Gemeinderat, 59. Sitzung vom 24.11.2014, Wörtliches Protokoll - Seite 21 von 110
eigener Kraft mit einem positiven Geburtensaldo, und Wien wächst auch durch den Zuzug, jedoch nicht von Analphabeten, wer immer das jetzt gesagt hat von den beiden Freiheitlichen, die schon gesprochen haben. Aber das ist ja doch die Höhe, jedem, der nach Wien kommt, vorzuwerfen, dass er ein Analphabet sei. Das ist ja beinahe so, wie wenn man sagt, das sind alles Höhlenmenschen. Sehr geehrte Damen und Herren, so geht das nicht! So menschenverachtend kann man nicht reden! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Wenn man sich den Zuzug dann genau anschaut – und ich habe darauf schon hingewiesen –, sieht man, dass sehr, sehr viele Menschen aus der Bundesrepublik Deutschland kommen, aus Polen, aus Tschechien, aus der Slowakei, sehr viele jetzt aus Ungarn – wo sie vor diesem Orban-Regime davonlaufen –, sehr viele aus Serbien und der Türkei. Und da zeigen Sie mir einmal, wo denn da die Analphabeten sind? – Ja, möglicherweise bei den Kleinkindern, die kommen, denn Lesen und Schreiben lernt man erst mit sechs Jahren, oder vielleicht ein bisschen früher. Aber alle anderen sind keine Analphabeten. – Das, was hier bei der Formulierung passiert ist, ist, gelinde gesagt, menschenverachtend. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)
Ich sage Ihnen auch, dass Investieren zu wenig ist. Investieren ist notwendig, wir dürfen aber nicht so viel investieren, dass es die Wirtschaft durchreißen würde. Da müssen wir verbessern. Der zweite Punkt, bei dem zu verbessern ist – und das habe ich im Zusammenhang mit der Sparquote schon kurz angesprochen –, ist folgender: Es ist ganz entscheidend, dass wir in Österreich zu einer Steuerreform kommen, die substanziell niedere Einkommen und die unteren und mittleren Mittelschichten deutlich entlastet. Es ist nicht möglich für Menschen, die an der unteren Einkommensschwelle sind, so zu leben, dass sie sich auch noch etwas ersparen können, weil eben auch bei kleineren Einkommen schon ein so hoher Anteil an Steuern abgeschöpft wird. 36 Prozent Einstiegssteuersatz ist einfach zu hoch. Sie wissen, dass wir und der ÖGB seit vielen Wochen, seit Monaten dafür eintreten und kämpfen, dass hier eine substanzielle Steuerreform platzgreift, die es uns ermöglicht, zumindest 6 Milliarden zu erleichtern, damit eben gerade von Menschen, die so ein niederes Einkommen haben, schneller die Mittel wieder in die Wirtschaft gepumpt werden, weil diese investieren. Die sparen auch noch nicht, aber sie investieren, sie kaufen sich endlich das, sie leisten sich das, was sie dringend brauchen. Und damit fließt es sofort wieder in die Wirtschaft, und wir kurbeln die Wirtschaft an.
Wenn man das vergleicht – und die Frau Vizebürgermeisterin hat darauf hingewiesen –, so ist allein das, was für die Hypo Alpe-Adria gezahlt werden musste, schon in einer Dimension, wie die Steuerreform im Minimum sein müsste. Und wenn ich mir dann dieses sehr anschauliche Projekt ansehe, bei dem Studenten der Technischen Universität am Karlsplatz eine Stadt für 120 000 Menschen aufgebaut und gezeigt haben, dass so etwas mit 19 Milliarden EUR herstellbar ist – vollkommen, von Wohnraum über die Schulen, Straßen bis zum Stadion und den Freizeiteinrichtungen ist alles picobello um 19 Milliarden EUR herstellbar –, dann ist das der Betrag, den Sie in Kärnten mit Ihren dortigen Politikern verursacht haben. Ganz Österreich muss zahlen, und dort liegt das Geld, das wir fürs Investieren bräuchten. (Anhaltende Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie haben das verludert, Sie haben das verschlampt, und seien Sie ganz ruhig, Sie haben das in Seibersdorf genauso gemacht.
Kommen wir nun zur Gegenfinanzierung. Es ist wirklich interessant, wie man sich bei der reichen ÖVP und bei der FPÖ dagegen wehrt, dass man Vermögen, die einfach liegen, die nicht arbeiten, nicht entsprechend besteuern darf. Es ist bemerkenswert, dass Menschen, von denen die Oma oder ein Familienoberhaupt stirbt, dann auf einmal etwas erben, wofür sie überhaupt nichts geleistet haben. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Nur in Steuern denken Sie. Sparen Sie ausgabenseitig!) Erbschaft und Schenkung ist nicht besteuert – ja, das regt Sie auf, ich merke das, ich merke das, denn Sie vertreten die Reichen in diesem Land. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Wie tief ist das!) Sie vertreten die Reichen in diesem Land, und das sollten wir laut und deutlich sagen, dass Sie nicht die kleinen Leute vertreten. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Das ist eine Entgleisung!) Sie schauen nur auf die Reichen, Sie schauen auf jene, die das Geld haben. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN. – Rufe und Gegenrufe bei FPÖ und SPÖ.)
Wenn wir uns anschauen, wie das beim Grundbesitz ist …
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik (unterbrechend): So, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf bitten, dass man den Pegel ein bisschen herabsetzt. Ich höre sonst nichts, würde aber ganz gern lauschen. – Danke.
GR Dipl-Ing Rudi Schicker (fortsetzend): Sie können beim Grundbesitz genauso die Steuern erhöhen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel bringen: 1973 war die letzte Einheitswertberechnung. 1973 war Aspern noch ein ungenutztes Flugfeld. Rundherum befanden sich Gärtnereien und landwirtschaftliche Betriebe, und es gab den Löwen vor der Schule. Das war alles, ein kleines Dorf innerhalb der Gemarkungsgrenzen Wiens. Heutzutage gibt es das Donauspital, fährt die U-Bahn hin, gibt es ein General Motors Werk, gibt es die Seestadt Aspern. Bei vielen dieser Einrichtungen – und auch beim General Motors Werk – ist öffentliches Geld mit dabei. Und die öffentliche Hand erhält dasselbe an Steuerleistung aus diesen Grundstücken wie damals, als das noch Gärtnereien und Felder und Fluren waren.
Das ist ungerecht, daher braucht es eben eine Grundsteuererhöhung. Und falls jetzt dann als Gegenargumentation kommt, man wolle sich also die Steuer bei jenen holen, die sich eine Eigentumswohnung knapp leisten konnten, antworte ich: Nein, da gibt es natürlich schon vom Städtebund das Modell, bei dem erarbeitet wurde, wie man das umschiffen kann. Dieses Städtebundmodell –, das auch vom Hauptausschuss des Städtebundes, der Vollversammlung des Städtebundes mit
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