gibt es nicht. Den niedergelassenen Bereich, sprich, den Haus- und Facharzt auszuklammern, wollen sich die Wiener nicht gefallen lassen, meine Damen und Herren.

 

Kurzes Rechenbeispiel: Österreichweit stehen 94 Millionen Arztbesuche im Jahr – also Hausarzt-, Facharztbesuche in Ordinationen – 17 Millionen Ambulanzbesuchen gegenüber. Das heißt, die Österreicher gehen mehr zum Arzt als in die Ambulanz. Das würde man nicht glauben, aber das Verhältnis ist tatsächlich so. Ein Besuch beim Hausarzt kostet das Gesundheitssystem 23,03 EUR, ein Ambulanzbesuch kostet 92,04 EUR. Welche Systemersparnis bringt daher ein Ausbau der Ambulanzen, meine Damen und Herren? Welche Berater haben Sie, Frau Stadträtin, bitte? Das möchte ich einmal wissen.

 

Ein leicht durchführbares Rechenbeispiel wäre: Was passiert, wenn man die teuren Ambulanzleistungen zu Gunsten der niedergelassenen Ärzte reduziert? Ich selbst arbeite zum Beispiel in der Notfallambulanz im AKH, wo ich also banale Infekte sehe, banale Infektionen, die man wirklich beim Hausarzt machen könnte. Da gibt es zum Beispiel ein einfaches Rechenbeispiel der Kammer, die ja bekrittelt wird, in diesem Fall hat sie aber recht: Bei 75 Prozent Umschichtung könnte man pro Jahr österreichweit 330 Millionen EUR einsparen. Das sind sinnvolle Sparpläne, die ich hier gerne dem Gemeinderat auf den Tisch lege. Und das, meine Damen und Herren, ist besser als Personalabbau im Spital und die Leute, die heute in der Medizin arbeiten, ins Burn-out zu treiben. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Ich habe in diesem Wirtschaftsplan und auch in diesem Fünfjahresplan mit Erstaunen von einer Vollkostenrechnung gelesen. Das Wort Vollkostenrechnung finde ich spannend. Was ist damit gemeint? Ich habe darüber auch mit einigen Primarärzten, auch auf der Chirurgie gesprochen. Die Vollkostenrechnung von zum Beispiel einer Blinddarmoperation würde mich interessieren. Ich hätte gerne von Ihnen die Antwort darauf, es muss nicht heute sein, was eine Blinddarmoperation im AKH oder auch im Wilhelminenspital kostet. Was sind die Vollkosten einer Blinddarmoperation? Was wird da hineingerechnet? Der Neubau, der Portier, nur ich, der Anästhesist? Was ist eine Vollkostenrechnung? Was kostet das? Denn wenn ich da alles hineinrechne, kostet die Blinddarmoperation 100 000 EUR? Rechne ich nur den Anästhesisten, sein Gehalt? Ich kann damit nichts anfangen.

 

Derzeit gibt es das LKF-System, das kennt jeder, ein kompliziertes Punktesystem, auf das man sich halt geeinigt hat. Da bekommt man so viele Punkte und so viele Punkte. Dann gibt es noch den rosa Kopfzettel, nach dem nach Punkten abgerechnet wird, welches Spital mehr Diagnosen hat. – In Wahrheit verteilen wir das Geld dann eh irgendwie.

 

Da muss, glaube ich, neu gearbeitet werden. Diese Systeme müssen überdacht werden, keine Frage. Eine ehrliche Budgetierung, mehr Transparenz, anstatt dass man dann – apropos Budget – am Ende des Jahres sagt, na ja, wir brauchen jetzt noch ein bisserl 88 Millionen – Meine Damen und Herren, wir fordern hier mehr Transparenz. (Beifall bei der FPÖ.)

 

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