Gemeinderat, 69. Sitzung vom 01.07.2015, Wörtliches Protokoll - Seite 23 von 94
müssen das Europäische Parlament aufwerten. Denn diese Krisenpolitik ist ja – das muss man auch einmal erwähnen – an den Parlamenten vorbei beziehungsweise zumindest auf unzureichender Rechtsgrundlage europäischer Verträge beschlossen worden.
Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als Europa neu zu denken. Denn was auf Grund des enormen Drucks auch im Kleinen geschieht, ist, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung zunimmt und die rechtsextremen Kräfte wieder stärker werden.
Insofern sage ich es in aller Kürze: Erlauben wir uns wieder diese Visionen, von denen ich gesprochen habe! Holen wir sie wieder zurück! Wir können nicht alles der neoliberalen Wirtschaftspolitik überlassen! Es gibt Alternativen! – Vielen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich Herr GR Mag Ebinger zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Mag Gerald Ebinger (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Damen und Herren!
Es war einmal nach den zwei Weltkriegen ein europäischer Traum von einem großen, geschlossenen, ohne Kriege in Frieden vereinten Europa. Das war vielleicht einmal die Vision am Anfang. Aber was ist daraus geworden? – Wir alle wissen: Am Anfang stehen mehr oder weniger eine Vision und eine Mission. Es geht um das kommunikative zu Papier Bringen dessen, was man vor hat, und um eine Strategie.
Meiner Ansicht nach liegt aber schon die Mission im Argen, denn es ist offenbar in den letzten Jahren nicht gelungen, den Bürgern der Europäischen Union die Mission Europas nahezubringen. Wir erleben Politiker, die auf einem Planeten leben, und Bürger, die auf einem anderen Planeten leben.
Und mit der Strategie hapert es, ehrlich gesagt, überhaupt. Das können wir an verschiedenen Beispielen sehen. Herr Prof Van der Bellen hat jetzt über die verschiedenen Varianten betreffend Griechenland reflektiert. – Wir haben schon vor Jahren gewarnt und haben gesagt, schicken wir die Griechen zurück zur Drachme! Damals sind wir arg beschimpft worden! Es hat geheißen, dass wir wirtschaftspolitisch keine Ahnung haben.
Was hat man in all den Jahren getan? – Man hat künstlich am Leben gehalten. Und am Montag haben Sie selbst gesagt: Die können das nicht zurückzahlen. – Das war klar! Vielleicht hätten sie eine Chance mit der Drachme gehabt, dann hätten sie ab- und aufwerten können, wie sie es gebraucht hätten. Außerdem ist Griechenland, historisch gesehen, seitdem es ein eigenständiges Land ist, in periodischen Abständen immer wieder bankrott gewesen. Die Griechen haben es nie geschafft, nicht bankrott zu sein! Das muss man auch dazusagen.
Wo ist denn die Strategie der Europäischen Union? – Seit Jahren sehen wir, wie die europäischen Politiker herumeiern. Da ist es ja kein Wunder, dass die Bevölkerung Europas sich fragt: Wissen die noch, was sie tun? Wissen Sie, was sie tun, wenn wir über Flüchtlingspolitik reden, etwa über Lampedusa? Wo ist der Outcome? Es werden immer mehr, aber es geschieht genau gar nichts! Jeder streitet. Aber wo ist die Strategie? Wo ist die Mission?
Ein bisschen habe ich in diesem Zusammenhang das Gefühl, dass das – wenn jeder hier etwas zitiert, zitiere ich jetzt Henrik Ibsen‘s „Wildente“ – so eine Art Lebenslüge wird: Wir müssen, wir sollen, und wir dürfen. – Ich bin auch ein Europäer, aber ich denke mir, dass wir auf eine richtige Krise erst zusteuern, und ich fürchte mich davor.
Wenn Sie sagen, Herr Professor, dass Russland ein Aggressor ist, dann muss ich schon sagen: Für mich war die Berichterstattung über den Maidan ein einschneidendes Erlebnis! Und da ich Gott sei Dank mit einer Kroatin verheiratet bin, habe ich über kroatische und serbische Medien ganz andere Darstellungen gehört und hatte ein einschneidendes Erlebnis hinsichtlich der Abhängigkeit der Presse.
Ich denke nur daran: Wir wissen bis heute nicht, wer damals dieses Flugzeug abgeschossen hat! Wir wissen aber, dass die Amerikaner ihre Satelliten dort hatten und bis heute die Bilder nicht freigegeben haben. Und wir wissen, dass unser Außenminister gesagt hat, dass Russland schuld ist und es Sanktionen geben muss. Nach meiner Meinung und – wie ich annehme – nach der Meinung meiner Fraktion drängt man Russland absichtlich aus irgendwelchen großen, geopolitischen Gründen in eine Schuldigenrolle, die es nicht verdient hat. Russland ist ein Teil Europas, und wir sollten froh sein, dass wir mit Russland gute Beziehungen haben! Und wenn man uns als Marionetten Russlands bezeichnet, dann sage ich: Dann sind die anderen Marionetten Amerikas! Wer hat denn den Nahen Osten destabilisiert? Schauen wir uns doch einmal an, was dort vor sich geht, etwa in Libyen, im Irak, in Syrien! (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Der Einzige, den sie mit einer Navy-Seals-Aktion herauszuholen versuchen, ist der Minister des IS, der für das Erdöl zuständig ist. – Das Ganze ist, ehrlich gesagt, wirklich zum Kotzen! Und wir können uns dann mit dem Rest herumärgern. Wo ist denn die Strategie bei TTIP? Da gibt es Geheimverhandlungen. Die SPÖ sagt: Wir sind eigentlich schon dagegen. Die GRÜNEN sind – ich weiß es nicht, aber ich hoffe es! – dagegen. Und wir sind jedenfalls dagegen.
Keiner weiß genau, was geschieht. Herr Mitterlehner hat vor zwei Monaten gesagt, dass er zuversichtlich ist, dass das heuer noch abgeschlossen wird. – Und dann wundert man sich, dass es mit der Vision Europa den Bach hinuntergeht?!
Wie ich gesagt habe: Auf der einen Seite gibt es Eurokraten, die irgendetwas durchziehen, wurscht, was das Volk denkt. Damals, bevor der Euro gekommen ist, hat die Europäische Kommission davor gewarnt, dass man Griechenland dazunimmt. Dafür gibt es unzählige Belege. Das sagt etwa Kohl. Aber das wurde negiert, denn der Beitritt war der Wunsch. Man hat sich halt gedacht, es wird schon funktionieren, und wenn nicht, dann gleichen wir auch noch die Gehälter, die Sozialsysteme und die Wirtschaftssysteme an!
Ein bisschen erinnert mich das an eine Zeitschrift des Jahres 1848: Ein Bürgerlicher diskutiert mit einem Kom
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