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Gemeinderat, 52. Sitzung vom 29.04.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 79

 

Arbeitsmarkt und den nachgefragten Qualifikationen am Arbeitsmarkt. Und das ist keine triviale Frage. Denn wir sehen zum Beispiel in Spanien, das über ein vorzügliches Universitätssystem verfügt, dass die Arbeitslosigkeit unter den jüngeren Personen nicht nur jetzt extrem hoch ist, sondern auch schon vor der Krise sehr, sehr hoch war. Das heißt, die Matching-Frage wurde dort nicht gelöst.

 

Ein dritter Faktor, und darauf möchte ich jetzt eingehen, ist das makroökonomische Umfeld, in dem sich die Arbeitsmarktpolitik abspielt – egal, in welchem Bereich, ob die aktive Arbeitsmarktpolitik oder die Bildungspolitik. Und hier haben wir in Österreich ja einen Erfahrungswert, der sich über Jahrzehnte bewährt hat: Wenn das Wirtschaftswachstum niedriger ist als 1,5 bis 2 Prozent pro Jahr, dann haben wir ein Problem. Das heißt, unterhalb dieser Grenze stabilisiert sich der Arbeitsmarkt nicht, sondern die Arbeitslosigkeit steigt.

 

Nur muss man sich schon die Frage stellen, ob die Mitgliedsstaaten der Union in diesen letzten Jahren genug getan haben, damit – je nach Situation – also in Österreich diese 2 Prozent erreicht werden. Und meine Antwort darauf lautet: In den letzten Jahren leider nein.

 

Was ist passiert? Es ist etwas höchst Bemerkenswertes passiert, dass nämlich bei Ausbruch der Krise und in den ein, zwei Jahren danach – also nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers – die Reaktionen der Mitgliedsstaaten der Union im Großen und Ganzen richtig waren. Das 100-Milliarden-Paket im Herbst 2008 zur Stabilisierung des Interbankenmarktes in Österreich halte ich grosso modo für richtig, ungeachtet einzelner Schönheitsfehler. Und so ähnlich war es in den anderen Mitgliedsstaaten auch. Ein, zwei Jahre später, Ende 2010 war es klar, dass in den einzelnen Mitgliedsstaaten – bald in jedem Mitgliedsstaat – die öffentliche Verschuldung deutlich gestiegen ist, weil Bankenrettung, weil Wirtschaftskrise. Das heißt, die automatischen Stabilisatoren haben gewirkt – niedrigere Steuereinnahmen, höhere Ausgaben und einzelne Konjunkturpakete haben dazu beigetragen, dass die staatliche Verschuldung gestiegen ist. Aber damals war noch allen klar, das ist eine Folge der Finanzkrise und damit eine Folge der Krise im privaten Sektor, bei bestimmten privaten Banken.

 

Mir ist nicht ganz erklärlich, warum sich – so gegen Anfang, Mitte 2011 – eine – wenn man so will – neokonservative, neoliberale Denkrichtung durchgesetzt hat, bei der plötzlich nicht der private Sektor die Ursache der Krise war, sondern die hohen Defizite, die hohe Verschuldung des Staates das Problem schlechthin war, unter Vernachlässigung der Ursachen, und es plötzlich en vogue wurde – dann auch mit konkreten Maßnahmen –, dass alle – das kann man nicht genug betonen –, alle Mitgliedsstaaten der Union gleichzeitig ihre Defizite und ihre öffentliche Verschuldung herunterfahren sollen.

 

Noch einmal, zur Erinnerung: In den USA, in Island, in Irland, in Spanien, in Großbritannien – „you name it“ – ging die Krise vom privaten Sektor aus, dort lag die Ursache des Problems. Die steigende öffentliche Verschuldung war die Folge dieses Problems, aber nicht die Ursache. Wenn jetzt in einem eng integrierten Binnenmarkt, wie dem der Europäischen Union, alle zugleich zu sparen beginnen, das heißt, die Defizite einschränken, die Verschuldung herunterfahren, dann bekommen wir das, was im Grund genommen seit mindestens 70, 80 Jahren bekannt ist, „the paradox of thrift“, das Paradox des Sparens, das in jeder Einführung in die Volkswirtschaftslehre lang und breit beschrieben wird. Es ist gut, wenn die schwäbische Hausfrau spart, aber wenn alle sich plötzlich wie die schwäbische Hausfrau verhalten und ihre Ersparnisse erhöhen, das heißt, die Konsumausgaben reduzieren, dann wird das dazu führen, dass alle weniger sparen können als zuvor, weil die verfügbaren Einkommen gesunken sind.

 

Dieser makroökonomische Zusammenhang wurde von den Mitgliedsstaaten der Union ignoriert – namentlich muss man dazusagen, unter der Führung von Deutschland. Es ist die eigentliche Tragödie der letzten Jahre, dass von Deutschland nur Austeritätseffekte ausgegangen sind und keine richtigen Antworten auf diese Situation. Wobei ich hinzufügen möchte – (in Richtung des Vorsitzenden) habe ich noch zwei Sätze?

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik (unterbrechend): Kurze Sätze.

 

GR Dr Alexander Van der Bellen (fortsetzend): Danke, Herr Vorsitzender. – Die EU als solche ist ja vollkommen überfordert damit, weniger als 1 Prozent des BIP der Mitgliedsstaaten reicht nicht für eine Konjunkturpolitik. Aber jeder einzelne Mitgliedsstaat ist auch überfordert, weil die Sickereffekte zu groß sind – das braucht man sich nur in Österreich anschauen. Wir bräuchten also ein abgestimmtes, koordiniertes gemeinsames Vorgehen der Mitgliedsstaaten. Namentlich Deutschland hätte die Zügel in den letzten Jahren etwas lockerer lassen sollen und die anderen hätten in einem konsekutiven Vorgehen dann ihre Defizite und Verschuldungen reduzieren können. – Ich danke sehr für Ihre Großzügigkeit, Herr Vorsitzender. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – GR Mag Wolfgang Jung: Und die steigenden Zinsen, Herr Professor?!)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Fünf Minuten Redezeit sind wirklich wenig, ich weiß das aus eigener Erfahrung. - Als nächster Redner hat sich Herr GR Seidl zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

11.21.51

GR Wolfgang Seidl (Klub der Wiener Freiheitlichen)|: Herr Vorsitzender! Meine Damen, meine Herren!

 

Die aktivste Arbeitsmarktpolitik in Wien, meine Damen und Herren, könnten Sie dadurch setzen, indem sie am besten heute zurücktreten. Das wäre mein Wunsch – besser heute als morgen.

 

Ich möchte ganz kurz darauf eingehen, was eine meiner Vorredner, die Frau Teiber, gesagt hat. Sie hat von Steuersenkungen gesprochen. – Wunderbar. Sehr geehrte Frau Teiber, Sie wissen schon, die Gebührenerhöhungen in Wien – es ist ja heute schon angesprochen worden – erfolgen jedes Jahr. Sie sind mit dabei. Ein paar Meter von hier, im Parlament, hält heute der neue Finanzminister seine erste Budgetrede, da werden auch Steuererhöhungen dabei sein. Wer wird dabei sein? – Mitglieder Ihrer Fraktion im Hohen Haus. Und dann re

 

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