Gemeinderat, 1. Sitzung vom 24.11.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 42 von 59
Ich habe wirklich gedacht, dass man die Lehren daraus gezogen hat, auch auf Seiten von Rot und Grün. Ich habe das vermutet, als beispielweise am Abend des Wahlsonntages Bgm. Häupl gemeint hat, er werte das Ergebnis nicht als Auftrag, so wie bisher weiterzumachen.
Was heute zur Diskussion steht, ist aber „more of the same“. Und auch wenn der Herr Bürgermeister in seiner wirklich leidenschaftlichen Regierungserklärung von spektakulären Neuerungen spricht, meine Damen und Herren – es wurde heute schon mehrfach darauf verwiesen –, ja, das Regierungsabkommen ist umfangreicher geworden. In Oberösterreich haben sie 50 Seiten – wahrscheinlich können die Leute dort noch miteinander reden –, in Wien hat es jetzt 138 Seiten. Aber da der Kollege Ellensohn so stolz auf die 138 Seiten war: Die Zehn Gebote enthalten 279 Worte, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300 Worte, nur das rot-grüne Regierungsübereinkommen von Häupl-Vassilakou II hat 138 Seiten. Ob es daher so viel besser ist, bleibt trotzdem zu bezweifeln. (Beifall bei der ÖVP.)
Was viel wichtiger ist als der Umfang, meine Damen und Herren, ist ja die Frage, in welche Richtung wir diese Stadt in den nächsten fünf Jahren entwickeln wollen. Und im Wahlkampf gab es ja, gerade von Seiten der Sozialdemokratie, wenn man sich die Plakate angesehen hat, Einsicht dahin, dass gerade der Wirtschaftsstandort besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Und auch in seiner heutigen Regierungserklärung hat der Herr Bürgermeister durchaus einige Worte zum Wirtschaftsstandort gefunden.
Nur was steht in diesen 138 Seiten drinnen? Kümmert man sich wirklich um die Wirtschaft statt um das Schuldenmachen? Geht es wirklich um Freiheit, statt darum, Bürger, die anderer Meinung sind, zu sekkieren? Geht es um Leistungsanreize oder doch wieder um die übliche Umverteilungsfolklore? Geht es vielleicht gar um Transparenz, beispielsweise im ausgelagerten Bereich, oder, für die GRÜNEN natürlich völlig unüblich – aber ertappt, auch ihr seid dort angekommen –, geht es schlussendlich nur noch um Postenschacher? (Beifall bei der ÖVP.)
Schauen wir uns das Thema Wirtschaft doch einmal genauer an. Was steht da drinnen, in diesen 138 Seiten? – Da gibt es einen sehr interessanten Passus, ich zitiere wörtlich: „Neben den 4,5 Milliarden EUR Investitionen, die wir bereits im Budget haben, haben wir im Bereich Schule, Kindergarten und Spitäler einen zusätzlichen Investitionsbedarf von einer Milliarde pro Jahr. Wir wollen, dass man uns erlaubt, dass man derartige nachhaltige Projekte fremdfinanziert.“
Zwei Mal Chuzpe kann ich nur sagen. Erstens einmal, bei einem Gesamtjahresbudget von 12 Milliarden, wie wir es in dieser Stadt haben, 4,5 Milliarden als Wirtschaftsförderung, als Investitionen darzustellen. Ich nehme an, die 3 Millionen EUR, die wir an Werbemittel für die Mariahilfer Straße hinausgeblasen haben, waren Wirtschaftsförderung für die Kreativindustrie. So wird es wohl dargestellt werden. (Beifall bei der ÖVP.)
Und die zweite Chuzpe, meine Damen und Herren, ist zu sagen, es muss alles fremdfinanziert werden. Wenn wir es nicht schaffen, diesen Haushalt ordentlich zu bestellen, haben wir als Stadt keine Berechtigung, den Menschen etwas von einem epochalen, von einem spektakulären neuen Regierungsprogramm zu erzählen. – „More of the same“, auch in diesem Bereich, Schulden machen auf Kosten zukünftiger Generationen, mein Vorredner hat es durchaus in vielen Bereichen richtig angesprochen.
Oder andere Beispiele im Bereich Wirtschaftspolitik: Da soll es einen Arbeitskreis geben – wer nicht weiter weiß, der gründet bekanntlich einen Arbeitskreis –, der prüfen soll, inwieweit via Vergaberecht besonders benachteiligte Personengruppen besonders unterstützt werden können. Das klingt zunächst einmal toll. Aber wenn man näher darüber nachdenkt und wenn man vor allem die Politik der GRÜNEN in diesem Haus kennt, heißt das: Markt raus, Sozialromantik rein! – Und das, meine Damen und Herren, im achten Jahr einer Weltwirtschaftskrise! Das können wir uns einfach nicht leisten. (Beifall bei der ÖVP.)
Mehrfach wird von Arbeitszeitverkürzung gesprochen. Auch hier finden sich die beiden linken Parteien. So hat ja erst die SPÖ bei einem Parteitag den Antrag für eine 30-Stunden-Woche sogar angenommen. Sie vergessen, meine Damen und Herren von Grün und Rot, dass mittlerweile 150.000 Wienerinnen und Wiener durch Ihre Wirtschaftspolitik ihre Arbeitszeit bereits auf null Stunden in der Woche verkürzt bekommen haben.
Ein anderes Beispiel, und dem könnte ich ja durchaus beipflichten, da gibt es sogar eine Überschrift im Wirtschaftskapitel: „Betrug ist kein Kavaliersdelikt.“ – Na, selbstverständlich nicht! Es ist aber schon eigenartig, dass man hier nur von Steuer- und Abgabenbetrug liest, Sozialbetrug für Rot-Grün in dieser Stadt aber ganz offensichtlich gar nicht vorkommt, obwohl Wien die Stadt ist, die 60 Prozent aller österreichischen Mindestsicherungsbezieher beherbergt. (Beifall bei der ÖVP.)
Und es wäre ja nicht Rot-Grün, gäbe es nicht eine Vielzahl von Belastungen. Ist es wirklich das einzige Mittel, das Rot-Grün zur Belebung der Wiener Geschäftsstraßen einfällt, da eine Leerstandsabgabe hineinzuschreiben?! Sonst kein Wort, aber die Leerstandsabgabe steht natürlich drinnen.
Oder, auch sehr charmant: „Rot Grün setzt sich für eine massive Reform der Grundsteuer ein“, hin zum tatsächlichen Verkehrswert. – Okay, reden wir darüber. – Der soziale Wohnbau muss aber begünstigt werden. – Na, das ist sozial, meine Damen und Herren, der kleine Häuselbauer soll brennen, aber Wiener Wohnen wird ausgenommen. Gratuliere! (Beifall bei der ÖVP.)
Der Mindestlohn von 1.600 EUR wurde schon angesprochen. Auch das ist Wirtschaftspolitik à la Rot-Grün, meine Damen und Herren! Wenn Armutsbekämpfung so einfach wäre. (GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Ist das zu hoch?!) – Herr Margulies, Sie kommen mir vor wie der Bruder im Geiste von Gregor Gysi in Deutschland, der einmal plakatiert hat: Reichtum für alle! – Nur, so einfach
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