Gemeinderat, 45. Sitzung vom 18.11.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 24 von 107
ÖVP: 1 Milliarde Steuern weniger Einnahmen, wie sehr trifft das Wien? (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Ein Viertel! Zirka 250 Millionen EUR!) Sie finden es in der Größenordnung von 70 Millionen EUR. Es sind ungefähr 7 Prozent von jeder Milliarde. Das heißt, Mindereinnahmen von 6 Milliarden EUR Steuern würden Wien ungefähr 400 Millionen EUR kosten.
Dann beginnt das ÖVP-geführte Finanzministerium, Pühringer macht es, Fekter ist eh schon verräumt, plötzlich etwas gänzlich Neues, etwas Faszinierendes in die Diskussion einzubringen, nämlich beliebige Zeiträume, über die man spricht. Früher haben wir über ein Jahresbudget geredet, haben im Zweifelsfall, was auch immer das ist, das strukturelle Defizit, das jeder ein bisschen anders interpretiert, über Jahreszeiträume gerechnet. Jetzt werden Zahlen in den Raum geworfen, 20 Milliarden EUR, 40 Milliarden EUR, 24 Milliarden EUR. Nie kommt irgendwo dazu, welcher Zeitraum. Jetzt hüpfe ich wieder zurück zur EcoAustria-Studie. 650 Millionen EUR wären im Gesundheitsbereich einsparbar. In einem Jahr? Das meinen Sie aber nicht im Ernst! In fünf Jahren? Das meinen Sie aber auch noch nicht im Ernst! In zehn Jahren vielleicht? Vielleicht ist es möglich! Lassen Sie uns die Studie lesen. Aber 650 Millionen EUR im Gesundheitsbereich in einem Jahr einzusparen, das ist tatsächlich unseriös! Auf dieser Basis wird es immer schwieriger zu diskutieren.
Dennoch hat es meines Erachtens nach nicht viele Politiker und Politikerinnen gegeben, die das durchschaut haben. Bei allem, wo die ÖVP in Wirklichkeit mit dieser Debatte nicht so gut öffentlich davongekommen ist, haben Sie, glaube ich, damit eines fast schon erreicht, Sie haben den politischen Diskurs so gedreht, dass ich befürchte, dass Sie die Regierungsverhandlungen gewonnen haben, bevor sie wirklich beendet sind. Das ist die eigentliche Dramatik dahinter. Wir sind in einen Diskurs gekommen, der uns in diese Situation hineingebracht hat, wo auch auf europäischer Ebene, und jetzt erlaube ich mir den Schwenk, es viele Jahre gedauert hat, bis endlich klar geworden ist, Kaputtsparen macht uns alle noch viel mehr kaputt. In diesem Diskurs sind wir jetzt plötzlich in Österreich, weil 20 Milliarden EUR fehlen, 40 Milliarden EUR fehlen. Ich bin eh nicht derjenige, der an die ganzen Versprechungen von vor der Wahl glaubt. (GR Mag Wolfgang Jung: Sparen, Herr Kollege!) - Der Experte für alles meldet sich auch zu Wort! (GR Mag Wolfgang Jung: Sparen heißt, Geld zurücklegen, wenn Sie es nicht wissen sollten!) - Sind Sie fertig, Herr Jung? (GR Mag Wolfgang Jung: Es tut Ihnen weh, wenn man Ihnen die Wahrheit sagt!) Sind Sie fertig? Sie können auch herauskommen! Sind Sie fertig? Dann rede ich weiter. (GR Mag Wolfgang Jung: Sie brauchen nicht unbedingt weiterzureden!)
Um sozusagen dort weiterzumachen, wir sind jetzt in dem Diskurs über die Wahlversprechungen, wo ich nicht alle für gut halte und nicht alle vorher geglaubt habe. (GR Mag Wolfgang Jung: Sagen Sie das einmal der SPÖ!) Aber auch wenn wir unterschiedliche Vorstellungen haben, Steuersenkungen sind vom Tisch, Familienbeihilfeerhöhung ist vom Tisch, so wie vieles andere, was den Menschen geholfen hätte. (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Wir diskutieren hier nicht das Bundesbudget!) Wir sind wieder in der Diskussion der Belastung und des Sparens, vor allem deshalb, weil wir uns nicht trauen, eine Wahrheit auf Bundesebene auszusprechen. (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Das ist nicht das Bundesbudget!) - Ich komme sofort dazu. Ein Budgetdefizit oder eine Budgetlücke ist nichts anderes, als die Feigheit einer Bundesregierung, die Ausgaben den Einnahmen anzupassen, oder eben umgekehrt, die Einnahmen den Ausgaben anzupassen. (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Ihr Koalitionspartner sitzt auch in der Bundesregierung!)
Jetzt spanne ich den Bogen zu Wien. (GR Mag Wolfgang Jung: Sagen Sie das dort hinüber!) Wenn man die Steuerhoheit besitzt, und mein Kollege Ellensohn hat klargestellt, wer, glaube ich, seit 1987 durchgehend in der Regierung gesessen ist und dort den Schuldenberg vervierfacht hat, nicht von 1 Milliarde EUR auf 5 Milliarden EUR, sondern um 170 Milliarden EUR mehr, wo auf Bundesebene eigentlich eine absolute Steuerhoheit besteht. Haben Sie sich das Budget für Wien, und jetzt mache ich den Sprung, angesehen? Das macht es natürlich vielfach schwieriger.
Wien ist stolz darauf, dass wir Menschen in Armut unterstützen. Ja, Wien ist stolz darauf! Wir versuchen eine gute Gesundheitsversorgung, eine gute Bildungsversorgung und auch alle Menschen, die notwendige spezielle Bedürfnisse haben (GR Mag Wolfgang Jung: Der Cap!), sei es im Bereich Hilfe, Pflege, bis hin zur Behindertenhilfe, et cetera, zu unterstützen. Wir sehen alle, was im Bereich FSW an zusätzlichen Mitteln notwendig ist, um tatsächlich eine Vorreiterrolle auch für Österreich einzunehmen.
Wien hat aber nicht wie der Bund die Möglichkeit der Steuerhoheit. Wir haben einen eigentlich sehr kleinen Bereich. Zu knapp 75 Prozent bestimmt der Bund, selbst bei den eigenen Steuern und Abgaben, die Höhe, die Wien zufließt, und über den Finanzausgleich sowieso. Das wissen wir. Deshalb stellt sich die Situation in Wien anders dar als auf Bundesebene. Und dennoch schafft es Wien, in der Krise den Gebarungsabgang und das Defizit langsam, aber sicher zu reduzieren. Ich finde, darauf können wir stolz sein!
Es gibt noch einen Punkt, den ich mir erlaube zu erwähnen, gerade weil das von Ihnen immer wieder ins Treffen geführt wird. Noch einmal, auch ich glaube, dass man in Wien etwas verbessern kann. Auch ich glaube, dass es Gründe gibt, aus Wien wegzuziehen, aber es gibt viel mehr Gründe, nach Wien zu ziehen. Es gibt diese Abstimmung mit den Füßen in Österreich, wo die Menschen zumindest hohe Erwartungshaltungen an Wien haben und anscheinend auch nicht enttäuscht werden, sonst würde Wien nicht jedes Jahr um 25 000 Einwohner und Einwohnerinnen wachsen! Das müssen Sie doch irgendwann einmal sehen! (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Warum ziehen denn Menschen wohin? Manche aus
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