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Gemeinderat, 50. Sitzung vom 26.02.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 68

 

weise auch die Rathausstraße 1, eine Liegenschaft gleich um die Ecke. Es wird aber kein Diskurs darüber geführt, wie man diese Liegenschaften auch in Zukunft öffentlich nützen könnte. Ich meine, diese Flächen könnten gerade im innerstädtischen, dicht besiedelten Raum genützt werden, um leistbare Wohnangebote für junge Menschen zu schaffen.

 

Sehr geehrter Herr StR Ludwig! Ich darf auch Sie begrüßen. Sie haben erst am 17. Februar in Brüssel beim Gipfeltreffen der EU-Hauptstadt-Bürgermeister betont, wie wichtig soziale Durchmischung und leistbares Wohnen sind. – Ich unterstütze diese Idee selbstverständlich, doch leistbares Wohnen sollte meiner Meinung nach nicht nur an der Peripherie stattfinden, sondern auch im innerstädtischen Raum. Junge Menschen und Familien in der Josefstadt möchten genauso leistbares Wohnen wie Favoritner, Simmeringer oder Donaustädter, und ich würde Sie ersuchen, Herr Stadtrat, dass Sie mithelfen, das zu ermöglichen!

 

„Weil die Wahrheit dessen, was man redet, das ist, was man tut, kann man das Reden auch lassen.” – Das ist ein ganz wunderbares Zitat! Ich gebe mich sicherlich nicht der Illusion hin, dass Politiker das Reden jemals ganz sein lassen werden, aber nur zu reden, das ist eindeutig zu wenig. Ich möchte, dass für den innerstädtischen Bereich und die Menschen, die dort leben, auch etwas getan wird. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)

 

Ich erinnere an dieser Stelle auch an die Forderung der grünen Vizebürgermeisterin nach leistbaren Mieten. Sie hat gesagt, 7 EUR Miete pro Quadratmeter seien genug, und in der damaligen Debatte hat Herr GR Chorherr, den ich leider heute vermisse, gemeint, dass es eine Horrorvorstellung ist, wenn junge Menschen eine Wohnung suchen und nur zu astronomischen Preisen eine bekommen. – Meiner Meinung nach sind Deals wie der heutige ein Horror.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Machen wir ein gemeinsames Gedankenexperiment! Ich habe Ihnen die wunderschöne Immobilie in der Feldgasse gezeigt. Dort könnten Sie zehn wunderschöne Familienwohnungen, fünf leistbare Startwohnungen für junge Menschen, eine Kinderbetreuungseinrichtung im Erdgeschoß mit Garten zum Herumtollen und ein Büro für Jungunternehmer oder Start-ups errichten, und all das mitten im 8. Bezirk, gut erschlossen mit öffentlichem Verkehr und wunderbar mit dem Fahrrad erreichbar. Ist das nicht eine Vorstellung, die Ihnen gefällt?

 

Sie wollen vielleicht weitere Beispiele für mögliche Nutzungen, und ich habe noch einige für Sie. Wir haben gerade über die Kindergärten debattiert. Allein der Stadt Wien fehlt es derzeit an rund 200 KindergartenpädagogInnen. Der im Bezirk ansässigen Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik fehlt es wiederum an Räumlichkeiten für Übungskindergärten. Und oft kommen Eltern zu mir, die verzweifelt sind, weil sie keinen Kindergartenplatz finden. Hier könnte man drei Fliegen mit einer Klappe schlagen! Das wäre eine Nachnutzung des Gebäudes in der Feldgasse 9 mit erstens genug Räumlichkeiten für einen Ausbildungskindergarten, zweitens mehr Kindergartenplätzen und drittens mehr Raum für die Ausbildung der dringend gesuchten PädagogInnen. – Sie sehen, es gibt genug Ideen, es geht nur darum, dass Sie sich ein Herz nehmen und mit uns Gespräche über Alternativen zum Verkauf führen!

 

Nun möchte ich, losgelöst von der inhaltlichen Debatte über die Nutzungsmöglichkeiten dieser Liegenschaft, zu der Frage kommen: Wie ist dieser Verkauf eigentlich vonstatten gegangen? – Es empört mich, dass das Verfahren, das zum Verkauf dieser Liegenschaft geführt hat, völlig intransparent ist und dass eine wertvolle Liegenschaft unter ihrem Wert verkauft wird.

 

Nun muss ich wieder den Planungssprecher Chorherr zitieren, der jüngst gemeint hat, dass dieser Verkauf sehr problematisch ist. – Eine 100 m² große Wohnung in der Josefstadt kostet derzeit durchschnittlich 560 000 EUR, und es kann auch teurer werden, wenn es sich beispielsweise um ein Dachgeschoß handelt. Es ist mir daher unverständlich, wie ein historisch wertvolles Gebäude mit einer Nutzfläche von über 1 200 m² und 700 m² Grünfläche um 2,1 Millionen EUR verscherbelt wird, ich kann das leider nicht anders bezeichnen! Selbst wenn man von einer Luxussanierung von 1 500 EUR pro Quadratmeter ausgeht, bleibt dem Käufer bei einem Wiederverkauf der Immobilie ein Gewinn von 2,8 Millionen EUR. Das ist unglaublich! Ich frage mich, sehr geehrte Gemeinderäte: Wie kann sich die Stadt Wien solche Geschenke leisten? Wer hat sich solche Geschenke verdient? (GR Mag Wolfgang Jung: Und wer verdient an den Geschenken?)

 

Völlig unklar ist: Weshalb wurde gerade diese Liegenschaft zum Verkauf angeboten? Wer darf sich unter welchen Bedingungen Immobilien zum Schnäppchenpreis bei der Stadt Wien aussuchen? (Beifall bei ÖVP, FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)

 

Erzählen Sie mir bitte nicht, dass es sich im vorliegenden Fall um ein zusammenhängendes Immobilienpaket handelt! Erstens: Die Gesellschaft, die in der Muthgasse verkauft, ist nicht identisch mit jener Gesellschaft, der die Feldgasse 9 zum Kauf angeboten wurde. Das sind zwei unterschiedliche juristische Personen. Zweitens: Der Kaufvertrag der Feldgasse enthält keinerlei Junktimierung mit dem Kauf der Muthgasse.

 

Der größte Skandal ist jedoch meiner Meinung nach der Kaufpreis, den die Stadt Wien für die Liegenschaft in der Muthgasse leistet. Hatten Sie alle keine Zeit, einen Blick ins Grundbuch zu werfen? Im Dezember 2012 hat die SW1 Immobiliengesellschaft die Liegenschaft in der Muthgasse um 900 000 EUR gekauft, um sie rund 14 Monate später um 3,2 Millionen EUR an die Stadt Wien zu verkaufen: Eine beachtliche Preissteigerung innerhalb von 14 Monaten! Erzählen Sie mir nicht, dass das mit den Verbindlichkeiten zu tun hat, die übernommen werden!

 

Ich habe Ihnen auch den Kaufvertrag mitgebracht. In diesem Kaufvertrag sind keinerlei Verbindlichkeiten ausgewiesen, die übernommen werden würden, und sollte es Verbindlichkeiten geben, dann gäbe es ein anderes Problem, denn dann hätten wir es mit einem Fall der Steuerhinterziehung zu tun, da ja klar ist, dass für einen

 

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