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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 24.11.2014, Wörtliches Protokoll  -  Seite 84 von 110

 

die ÖVP abgelehnt hat. Ich weiß nicht, ob das das eigentliche Ziel ist. (Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Zweite Anmerkung – da verhehle ich nicht, das brennt mir jetzt auf der Lippe –: der Franz-Josefs-Bahnhof. Es wird einerseits im neuen Jahr von der Frau Vizebürgermeisterin in der Stadtentwicklungskommission ein Projektplan vorgelegt, aber, wie Sie richtig erwähnt haben, wenn Liegenschaftseigentümer sich nicht zu bewegen bereit sind, die noch dazu übereinandergestapelt sind, tut man sich schwer. Und ich kann mir jetzt nicht vorstellen, dass Sie da einen Vorschlag hätten, dass wir vielleicht dort mit Enteignung vorgehen sollten. Das wollen wir nicht. (Lebhafte Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN.) Das würde es in dem Fall ermöglichen, dass es Sinn macht, aber soweit wollen wir nicht gehen. Ich glaube aber auch nicht, dass Sie das wollen. Das machen wir dort nicht. Nein.

 

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich einem Thema sehr ernsthaft widmen, das sich durch sehr viele Reden in der Stadtplanung zieht, und einen Antrag einbringen, über den ich mich sehr freue, weil ich glaube, dass er eine wesentliche Entlastung bringt. Wie kommen wir zu günstigem Grund und Boden? Wo soll dieses wachsende Wien seinen Platz finden, wenn wir weiterhin 50 Prozent Grünland halten wollen, Freiräume halten wollen? Da habe ich schon bei vielen Reden und auch bei einigen Projekten gezeigt, dass eine der größten Flächenverschwendungen – nicht nur in Wien, sondern eigentlich im 20. Jahrhundert überall auf der Welt – diese ebenerdigen Schachteln sind, diese Einkaufsmöglichkeiten auf der grünen Wiese oder in der Stadt. Also mir fällt da ein Handelskonzern im 10. Bezirk ein, gleich neben dem Hauptbahnhof. Rundherum sind Gründerzeit-Bauten, hochverdichtet, und drinnen eine ebenerdige Kiste und davor ein Parkplatz. Vor allem im 10. Bezirk fallen mir, denke ich, noch ein paar ein. Aber nicht nur im 10. Bezirk, in nahezu allen Bezirken außerhalb des Gürtels haben wir diese Situationen.

 

Ich habe mit ein paar Stadtplanern geredet, wenn man die nebeneinanderstellte, käme man auf eine Fläche von einigen Bezirken. Die Herausforderung könnte also sein, visionär dorthin zu kommen, wo die europäische Stadt seit ihrer Gründung war: nämlich ebenerdig einkaufen, darüber wohnen und arbeiten, und insofern zu einer vernünftigen Verdichtung zu kommen. Ein Projekt wird sogar vor der Wahl fertiggestellt, das ist das Einleitungsprojekt der Transformation beim Auhofcenter, weitere fünf Projekte sind von verschiedenen Handelskonzernen in Überlegung.

 

Noch einmal: Da die Kiste, dort der Parkplatz. Der Parkplatz wandert in reduzierter Form dann dorthin, wohin er gehört, nämlich unter das Gebäude, und auf das Gebäude drauf kommen verschiedenste Formen von Wohnen, Arbeiten, auch verschiedene Bildungseinrichtungen, Kindergärten sind möglich.

 

Darum freue ich mich sehr, mit meinen Kollegen Maresch und Kickert, aber auch Gerhard Kubik, Omar Al-Rawi und Susanne Bluma einen Antrag einzubringen betreffend „kompakter urbanisierter Handel“, und weil er mir so wichtig ist, möchte ich ihn vorlesen.

 

„Seit Gründung der europäischen Stadt galt das Prinzip der Nutzungsmischung, Kompaktheit und Dichte. Häuser hatten im Erdgeschoß Handel, darüber in mehreren Geschoßen Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten. In den letzten Jahrzehnten wurde dieses Prinzip vielfach aufgelöst, und es entstanden ebenerdige platzverschwendende Einkaufsmonostrukturen mit ebenso ebenerdigen Parkplätzen davor.

 

Vor dem Hintergrund eines starken Bevölkerungswachstums in Wien gilt es, Bauland bestmöglich und in angemessener Dichte zu nutzen. Darauf weist auch ausdrücklich der STEP 2025 hin. Deswegen stellen die unterfertigten GemeinderätInnen folgenden Antrag:

 

„Der Gemeinderat spricht sich dafür aus, dass einstöckige Gebäude, die ausschließlich dem Handel dienen, schrittweise durch gemischtgenutzte Gebäude – Wohnen, Arbeiten, Bildungen – ersetzt und allfällige Parkplätze so angeordnet werden, dass sie platzsparend überbaut werden.

 

Die Stadtregierung und insbesondere die amtsführende Stadträtin für Stadtentwicklung werden in diesem Sinne ersucht, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.“

 

Ich glaube noch immer, dass dieses Thema unterschätzt wird, nämlich von der Größe her. Das Gewerbegebiet Stadlau-Donaustadt im 22. Bezirk ist, glaube ich, 1,5 bis 2 km lang. Das ist eine Ansammlung dieser Monostrukturen, die jegliche Urbanität vermissen lassen.

 

Und es kommt noch eines dazu – wenn ich noch meine letzten 2 Minuten dafür verwenden kann –, nämlich wie sich Einkaufen auch ändert. Das ist, glaube ich, eines der großen unterschätzten Themen, dem wir uns in der Stadtplanung und als Stadt in Summe widmen müssen. Überall, bei allen großen Einkaufseinheiten bis hin zum Lebensmittelhandel, leuchtet Alarmglocke rot, die kommt aus dem Internethandel. Da sollen wir uns auch fragen, auch in Kommunikation mit der Bevölkerung: Was tut jemand, der einen Klick tätigt, bezüglich des Verkehrsaufkommens und auch der Arbeitsbedingungen? Im Handel haben wir 14 Monatsgehälter, teilweise schlecht bezahlt, aber doch sozialversicherte Jobs. Was ist mit diesen großen Strukturen, die in Osteuropa stehen, wo keinerlei soziale Arbeitsbedingungen bestehen, wo sogenannte Werkvertragler das schrittweise übernehmen und insofern Städte, die historisch immer auch dem Handel gedient haben, verändern? Was passiert, wenn man jetzt bei Amazon ein Buch bestellt? Ich glaube, wir sollten ins Bewusstsein bekommen, dass man damit Stadtstrukturen, aber auch Arbeitsstrukturen verändert und wie man die verändert.

 

Jedenfalls wirklich unter Druck sind diese großen Einheiten am Stadtrand, die die kleinen Händler in den letzten Jahrzehnten umgebracht oder sehr stark reduziert haben. Die haben jetzt den größten Druck. Die Immobilienentwickler sprechen auch mit uns, diese großen Zentren werden massiv schrumpfen. Hier wird auch Bauland, Entwicklungsland frei, wo es jetzt in einer nächsten Phase mit öffentlichem Verkehr zu verdichteten Strukturen kommen kann. Ich glaube, das ist eine ganz

 

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