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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.05.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 5 von 75

 

nämlich dass die Geschichte der Migration in Wien und das 50-jährige Bestehen des Anwerbeabkommens auch relativ deckungsgleich mit einem 50-jährigen Integrationsversagen der Stadt Wien gleichzusetzen ist.

 

Sie haben es ja selber gesagt: Die Integrationsbemühungen haben erst 1992 mit der Schaffung des Integrationsfonds begonnen. Das ist jetzt nicht so wahnsinnig lang her, zumindest keine 50 Jahre. Etwas, was in dem Zusammenhang auffällt, ist, dass die Migranten der ersten Generation ein relativ hohes Maß an Integrationswilligkeit aufgewiesen haben, und zwar offenbar, ohne dass die Integrationsbemühungen der Stadt Wien gestartet wurden.

 

Man merkt jetzt zunehmend eine Segregation, und zwar nicht nur der neu zugewanderten Personen, sondern vor allem - was mich ganz besonders betroffen macht - der Personen mit Migrationshintergrund in der dritten und teilweise auch in der vierten Generation. Das ist für mich sehr erstaunlich, weil ja in der vierten Generation ein erfolgreicher Integrationsprozess an und für sich bereits abgeschlossen sein müsste. Das würde sich meines Erachtens von selbst verstehen.

 

Eines der Dinge, auf die wir das zurückführen, ist, dass gerade, wenn wir die türkische Community ansprechen, die Türkei in ihren Auslandsbemühungen einen relativ starken Zugriff auf diesen Personenkreis nimmt und ihn in ihrem Einflussbereich hält.

 

Jetzt wäre meine Frage an Sie, sehr geehrte Frau Stadträtin: Welche Maßnahmen wollen Sie setzen - und zwar anders als in der Vergangenheit, denn es scheint sich nicht bewährt zu haben, was bis jetzt geschehen ist -, um einen erfolgreichen gänzlichen Integrationsprozess und eine überwiegende oder ausschließliche Loyalität dieser Migranten der Republik Österreich und der Stadt Wien gegenüber sicherzustellen und sie aus ihrem ehemaligen oder niemals bestandenen Staatsverband zu lösen, wenn diese Leute teilweise vielleicht sogar schon Staatsbürger zweiter oder dritter Generation sind?

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Stadträtin.

 

Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Nun - sehr tendenziöse Frage! Aber ich werde sie trotzdem sachlich beantworten.

 

Wenn wir uns die Geschichte der Integrationspolitik in diesem Land anschauen, dann blickt Wien auf die längste Geschichte von Integrationsmaßnahmen und Integrationspolitik zurück. Wie gesagt: 1992, und dann eine Institutionalisierung von mittlerweile sogar zehn Jahren!

 

Wenn man sich das im Bund anschaut: Solange auch Sie Regierungsverantwortung gehabt haben, war es ja nicht einmal möglich, daran zu denken, so etwas auch politisch zu verankern. Da hat das Jahr 2011 ins Land ziehen müssen, dass wir endlich einmal einen Staatssekretär für dieses Thema bekommen haben, denn es gibt hier ganz, ganz viel Verantwortung auch auf der Bundesebene. Ich neige wirklich dazu, immer wieder bei diesem Thema nicht polemisch zu werden, sondern diese Debatte wirklich versachlicht abzuführen. Denn alles andere bringt uns in unserer Gesellschaft nicht weiter.

 

Hier auch ein ernstes Wort in die Richtung der Integrationsbiographien der Menschen: Wenn Sie gestern da gewesen wären, hätten Sie wieder einmal so ein Stück Geschichte erleben können, weil wir gestern - insgesamt waren es 2 000 Menschen, gestern waren viele von ihnen da - in der Stadt etwas gemacht haben, was ich für eine hohe Verantwortung von uns halte. Es haben nämlich diese neuen Wienerinnen und Wiener - Wienerinnen und Wiener sind sie schon sehr, sehr lange, zum Teil waren da gestern Menschen mit unterschiedlicher Aufenthaltsdauer von 11 bis 44 Jahren in unserer Stadt vertreten - gestern von uns Anerkennung und Gratulation dafür bekommen, dass sie sich für die österreichische Staatsbürgerschaft entschieden haben, schon sehr, sehr lange in dieser Stadt leben und jetzt auch ihre vollen Rechte haben.

 

Ich habe hier nur eine ganz unterschiedliche Position zu Ihnen. Ich sehe die Staatsbürgerschaft nicht als die Karotte am Ende eines langen Integrationsprozesses, sondern ich sehe den Erwerb der Staatsbürgerschaft als einen Teil des Integrationsprozesses.

 

Die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, die gekommen sind, haben natürlich am Anfang schon sehr, sehr lange gedacht, dass sie wieder zurück in ihre Heimat gehen werden. Sie haben sich aber dann doch entschieden, hierher zu kommen, hier auch ihre Familien herzuholen und sich hier ein neues Leben aufzubauen. Ich habe vorhin schon gesagt, waschechte Wienerinnen und Wiener sind aus ihren Kindern und aus ihren Enkeln geworden. Das ist gut so, und sie sind nicht mehr wegzudenken.

 

Wenn wir uns anschauen, mit welchen Diskriminierungen diese Menschen auch immer wieder verbunden oder konfrontiert worden sind, dann ist das schon auch erschreckend. Denn die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, die wir geholt haben, diese Menschen, die da gekommen und geblieben sind, sind relativ bald einmal, gerade von Parteien wie Ihrer, nicht mehr zu den gerufenen Arbeitskräften geworden, sondern die waren bald einmal die lästigen Fremden.

 

Diese Konfrontation zieht sich bis heute, und sie hat ihren Ursprung in Fremdenfeindlichkeit und im Auseinanderdividieren von Gesellschaften. Unsere Politik richtet sich daher nicht immer nur im Sinne der Integrations-, Inklusionspolitik an diese Menschen, sondern unsere Politik ist immer auch getragen von einer klaren Haltung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Wir werden in Wien nicht zulassen, dass auf dem Rücken dieser Menschen Politik gemacht wird, dass die Menschen, die sozial Schwachen, egal, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, verwendet werden für ein politisches Kleingeldmachen. Das geht einfach nicht, das haben sich diese Menschen nicht verdient. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die nächste Zusatzfrage stellt GRin Mag Duzdar. - Bitte.

 

9.21.23

GRin Mag Muna Duzdar (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Guten Morgen, Frau Stadträtin!

 

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