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Gemeinderat, 4. Sitzung vom 28.01.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 57 von 108

 

Und ich fordere alle im Saal, alle Gemeinderäte und Gemeinderätinnen auf, ein bisschen zur Versachlichung beizutragen. Es ist auch nicht leicht für den Vorsitzenden, hundert Wortmeldungen gleichzeitig hier wahrzunehmen. (GR Petr Baxant, BA. in Richtung FPÖ weisend: Und wenn Sie sich benehmen wie Hooligans, das ist wurscht, oder was? – Hallo!-Rufe und weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 

GR Dipl.-Ing. Martin Margulies (fortsetzend): Besser wäre die Reaktion der FPÖ-GemeinderätInnen auf diesen Zwischenruf nicht darzustellen gewesen. Kollege Lobo hat in der vorigen Wahlperiode, glaube ich, den Gemeinderatsmitgliedern der Freiheitlichen das eine oder andere Mal erklärt, sie sind Teil eines großen Theaterstücks. Sie spielen immer noch mit. (GR Wolfgang Irschik: Wer ist der Kollege Lobo? – GR Udo Guggenbichler: Das ist aber kein Kollege mehr!)

 

Kommen wir trotzdem zurück zur gemeinsamen Vorgangsweise von Bund, Ländern und Gemeinden.

 

Was ist der erste Satz? – Er lautet nicht: „Österreich wird und muss flüchtenden Menschen helfen.“ - Wenn ich zu einem Asylgipfel rufe, um tatsächlich eine Grundaussage zu tätigen, die einem christlichen Menschenbild oder meinen ethischen Vorstellungen entspricht, wäre der Einleitungssatz gewesen: „Wir helfen Menschen.“ (GR Mag. Dietbert Kowarik: Helfen Sie einmal der eigenen Bevölkerung!)

 

Ihr Einleitungssatz, und ich spreche bewusst von „Ihr“, ist ein anderer. Und dazu erlaube ich mir eine Anmerkung: Soweit ich sozusagen auch aus Kreisen der Sozialdemokratie gehört habe, stammt der Ursprungstext nicht von der Sozialdemokratie. Darüber war ich sehr glücklich, das sage ich gleich einmal dazu.

 

Und ich möchte noch vor etwas anderem warnen, was Sie, glaube ich, falsch einschätzen: Weder in Vorarlberg noch in Tirol agiert die ÖVP so wie Sie hier. Das hat auch einen guten Grund: Weil sie dort gemeinsam mit uns in einer Koalition ist. Und Sie können sicher sein, dass dieses Papier weder in Vorarlberg noch in Tirol umgesetzt wird. Da können Sie hundertprozentig sicher sein! (Beifall bei den GRÜNEN. – StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Wird es in Wien umgesetzt werden? Das will ich wissen! Darum geht es mir!) – Ich komme noch darauf zu sprechen.

 

In diesem Papier ist zu lesen: „Erstes und oberstes Ziel ist es, eine geordnete Einreisekontrolle sicherzustellen.“ - Das ist das erste und oberste Ziel des gesamten Bundesstaates, wenn es darum geht, flüchtenden Menschen zu helfen?! (StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Deswegen heißt es ja „Staat“!) - Nein, das ist nicht das erste und oberste Ziel! (GR Mag. Dietbert Kowarik: Gesetze gelten schon noch für den Margulies?)

 

Ich gebe Ihnen in einem einzigen Punkt recht - und das haben auch wir GRÜNEN immer für richtig gehalten -: Natürlich will ich auch wissen, wer nach Österreich kommt - das ist legitim (GR Mag. Dietbert Kowarik: Gesetze gelten schon noch für den Margulies, oder nicht?) -, aber nicht in der Art und Weise, wie Sie es wollen. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Lesen Sie einmal nach! - Das gibt's ja nicht!)

 

„Österreich wird weiterhin mit Vehemenz auf europäischer und internationaler Ebene auf Maßnahmen drängen, die zu einer Reduktion der Asylwerber in Österreich führen.“ - Das ist wortwörtlich in diesem Papier zu lesen. (GR Mag. Manfred Juraczka: Das gefällt Ihnen nicht! Aber Ihr Bürgermeister hat es unterschrieben!)

 

Da ist nicht davon zu lesen, dass Österreich mit Vehemenz in allen europäischen Institutionen darauf drängen wird, Krisenursachen zu beseitigen, Krisenherde zu unterstützen. Das fehlt! (StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Die Schweden haben die Entwicklungshilfe reduziert!)

 

Aber Sie nehmen, um das umzusetzen, zusätzlich auf – wortwörtlich: „Enge europäische Zusammenarbeit und Abstimmung mit der Türkei“ - etwas, ich sage das jetzt ganz bewusst dazu, was ich vor zehn Jahren so noch für richtig gehalten und unterschrieben hätte, als es tatsächlich in der Türkei plötzlich einen Annäherungsprozess gegeben hat, auch im innenpolitischen Diskurs, als die Türkei auf dem Weg war, durch verstärkte demokratische Reformen tatsächlich einen demokratischen Standard in eine Richtung zu erarbeiten, wie er auch bei uns gang und gäbe ist.

 

Und wie ist die Situation jetzt? - Die Türkei befindet sich momentan selbst in einem Bürgerkrieg! Die Türkei bombardiert in Diyarbarkir kurdische Gebiete in einem Ausmaß, dass von dort die nächste Flüchtlingswelle zu erwarten ist. Demokratie wird abgeschafft! Und mit diesem Land glauben Sie tatsächlich ein Abkommen über syrische Flüchtlinge schaffen zu können?! (Zwischenrufe von GR Mag. Wolfgang Jung und GR Mag. Dietbert Kowarik.)

 

Kollege Blümel, das meinen Sie doch nicht im Ernst! Und Sie glauben doch nicht, dass die Türkei in irgendeiner Art und Weise der Europäischen Union helfen wird, wenn sie gleichzeitig dabei ist, im eigenen Land die Demokratie abzuschaffen! Und Sie wissen es, Sie wissen es so gut wie ich, dass Recep Erdogan eigentlich nur aus einer innenpolitischen Überlegung heraus den Friedensprozess mit der PKK unterbrochen und dann abgebrochen hat, weil er zunächst die Wahlen verloren hat und nicht die erforderliche Mehrheit zusammengebracht hat. Das wissen Sie! Und auf diese Art und Weise glauben Sie dann, dass man die Herausforderung der Flüchtlinge bewältigen kann? (GR Mag. Dietbert Kowarik: Herr Kollege, das müssen wir schon selber machen!) – Bitte! Das glauben Sie doch bestimmt nicht. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Das müssen wir schon selber machen!)

 

Der nächste Punkt, der drinnensteht: „Rasche Maßnahmen zur effektiven Sicherung der EU-Außengrenze bei gleichzeitiger Registrierung aller neu ankommenden Personen.“

 

Das ist leicht dahergesagt - mit einem einzigen Problem, das immer wieder kommt und auf das bislang noch niemand eine Antwort geben konnte, nämlich: Was bedeutet dieser Satz, so, wie er hier steht, für die Seegrenze? (StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Die Australier machen es! Die Amerikaner machen es! Die Kanadier machen es! Warum können wir es nicht machen?)

 

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