Gemeinderat, 53. Sitzung vom 23.05.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 26 von 75
Baxant. – Bitte sehr.
GR Petr Baxant, BA (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Galerie!
Es geht um ein unglaublich wichtiges Thema, im Grunde geht es ja um die Grundfeste unserer Demokratie und unserer Gesellschaft. Es wurde bei dieser Diskussion von anderen Gemeinderäten unterstellt, man hätte sie nicht verstanden. Ganz ehrlich, ich habe heute den Kollegen Gudenus nicht ganz verstanden, phonetisch sehr wohl, inhaltlich nicht, weil er sich zum Teil widersprochen hat. Das ist für einen FPÖ-Politiker eigentlich nicht üblich, weil ihr normalerweise gute Kommunikatoren seid, aber er hat sich im Grunde widersprochen und eigentlich ist seine Botschaft nicht angekommen. Ich kenne mich eigentlich nicht aus. Einerseits, und das ist dann auch vom Kollegen Mahdalik unterstützt worden, sagt ihr, okay, das Demonstrations- und Meinungsäußerungsrecht ist ein unglaublich wichtiges Recht, das darf man nicht angreifen, aber man muss es gescheit dosieren (GR Mag Wolfgang Jung: Friedlich!) – das war auch das Wording vom Kollegen Stiftner. Und das Wording vom Kollegen Mahdalik war jetzt: Man muss das Demonstrationsrecht gescheit kanalisieren. – Das heißt, wird es angegriffen, ist es ein Eingriff in ein ganz wichtiges Grundrecht, das sich übrigens damals im Jahr 1848 Menschen bei der bürgerlichen Revolution erkämpft haben, auf die sich unter anderem einige von Ihnen auch berufen.
Das freie Meinungsäußerungsrecht und das Demonstrationsrecht sind, wie die Frau GRin Hebein schon gesagt hat, einfach nicht verhandelbar, da gibt es keine Interpretationsspielräume. (Zwischenruf von GR Mag Johan Gudenus, MAIS.) Denken wir das zum Beispiel weiter, was Sie gesagt oder vorgeschlagen haben. Wenn man zum Beispiel die Mariahilfer Straße oder ein Gebiet in der Stadt ausnimmt und es dort verbietet, seine freie Meinungsäußerung auszuüben, dann ist das im Grunde ein schwerster Eingriff – das würde natürlich vom Verfassungsgerichtshof gekippt werden – in die freie Meinungsäußerung, also in Grundrechte, in Bürgerrechte (GR Johann Herzog: Wer hat das verlangt?), die 1848 unter anderem von Burschenschaftern und bürgerlichen Kämpfern erkämpft wurden. Das heißt, Sie widersprechen sich ständig, Sie sind quasi auch ideologisch nicht wirklich sattelfest. Und das (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Du hast ja keine Ahnung!) sollten Sie schon sein, wenn Sie sich mit so etwas beschäftigen.
Es ist mir ein Anliegen, dass die Dinge, die wir hier verhandeln, nicht etwas sind, womit man sich spielt. Das ist ja im Grunde etwas, wofür tausende Menschen gekämpft haben, wofür zum Teil tausende Menschen über Jahrzehnte und Jahrhunderte auch gestorben sind. Ich glaube, und da gebe ich meinem Kollegen Czernohorszky absolut recht: Wir sollten uns diesbezüglich nicht spielen und uns wirklich auf die Gefahren konzentrieren, die tatsächlich unsere Demokratie in Misskredit bringen, gefährden, vielleicht ein bisschen abschwächen. Ich möchte es nicht unbedingt bei einer einzelnen Partei belassen, ich glaube, das ist auch ein bisschen zu eng gegriffen. Aber denken wir an die gesamten Einflüsse auf unsere Kinder, an das unglaublich rückständige Bildungswesen, an unsere Boulevard-Medien, die meiner Meinung nach tagtäglich unsere Gesellschaft vergiften, und so weiter, und so fort.
Im Grunde es gibt sehr viele Gefahren, aber die Gefahr für die Demokratie geht ganz sicher nicht von Demonstranten und Demonstrantinnen aus. (GR Johann Herzog: Wenn sie Gewalt ausüben, dann schon!) Die Gefahr für die Demokratie geht sehr wohl natürlich von Menschen aus, die Gewalt ausüben, Gewalt jeglicher Art. Und ich glaube, Sie geben mir recht, wenn ich sage, dass ja auch zum Beispiel gegen den WKR-Ball demonstriert werden soll dürfen, da sind wir uns, glaube ich, einig. Wir sind uns auch einig, dass gewalttätige Demonstrationen, auch gegen einen WKR-Ball oder meinetwegen gegen eine Legalizer-Demonstration, vollkommen falsch sind und in eine Demokratie nicht hineingehören. (Beifall bei der SPÖ.)
Wenn Menschen Gewalt anwenden, und wenn man vielleicht vorher schon weiß, dass sie Gewalt anwenden, dann gibt es in einer Demokratie und in einer Gesellschaft wie der unsrigen natürlich auch Institutionen und Einrichtungen, die dafür sorgen, dass Gewalttäter von friedlichen Demonstranten und Demonstrantinnen getrennt werden. Diese Institution nennt sich Polizei, die hat natürlich die Staatsgewalt inne, und dazu bekennen wir uns natürlich alle. Das heißt, bitte hören Sie einfach auf damit – wir sind alle viel zu intelligent, wir sind alle demokratisch gewählte Mandatare und Mandatarinnen –, uns zu unterstellen, wir schicken irgendwelche Gewaltdemonstranten, um gegen Ihre Gäste auf dem WKR-Ball zu demonstrieren oder diese anzuspucken oder was auch immer. Es stimmt einfach nicht, das wissen Sie genauso wie ich. Für die friedliche Demonstration ist natürlich der Veranstalter zuständig. Wenn gewalttätige Demonstranten und Demonstrantinnen kommen, zum Teil aus Deutschland, zum Teil weiß man das schon, ist nicht die SPÖ zuständig (GR Mag Wolfgang Jung: Aber die Rote Falken!) – auch nicht die Sozialistische Jugend zuständig und sind auch nicht die Kinder von den Roten Falken verantwortlich, die Vier- bis Sechsjährigen, Herr Jung –, sondern es ist eindeutig die Exekutive zuständig. Und dort gehört die Kritik hin. Jede deutsche Stadt, jede deutsche Kleinstadt und jede deutsche Gemeinde schafft es, Demonstrationen zu organisieren, bei denen Gewalttäter von friedlichen Demonstranten getrennt werden, bei denen die Botschaft der Demonstranten und Demonstrantinnen auf jeden Fall ankommt – bei der Öffentlichkeit und auch bei den Medien –, und wo sich die ganze Gesellschaft einig ist, dass man mit Randalierern und mit Gewalttätern eigentlich überhaupt nichts zu tun haben möchte. Anscheinend schafft das unsere Exekutive jetzt zwei Mal nicht. Das ist ein Problem bei der Exekutive, lassen wir das Problem dort, wo es ist, bei der Exekutive und vor allem bei der Führung der Exekutive.
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik (unterbrechend): Herr Kollege, ich bitte um den Schlusssatz, die Redezeit ist schon längere Zeit abgelaufen.
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