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Gemeinderat, 68. Sitzung vom 29.06.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 53 von 140

 

Samstag - vorher auch schon, aber seit Samstag in besonderer Weise.

 

Rekapitulieren wir kurz: Die „Presse“ zum Beispiel titelt heute auf der ersten Seite: „Die Banken bleiben geschlossen.“ - Das hat mich im ersten Moment erschreckt, aber es sind natürlich nur die griechischen Banken gemeint. Die griechischen Banken bleiben bis auf Weiteres geschlossen. Es werden Kapitalverkehrskontrollen eingeführt. Die griechische Regierung hat für kommenden Sonntag ein Referendum angekündigt, ein Referendum, das, glaube ich, mehr Fragen offen lässt, als es beantworten wird.

 

Das Referendum soll nämlich stattfinden über die letzten Vorschläge der EU-18, also aller Eurogruppen-, Eurozonenmitglieder außer Griechenland, nur: Diese Vorschläge wurden ja am Samstag alle zurückgezogen. So gesehen gibt es gar keinen Vorschlag, über den abgestimmt werden kann. Die Tsipras-Regierung hat der griechischen Bevölkerung dringend empfohlen, mit Nein zu stimmen. Es ist vollkommen offen - es sind verschiedene Dinge vollkommen offen:

 

Erstens einmal: Die griechische Administration ist nicht berühmt dafür, die effizienteste in Europa zu sein. Sie soll aber binnen fünf Tagen ein Referendum organisieren. Das wäre auch in Österreich, sagen wir einmal, kein Honiglecken. Ob das überhaupt durchführbar wäre, sei einmal dahingestellt.

 

Zweitens: Es ist die Frage, worüber eigentlich abgestimmt wird. Drittens aber muss die griechische Bevölkerung jetzt wissen, was die Folgen einer Ja- oder Nein-Stimmabgabe wären. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich würde als Grieche da ziemlich verzweifelt sein (Ruf bei der FPÖ: Richtig!), weil ich nicht weiß: Was bedeutet ein Ja? (GR Mag Dietbert Kowarik: Das weiß keiner!) Ist das vielleicht ein Misstrauensvotum gegen die Tsipras-Regierung? So könnte man es interpretieren. Wenn das griechische Volk mit Mehrheit gegen den ausdrücklichen Vorschlag der Regierung stimmt, dann möchte man meinen, dass man dann als Regierung zurückzutreten hat. Tsipras hat das Gegenteil angekündigt. Er hat gesagt, ja gut, wenn der Souverän mit Ja abstimmt, dann werden wir auch diesem Wunsche folgen. - Ehrlich gesagt, werden die Eurozonen-18 Tsipras dann glauben, dass er diesem Wunsche folgen wird?

 

Nichtsdestoweniger, es ist nicht neu, dass man dem Wunsch des Souveräns folgt. Zum Beispiel die GRÜNEN waren seinerzeit – das ist jetzt 21 Jahre her – ursprünglich, ich ausgenommen, gegen den EU-Beitritt Österreichs. Dann hat das Volk entschieden, und über Nacht sagten die GRÜNEN, nicht zuletzt über Betreiben von Johannes Voggenhuber - ich finde, er hat ja recht gehabt -: Der Souverän hat entschieden - wir sind dafür! - Also das geht schon. Aber vergleichsweise ist die Tsipras-Regierung in einer schwierigen Situation.

 

Bevor Sie jetzt den falschen Eindruck bekommen: Gegen Schluss meiner Rede - und ich glaube, ich habe auch 20 Minuten zur Verfügung, falls ich meine Redezeit ausschöpfe - möchte ich über die Handlungsunfähigkeit der Union minus Griechenland sprechen. Also nicht, dass Sie glauben, ich ziehe jetzt nur über die armen Griechen her. Ich glaube ja, die griechische Regierung hätte die Bankenschließung und die Kapitalverkehrskontrollen sofort nach der Regierungsbildung machen müssen, denn mittlerweile, seit Februar dieses Jahres, sind rund 40 oder 50 Milliarden EUR abgeflossen aus den griechischen Banken, die nur durch Zuführung von Mitteln von der griechischen Notenbank sozusagen am Leben erhalten werden konnten, und die griechische Notenbank ihrerseits hat diese Mittel von der Europäischen Zentralbank bekommen. Diese 40 oder 50 Milliarden hätte man sich - unter Anführungszeichen - ersparen können. Mittlerweile schulden die griechischen Banken ihrer Notenbank rund 90 Milliarden, und Sie wissen ja alle, Sie haben das alle mitbekommen, dass die Europäische Zentralbank gestern beschlossen hat, die sogenannte ELA - Emergency Liquidity Assistance - nicht einzustellen, aber einzufrieren auf dem Niveau von 90 Milliarden.

 

Was wird jetzt passieren? – Na, unmittelbar gar nicht viel, glaube ich. Ich hoffe, dass die Börsen nicht in Panik geraten. Unmittelbar gar nicht viel: Morgen oder übermorgen ist die Rückzahlung eines 1,5-Milliarden-EUR-Kredites an den Internationalen Währungsfonds fällig. Griechenland wird das nicht bezahlen. Griechenland ist also in Bezug auf diese Tilgung in Default. Was wird das auslösen? – Na, das wird, wie Daniel Gros heute im „Standard“ richtig beschreibt, zunächst einmal ein Mail des Internationalen Währungsfonds auslösen: Liebe Regierung, du bist im Verzug. - Viel mehr passiert nicht. Und die Ratingagenturen haben interessanterweise alle schon angekündigt, dass für sie diese Nichtzahlung dieser fälligen Tilgung kein Default Griechenlands bedeutet, weil sie nur berücksichtigen, ob Griechenland an die privaten Gläubiger die Tilgungen leistet oder nicht. Aber was bei öffentlichen, staatlichen, halbstaatlichen Institutionen passiert, wie dem IWF, der EZB oder bei den bilateralen nationalen Krediten, das ist den Ratingagenturen sozusagen zwar nicht egal, aber es bleibt jedenfalls kurzfristig ohne Folgen.

 

Ich lese in der Zeitung, dass Griechenland bankrott ist, um es volkstümlich auszudrücken. Ich lese in der Zeitung, darunter auch in meinem geliebten „Economist“, in der Ausgabe vom vergangenen Freitag, dass Griechenland zum Beispiel nicht in der Lage sein wird, die künftigen Pensionen auszuzahlen.

 

Stimmt das? Ich habe doch gut in Erinnerung, dass seit gut einem Jahr, wenn nicht länger, und heuer besonders intensiv Verhandlungen gelaufen sind zwischen Griechenland und den staatlichen Gläubigern über die Höhe des jetzigen und künftigen Primärüberschusses im Budget. Der Primärüberschuss ist Einnahmen minus Ausgaben, aber ohne Zinsen, also ohne diese Kreditverpflichtungen. Die Debatte ging darüber: Ursprünglich waren es, glaube ich, 4,5 oder 5 Prozent, die die Gläubiger verlangten, damit auch etwas zum Schuldenabbau beigetragen werden kann, und der Letztstand war irgendwo bei 1,5 oder 1 Prozent des Primärüberschusses. - Nebenbei gesagt, eine Höhe, die ungefähr der österreichischen entspricht, nämlich dieses 1 Prozent derzeit.

 

Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist: Die ver

 

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