Gemeinderat, 45. Sitzung vom 19.11.2013, Wörtliches Protokoll - Seite 46 von 73
First-Modell, wo obdachlose, wohnungslose Menschen eine eigene Wohnung erhalten und bei Bedarf mobil betreut werden, für eine extrem wichtige und gute Sache, die wir hier in dieser Stadt machen; auch das Winterpaket. Ich bin nicht stolz darauf, dass wir jetzt 140 000, 150 000 MindestsicherungsbezieherInnen haben, ich bin stolz darauf, dass die Menschen, die Hilfe brauchen, sie erhalten. Das ist der Unterschied. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Ich bin auch stolz darauf, in einer Stadt zu leben, wo wir das Ziel haben, dass niemand in der Stadt erfrieren darf. Das ist doch bitte eine klasse Geschichte! Heute habe ich gerade wieder telefoniert, wir haben heuer früher begonnen mit dem Winterpaket, gemeinsam mit NGOs. Wir haben noch mehr Kapazitäten zur Verfügung gestellt. Es gibt eine gute Kooperation. Die nächsten Ausbaupläne werden bereits umgesetzt. – Das bedeutet eine Herausforderung vor allem für die Leute, die in diesem Bereich arbeiten, mit dem politischen Ziel, dass niemand in unserer Stadt erfrieren darf. Das ist eine hochpolitische Entscheidung, und das steckt hinter diesen Zahlen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ein weiteres Beispiel, das ich erwähnen möchte - einfach weil es immer so weggewischt wird -, ist die Kindermindestsicherung. Frau Abg Korosec, bei aller Wertschätzung: Wenn Sie über Armut sprechen, dann sprechen wir auch über Kinderarmut! Dann sprechen wir auch darüber, dass die Stadt Wien im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern 70 EUR mehr pro Kind im Monat zahlt! Dann reden wir über den Gratiskindergarten! Dann reden wir auch, wenn wir Sozialpolitik in der gesamten Dimension begreifen wollen, über den Ausbau von Kindergartenplätzen, die Erweiterung der pädagogischen Ausbildungen! Dann reden wir über Bildung, über leistbares Wohnen, über den Zugang zu Gesundheit! - Das ist im Grunde ein Grundverständnis von Sozialpolitik.
Und jetzt komme ich noch schnell zu dem immer wieder aufkochenden Thema der Energiearmut. Ich will Ihnen, Frau Abg Korosec, echt nichts Bösartiges unterstellen, aber mein Eindruck ist immer: Wenn es draußen kalt wird, dann erwärmt es innerlich die Herzen, und dann spricht man von Kälte und dann spricht man von Armut. Jene Menschen, die die Armut wirklich betrifft, haben diese Armut aber das ganze Jahr über! Und ja, Sie haben mich richtig zitiert: Eine einzelne Maßnahme wird Armut nicht bekämpfen.
Und wenn wir jetzt hergehen und mit der Energieunterstützung ein neues Modell erproben, wo wir sagen, wir kürzen keinen einzigen Cent, es gibt auch weiterhin 6 Millionen EUR, dann bitte ich Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Dann bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass es hier um Hilfe in besonderen Lebenslagen geht, dass die Menschen oft Strom- und Gasrechnungen nicht zahlen können. Dann reden wir über Nachhaltigkeit! Gehen Sie doch bitte in Wohnungen, Sie werden sehen, es macht Sinn, die Fenster abzudichten (GRin Ingrid Korosec: Ja, ...), die alten Geräte auszutauschen!
Ja, Frau Abg Korosec, Sie werden mich erst zufrieden hier am Rednerpult erleben, wenn es keine Armut mehr gibt auf dieser Welt und in Wien. (GR Mag Alexander Neuhuber: ... die ganze Welt?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dann werden Sie mich zufrieden erleben. Aber bis dahin haben wir die soziale Verantwortung, bestmöglich sozial verantwortlich in der Stadt umzugehen, bestmöglich die Probleme ernst zu nehmen, und zwar durch konkrete Hilfe und auch nachhaltig. - Das sind die Ziele der rot-grünen Stadtregierung, und die spiegeln sich in diesen Zahlen wider.
Und weil auch das Thema der Sucht- und Drogenhilfe in Wien angesprochen worden ist: Herr Dworak - er ist gerade nicht im Saal -, selbstverständlich muss man und wird man sensibel damit umgehen, wenn neue Einrichtungen geschaffen werden, wenn das Jedmayer entlastet wird, denn das ist unsere soziale Verantwortung, die wir übernehmen: für die Betroffenen auf Augenhöhe Unterstützung anzubieten - und die Finanz- und Wirtschaftskrise trifft alle Schichten. Und ja, das ist ernst zu nehmen, es werden nicht weniger. Wir haben sorgsam damit umzugehen und haben das auch - wie haben Sie es genannt? - sensibel anzugehen. Ja, wir wissen es.
Und jetzt erlauben Sie mir, etwas Grundsätzliches zu sagen: Über Sozialpolitik zu reden und über Armut zu reden, ist für viele nicht angenehm. - Na eh klar, da kann man keine lustigen Schmähs machen, keine schönen Bilder produzieren. Das ist nicht das Thema, sondern das Thema ist, mit einer Ernsthaftigkeit die Auswirkungen von Armut zu sehen und zu handeln, immer wieder zu hinterfragen, zu schauen: Welche Probleme gibt es? Welche Lösungsansätze können wir hier wählen?
Herr GR Aigner, der heute schon unangenehm genug aufgefallen ist, indem er hier persönliche Untergriffe gegen eine Kollegin geäußert hat, sagt, wenn ich es richtig verstanden habe, er ist zufrieden, dass man - ich zitiere - die Obdachlosen im Stadtpark geräumt hat. Punkt. - Ich will in keiner Stadt leben, wo obdachlose Menschen verdrängt und kriminalisiert werden. Niemand will in einer solchen Stadt leben. (GR Mag Wolfgang Jung: Oh?) Und ja, wir können nicht alle Probleme der gesamten Welt hier lokal lösen, aber wir können sorgsam damit umgehen, denn es ist niemandem geholfen, wenn man obdachlose Menschen kriminalisiert oder verdrängt. Das halte ich für einen falschen Ansatz. Da wollen wir sozialpolitisch verantwortlicher damit umgehen. (GR Mag Wolfgang Jung: Diese Möglichkeit war ja gegeben, Frau Kollegin! Es gab Schlafplätze!)
Und ja, natürlich müssen wir auch diese Campierverordnung hinterfragen. Nur, noch einmal in aller Deutlichkeit: Oft ist es so, dass die Globalisierung und die Finanzmärkte natürlich in einem Konflikt stehen mit einer verantwortungsvollen Sozialpolitik, die vor allem Menschen schützen soll, die ökonomisch nicht die Möglichkeit haben, angemessen für sich selbst zu sorgen. Ja, das wissen wir. Aber wir werden nicht an Stelle einer verantwortungsvollen Sozialpolitik in Wien eine Kontrollpolitik einführen oder mit mehr Polizei oder so auf Sicherheitsfragen oder Unsicherheiten antworten. Es ist unser aller Aufgabe, bei den Problemen, die jetzt auf uns zukommen - und es werden nicht weniger -, sozial verantwortlich und sozial verträglich damit umzugehen und
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