Gemeinderat, 41. Sitzung vom 26.06.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 7 von 65
Noch einmal, es geht mir überhaupt nicht um die Frage, Verantwortung und Zuständigkeiten zu delegieren. Aber ich denke, es ist immer wichtig, auch zu berücksichtigen, dass Politik in einem gesellschaftlichen Umfeld stattfindet. Und dieses gesellschaftliche Umfeld, das von unseren Grundwerten Toleranz, Solidarität, von Mitgefühl, von Empathie und so weiter geprägt sein muss, hat es, wie man sehen kann, zweifellos in dieser Frage noch nicht gegeben. Die Frage der Stellung des Kindes in der Gesellschaft war damals leider eine völlige andere. Dem haben sich weder die Politik entziehen können noch die Institutionen, aber auch die Gesellschaft nicht.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die nächste Zusatzfrage stellt Herr GR Nepp. – Bitte.
GR Dominik Nepp (Klub der Wiener Freiheitlichen): Guten Morgen, Herr Stadtrat!
Sie sagen ja immer wieder, dass Sie diese gesamten Skandale, die sich damals in diesen Kinderheimen abgespielt haben, lückenlos aufklären wollen. Empfehlen Sie daher Ihrer Fraktion die Einsetzung einer Gemeinderätlichen Untersuchungskommission?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat!
Amtsf StR Christian Oxonitsch: Nein, ganz offen gesprochen. Denn ich denke, dass der Weg unter Beiziehung von externen Expertinnen und Experten für eine seriöse Untersuchung, sowohl intern als auch extern, der richtige Weg ist, und nicht der einer politischen Auseinandersetzung über diese Frage. Das wird auch den Opfern nicht gerecht, denn ein wesentlicher Bereich in diesem Zusammenhang ist eindeutig: Einerseits, gebt uns eine Stimme, die wir jahrzehntelang keine Stimme gehabt haben. Und die wesentliche Grundbotschaft zu all den Maßnahmen – und da freue ich mich auch über viele positive Reaktionen von Personen, die davon betroffen waren – ist der Grundtenor: Man glaubt uns. Und dieses „Man glaubt uns!“ auf der einen Seite und konkrete Hilfestellungen zu geben, ist für uns in Wien der wesentliche und der wichtige Bereich.
Da kann ich nur das noch dazu ergänzen, wozu ich gestern nicht mehr gekommen bin: Gerade auch im Vergleich des Umgangs mit Opfern zeigt Wien tatsächlich, in welcher Art und Weise es seine Verantwortung wahrnimmt, wenn ich daran denke, dass wir mittlerweile einen Betrag von über 31 Millionen für die historische Aufarbeitung aber auch für konkrete Hilfestellungen von Opfern gegeben haben. Mit einer entsprechenden Entschädigung im Rahmen der geltenden Gesetze sind wir durchaus meilenweit in einem seriösen Umgang mit den Opfern voran. Wenn ich mir zum Beispiel diesen Verantwortungsbereich in Kärnten ansehe, wo es den Richtwert von 5 000 EUR gibt – und das war es –, wo 90 000 EUR zur Verfügung gestellt wurden und es keinerlei Bemühungen der Aufarbeitung gegeben hat. Ich denke, das ist der richtige Weg, er wird den Opfern gerecht, er wird der politischen Verantwortung gerecht, aber auch der historischen Aufarbeitung und vor allem auch dem „für die Zukunft Schlüsse zu ziehen“.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die letzte Zusatzfrage stellt Frau GRin Ing Leeb. – Bitte schön.
GRin Ing Isabella Leeb (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Stadtrat, ich möchte noch einmal zum gesellschaftlichen Umfeld zurückkommen. Ich glaube, dass es ganz, ganz wichtig ist, dass wir dieses Thema, auf einer sachlichen Ebene, auch in Zukunft nicht verschwinden lassen. Denn eines habe ich in den letzten Tagen auch bemerkt, und das hat mich noch einmal betroffen gemacht: Das gesellschaftliche Umfeld ist noch nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass das Opfer sind, dass da großes Leid geschehen ist, das man eigentlich mit Geld nicht wiedergutmachen kann. Ich glaube, wir sind alle gefordert, da unser Scherflein beizutragen. Und deswegen – ich bin da auch Ihrer Meinung – sehe ich eine Gemeinderätliche Untersuchungskommission nicht als den richtigen Boden, um das zu tun.
Aber jetzt meine Abschlussfrage: Ich habe in dem Bericht ein paar Interviews mit Personen gefunden, die offensichtlich noch immer ehrenamtlich im Bereich der Kindererziehung tätig sind. Können Sie ausschließen, dass ehemalige Erzieher oder Menschen, die da involviert waren, heute noch im Bereich der Kindererziehung in Wien tätig sind? Und vor allem, was werden Sie unternehmen, wenn dem der Fall ist, das zu unterbinden? Denn das finde ich ein bisschen schwierig.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Christian Oxonitsch: Die Frage „Können Sie das ausschließen?“ ist immer eine relativ schwierige. Wir alle wissen, dass wir in einem komplexen Gesellschaftssystem leben, in dem wir viele Dinge, die man viel lieber noch ausschließen würde als diesen Zusammenhang, nicht ausschließen können. Nichtsdestotrotz ist es natürlich ein ganz wesentlicher Bereich gewesen, hier darauf auch zu achten, ob noch Personen aktiv im Dienst tätig sind, die beschuldigt werden. Und man muss sagen, man redet trotz alledem, bei allem Anerkenntnis von Beschuldigungen. Hier können wir ausschließen, dass es Beschuldigte in dem Bereich gibt, beziehungsweise konnten auch beschuldigte Personen, die noch im Dienst waren, entsprechend verifiziert werden. Denn letztendlich geht es darum, ob auch Beweise gefunden werden konnten, die für die Staatsanwaltschaft – und das ist ein ganz wesentlicher Bereich – eine wichtige Grundlage für das weitere Procedere darstellen. Und solche Personen konnten nicht gefunden werden.
Schwieriger ist das natürlich im Bereich der Ehrenamtlichkeit, weil nur schwer festzustellen ist, wer in welchem Bereich ehrenamtlich tätig ist. Aber ich denke, dass hier ja gerade auch mit den neuen bundesgesetzlichen Regelungen für Personen, die entsprechend Verurteilungen haben – nicht nur im ehrenamtlichen, sondern natürlich in erster Linie auch im Bereich der Beschäftigten –, neue Überprüfungsmöglichkeiten geschaffen wurden. Da haben wir ja gerade auch in Wien entsprechend Mitarbeit geleistet. Bis jetzt gibt es aus meiner Sicht in diesem Bereich keine Hinweise, zumindest nicht unter den genannten – und wir haben ja die entanonymisierte Fassung auch nicht – und auch überprüften Namen, die wir gefunden haben.
Wesentlich ist natürlich, dass dieser Bericht entanonymisiert an die Staatsanwaltschaft übergeben wird. Hier
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