Gemeinderat, 67. Sitzung vom 29.05.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 27 von 63
Wohnungen, Schulen und Kindergärten errichten zu müssen und dass bei steigender Nachfrage die Preise steigen. Das ist kein Wiener Phänomen, das ist ein Phänomen in allen europäischen und außereuropäischen Städten, mit teilweise sehr langfristigen, aus unserer Sicht katastrophalen Folgen, wenn man nicht vehement gegensteuert. Die Folgen habe ich hier schon einige Male gesagt, vorexerziert in Paris, vorexerziert in London.
Dieser Tage haben wir Gäste zu Hause, die in London beheimatet sind. Beide sind Akademiker und haben eine fixe Anstellung. Aber in London ist es vollkommen aussichtslos für eine vierköpfige Familie, eine Wohnung zu finden. Sie zählen wahrscheinlich zu einer Einkommenssituation, die über dem Median liegt. Wie soll sich jemand, der unter dem Medianeinkommen liegt, in London eine Wohnung leisten? Das war übrigens eine interessante Diskussion - ich kenne London als Tourist, aber nicht als Bewohner -, wie sich die Stadt ändert, schleichend, aber sichtbar, wenn junge Leute nicht mehr neu zuziehen und wenn wir sozusagen nicht eine stille gläserne Einkommensdecke, sondern eine Pfundsdecke haben, dass man sich dort quasi nur, wenn man deutlich über dem Durchschnitt verdient, eine Wohnung leisten kann. Diese Situation haben wir nicht nur in London, wir haben sie auch sehr stark in München und in Paris. Ich bin immer wieder fassungslos, wenn man für 25 m² über 1 000 EUR zahlen muss. Von Manhattan spreche ich überhaupt nicht. Dort denken sie jetzt daran, 10, 12, 15 m² Wohnungen zu machen, die deutlich über dem Preis einer Smart-Wohnung liegen.
Die im Kern liegende Frage ist: Welche Aufgabe hat der Staat, hier gegenzusteuern? Diese Regierung sagt sehr stark, hier hat die Stadt, hier hat die Kommune die Aufgabe, aber auch die Möglichkeiten. Die letzte Gemeindebausiedlung wurde 2004 errichtet. Mit diesem Aktenstück, das wir heute beschließen werden, beginnt wieder die Möglichkeit. Der Herr Stadtrat hat öffentlich und in Ausschüssen von 700 Wohnungen pro Jahr gesprochen, die hier angestrebt werden. Ich will jetzt nicht sozusagen die SPÖ-Rede halten, die dann der Kollege halten wird, aber das sehen wir sehr gemeinsam, nicht, indem große Siedlungen errichtet werden, wie es in den 70er Jahren der Fall war, sondern dass punktuell im Sinne der Durchmischung auch diese Gebäude errichtet werden, nicht, um ein Schild an die Tür zu stellen, sondern als Hauptproblem dem geförderten Wohnbau gegenzusteuern. Der geförderte Wohnbau in Wien, mit all den Vorteilen, die er hat, heißt, dass es für Menschen - ich mache es technisch - in den untersten Einkommenszielen, also Leute, die 900 EUR, 800 EUR verdienen, wegen Teilzeit, wegen Scheidung, wegen einer Reihe von Gründen, sehr schwer möglich ist, eine Genossenschaftswohnung zu bekommen, weil die Einstiegshürden durch die Eigenmittel entsprechend hoch sind.
Lassen Sie mich noch einmal die Zahl wiederholen, die uns immer im Bewusstsein sein müsste, wie hoch das Medianeinkommen ist, das wir in Österreich, in Wien haben. Das sind pro Jahr 18 000 EUR. Das heißt, die Hälfte aller Österreicherinnen und Österreicher verdient weniger als 18 000 EUR netto im Jahr. Es gibt ziemlich viele, die unter 1 000 EUR im Monat verdienen, wo es in der Tat schon bei 400 EUR sehr schwierig wird. Das wären 40 Prozent, wo wenig über bleibt. Hier ist es die Aufgabe der Gemeinde, gegenzusteuern und Wohnungsangebote zu setzen, die für diese Einkommensgruppe notwendig sind.
Es ist in der Tat eine ideologische Frage. Wenn ich knappe Mittel habe, setze ich sie für Mietwohnungen ein und versuche den Einstieg möglichst gering zu halten, oder nehme ich öffentliche Mittel, um Eigentum zu fördern? Wir haben nichts gegen Eigentumswohnungen. Das wäre lächerlich im Sinne der Vielfalt. Die Frage ist: Wofür setzen wir knappe Fördermittel ein? Das Problem, Herr Kollege Walter, von jungen Familien ist nicht, dass sie sagen, sie hätten so gern eine Eigentumswohnung und sie gehen ins Umland, weil sie leider keine Eigentumswohnung in der Stadt finden. Das Problem ist die Verfügbarkeit von leistbaren Wohnungen. Sie wissen von allen Genossenschaften, wie hoch die Vormerkrichtlinien sind.
Jetzt hüpfe ich kurz zur Stadtplanung. Darum sind wir in vielen Fällen auch gegen das Begehr mancher Anrainer dafür, dass dort im Zweifelsfall Wohnungen gebaut werden. Würden wir allen Anrainern nachgeben, hätten wir ein drastisch verschärftes Problem am Wohnungsmarkt. Da bedauere ich manchmal, aber nur ein bisschen, dass die ÖVP das anders sieht. (GR Norbert Walter, MAS: Das stimmt nicht!) Wir werden jetzt Gott sei Dank bald In der Wiesen Ost mit 1 100 Wohnungen beschließen. Das ist ein schöner, beträchtlicher Beitrag des sozialen Wohnbaus. Wir werden sehen, wie Sie das dann im Gemeinderat sehen werden.
Also, wir wollen das Wichtigste ankurbeln. Das ist die Anzahl der Wohnungen.
Das Zweite, das in dem Antrag angesprochen ist, ist in der Tat das Bundesmietrecht. Es ist wirklich nicht zu verstehen, dass befristete Mieten teilweise deutlich höher sind als Hauptmieten. (GR Dkfm Dr Fritz Aichinger: Mit Zwangsmaßnahmen geht gar nichts!) Warum ist das so? Ganz banal, in der überwiegenden Mehrheit, wenn Mieter zur Schlichtungsstelle gehen, wird ihnen recht gegeben. Das ist schon bedenklich. Das möge sich auch die ÖVP einmal sozusagen hinter die Ohren schreiben. Ich glaube, in neun von zehn Fällen wird ihnen recht gegeben. Aber wenn du eine befristete Mietwohnung hast, was machst du dann? Dann gehst du zur Schlichtungsstelle. Sie gibt dir recht. Die Miete wird herabgesetzt, bis der Hauseigentümer sagt, Befristung, tschüss, und der Nächste kommt dran. Darum vermeiden viele, und das halte ich für extrem bedenklich, zur Schlichtungsstelle zu gehen. Darum nimmt der Anteil derjenigen zu, die in Befristungen gehen. Das halte ich für eine schwierige Situation, auch gesellschaftlich.
Wenn ich jetzt ganz kurz in eine gesellschaftliche Debatte einsteige, nehmen Befristungen bei den Jobs zu. Es nehmen Befristungen in vielen Bereichen zu, auch beim Wohnen. Und dann wundert man sich, dass eine gesamte Entsolidarisierung stattfindet, wenn die Fristig
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