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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 24.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 55 von 110

 

Das ist schon eine brutale Zahl, das muss man sich auch als GRÜNE und als Sozialdemokratie immer verinnerlichen: Wenn Eltern nur Pflichtschulabschluss haben, dann ist die Quote nicht 20 Prozent, sondern die Hälfte. Die Hälfte der Kinder hat Probleme mit Lesen und Schreiben, wenn die Eltern nur Pflichtschule gemacht haben. Da stimmt irgendwas im Schulsystem nicht. Und es rentiert sich ja von mir aus in der Ursachenforschung, was kann da Wien dafür, was kann Österreich dafür und was kann die ÖVP dafür, die seit 28, 27 Jahren regiert, es aber nicht weiß, und, und, und. War es die Gehrer oder nicht, das hilft heute nichts. Was kann man von heute weg tun, um es besser zu machen? Da gibt’s viele schlaue Vorschläge und viel blöde Vorschläge. Ein paar Vorschläge lauten: Machen wir im Wesentlichen so weiter wie vorher. Das ist die Volkspartei, die sich gegen alles wehrt, bis endlich, ich muss es noch einmal sagen, die Industriellenvereinigung ihr Papier vorlegt, die auch schon gesehen hat, dass es so nicht funktioniert. Das System auf Fußball umgesetzt, würde heißen, sie stellen die Fußballnationalmannschaft so zusammen: Der Bub vom Prohaska und der Bub vom Krankl und wie sie alle hießen, die 78-Wunderspieler, die spielen alle, weil es ja die Väter auch können haben. Und das ist dann unsere Mannschaft. Sie gehen nicht her und sagen, wir schauen erstens einmal, dass das viele lernen und dann schauen wir, ob ein paar Leute Handball spielen oder eine Skispringerin rauskommt und dann machen wir mit denen, die besser Fußballspielen, eine Fußballmannschaft. Das interessiert Sie nicht. Sie wollen, dass ein paar da gar nicht in die Nähe kommen. Das ist ja fast ein Kastensystem, was Sie bevorzugen.

 

Wir wollen was anderes, wir wollen diese Vererbung durchbrechen. Was macht Wien richtig und was ist noch nachher zu tun? Im Kindergarten haben wir ein Budget von über 700 Millionen EUR, 78 800 Kindergartenplätze. Der Kindergarten in Wien ist natürlich im Vergleich mit den Bundesländern mit Abstand Nummer 1, im Ausbau allemal, in den Öffnungszeiten sowieso, für 3- bis 6-Jährige mehr als 100 Prozent Plätze und darunter haben wir als einziges Bundesland, bei Weitem als einziges, das Barcelona-Ziel erreicht. Das wird ja nicht bestritten. Also ist der Ausbau hier besser als in jedem Bundesland, in dem die ÖVP in der Landesregierung sitzt, auch wenn sie nur hier nicht in der Landesregierung sitzt. Das wird überall von unseren Leuten vorangetrieben, es wird schon werden. Wir haben hier in der Volksschule für 157 Millionen EUR Sanierung für 139 Schulen, und in die Campusschulen, das kennen Sie, werden in den nächsten Jahren ungefähr noch einmal 700 Millionen EUR investiert. Das ist ja alles gut und es reicht leider trotzdem nicht. Es reicht nicht, weil der Bedarf höher ist, weil ich den Brief aus der Schule auch bekommen habe. Der ist offensichtlich bei allen Fraktionen gelandet wie bei mehreren Beschwerden, die es gibt, die auf uns alle verteilt werden. Ich hab ihn natürlich auch genau durchgelesen. Es ist ja inhaltlich richtig, Frau Leeb. Was Sie vergessen haben dazuzusagen, ist, dass ein paar Punkte davon eventuell Ergebnisse von der Bundesregierungspolitik sind. Das haben Sie vergessen, sondern Sie haben es so vorgelesen wie: Alles Wien verantwortlich, alles selber gemacht. Niemand hat jemals auf Bundesebene was gestrichen. Wir versagen halt in dem Bereich von oben herunter. Wir haben diese Zahlen von „Wie viel haben wirklich Probleme mit dem Lesen?“ Das sind ja Zahlen, die sich jedes Jahr wiederholen, wir kennen das ja. Das kann man durchbrechen, wenn man gemeinsam sagt, man will das nicht. Das glaube ich nicht allen, so wie ich Gespräche mit vielen Konservativen führe und wie sie ihre eigenen Kinder gern separieren, nämlich in Ganztagsschulen, natürlich, wo sie von den anderen wegkommen, oder in Internate. Das ist eine nicht unübliche Form, wo ich dann das Gefühl habe, für die eigenen Kinder ist eine Ganztagsschule okay, für den Rest nicht.

 

Was ist tatsächlich zu tun? Die Qualität verbessern, ja sicher. Aber das geht nicht, ohne Geld zu investieren. Und der Christian Oxonitsch würde jetzt sagen, ja, das machen wir alles, wenn mir jemand sagt, wo das herkommt. Die 200 Millionen EUR alleine für den Bildungsbereich zusätzlich für 2015 aufzustellen, ist schon nicht so einfach und wäre unmöglich, wenn wir dem Credo folgen würden, was dort erzählt wird, nämlich: Hört auf zu investieren, baut keine neuen Schulen. Ich habe keine Ahnung, wo wir dann die Kinder alle hintun. Baut keine neuen Kindergärten, macht nichts mit der Berufsschule. Ich hab keine Ahnung, was Sie glauben, wo die Kinder hingehen würden. Das muss investiert werden. Und wenn Sie die Forderung nach mehr haben, dann kümmern wir uns gemeinsam darum. Was ist eines der Probleme, warum die Kinder am Schluss Schwierigkeiten haben? Weil sie zu spät in Bildungseinrichtungen kommen. Es wäre halt nützlich, wenn ein Kind früher in den Kindergarten kommen würde. Jetzt haben wir in Wien eh noch eine gute Situation, weil nicht nur bei den Fünfjährigen, in ganz Österreich mittlerweile Pflicht, sondern auch bei den Vierjährigen und Dreijährigen ein sehr hoher Grad an Kindern besteht, die in Bildungseinrichtungen, Kindergärten kommen. Und davor auch viel mehr als wie woanders.

 

Was ist die nächste Hürde? Die Mehrsprachigkeit. Mein Gott, da wird jedes Mal so getan, und ich hasse das, dass ständig, wenn jemand mehr Sprachen kann oder eine andere, das zuerst ein Problem wird, statt zuerst zu sehen, was das für ein Vorteil ist. Welcher Erwachsene bildet sich denn wahnsinnig was drauf ein und ist mordsmäßig stolz, wenn er sagen kann: Ich kann nur Deutsch, ich kann sonst nichts, ich verstehe überhaupt nichts anders, ich kann nicht einmal eine Homepage lesen. Deswegen nenne ich es, ich weiß nicht, Heimseite oder sonst irgendwas. (Heiterkeit bei den GRÜNEN.) Wer ist denn stolz auf sowas? Niemand, sondern die meisten sagen, Englisch lesen kann ich halbwegs. Noch lieber sagt man: Nein, ich spreche eigentlich gut Deutsch und Englisch, und ich sag‘ dann, ein bisschen Holländisch kann ich noch und ein bisschen Französisch. Ich hoffe, es wird nicht überprüft, weil es mittlerweile sehr mangelhaft ist. Aber sinnvollerweise kann man doch mehr Sprachen. Manche haben den Mazel tov, die lernen das von klein auf. In Wien sehr viele, über die Hälfte, das ist schon seit zwei Jahren so,

 

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