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Gemeinderat, 6. Sitzung vom 30.03.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 36 von 80

 

es in der Versorgung im medizinischen Bereich, sei es im Rahmen von Katastrophen im Zivilschutzbereich.

 

Diese entsprechenden Katastrophenübungen sind gar nicht so unwichtig, weil man glaubt gar nicht, wie wenig Beatmungsmöglichkeiten in den Großspitälern Österreichs für Kleinkinder und Säuglinge bestehen. Verschiedene Katastrophenübungen muss man wirklich einmal selber durchmachen, dass man merkt, es gibt fast keine Beatmungsgeräte für Säuglinge und Kleinkinder. Das ist eine kleine Problematik en passant, die man aber natürlich schon im Hinterkopf bewahren sollte.

 

Nun zum AKH: Natürlich freut es uns, dass das AKH an Stabilität, an Zukunftssicherheit gewonnen hat. Wir hätten uns das natürlich auch bei den KAV-Spitälern gewünscht, die, ich will nicht sagen, zerschlagen, aber wirklich völlig neu gruppiert werden, wo große monolithische Abteilungen zu einem Zeitpunkt als „Specialist Hospitals“ umgesetzt werden, geplant werden, wo eigentlich bekannt ist, dass das gar nicht billiger ist. Man geht zum Beispiel in den USA wieder den Weg zurück zum General Hospital, da der Apparate- und Adaptionsaufwand bei diesen spezialisierten Abteilungen und auch der finanzielle Aufwand so hoch sind, dass die kürzere Liegezeit das praktisch nicht kompensieren kann.

 

Aber grundsätzlich sind wir froh, dass das AKH jetzt stabil und zukunftsorientiert arbeiten kann. Es ergeben sich natürlich einige Frage bei einem Gesamtinvestitionsaufwand von 2,2 Milliarden EUR, was immerhin der Errichtung von zwei Großspitälern entspricht.

 

Eine der Fragen ist ein nicht österreichisches, sondern internationales Problem, wo sich aber Österreich noch um einiges bessern könnte, und zwar die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an anderes medizinisches Personal.

 

Hierzu muss man wissen, dass der Sinn der digitalen Patientenakte, die mit USA und Europa vor Jahren, ich glaube, es war 2004, bestimmt wurde, eigentlich die zu erwartende Reduktion der Ärzteanzahl war, damit man mit einer einheitlichen Dokumentation an die sogenannten Paramedics, an die nichtärztlichen Berufe, Tätigkeiten delegieren kann. Diesbezüglich hat Österreich eine leider nicht positive Sonderfunktion. Es ist in Österreich per Gesetz verfügt, dass ein Teil der Leistungsbuchhaltung, des Eintrags von medizinischen Einzelleistungen, von Verrechnungsparametern durch Ärzte durchgeführt werden muss. Das, sehr geehrte Frau Gesundheitsstadträtin, ist eigentlich in anderen Ländern nicht mehr so. Da gibt es schon seit längerer Zeit Codierassistenten oder „Medical Coder“ oder „Clinical Coder“. Auch Deutschland, das ein ähnliches Verrechnungssystem wie Österreich hat, hat schon Akademien für die medizinischen Codierassistenten aufgebaut. Diese Codierassistenten würden nicht nur diesen Verrechnungsaufwand, den man natürlich hat, sei es, dass man normal im Spital arbeitet oder, so wie ich, auch LKF-Verantwortlicher war, übernehmen, sondern zum Teil auch bei wissenschaftlichen Arbeiten hilfreich sein. Deshalb fordern wir nachhaltig, dass Sie sich über die Errichtung einer Akademie für Codierassistenten Gedanken machen. Denn wenn Sie Codierassistenten brauchen, dann müssten Sie überlegen, wann und wo Sie beginnen, eine Akademie zu errichten, und es dauert ungefähr mindestens vier Jahre, bis Sie eine Akademie für diesen zusätzlichen medizinischen Beruf haben.

 

Ich möchte Ihnen auch gerne einmal ganz kurz über die Auswirkung der Tätigkeit eines sogenannten LKF-Verantwortlichen, das ist derjenige, der mit den Verrechnungen zu tun hat, berichten. Da sich die Verrechnungen dauernd, jedes Jahr, ändern, ist man im Jahr mindestens zwei, drei Mal in einem anderen Bundesland, manchmal über einen Tag, manchmal über zwei Tage, auf einem Auffrischungskurs, damit man erfährt, welche Codierungen sich geändert haben, wo eine Deckelung stattfindet, welche Leistungen wegfallen. Dann passiert es durchaus, dass man rückwirkend in einem bestimmten Leistungsbereich ein ganzes Leistungsjahr rückrechnen muss. Das habe ich alles schon gemacht. Das ist keine Theorie. Das ist die Praxis. Das kostet einen Arzt, der für die LKF-Codierung zuständig ist, im Jahr ungefähr drei Wochen. Für die - unter Anführungszeichen - normalen Spitalsärzte und Spitalsärztinnen - ich will die Kolleginnen da nicht vergessen - ist der Aufwand in etwa 20 Minuten pro Tag. Das klingt nicht viel, aber im Laufe der Woche, vor allem bei den reduzierten Wochenarbeitszeiten, würde sich das spürbar auswirken. Deshalb muss ich leider wiederholen, Österreich ist ein kritikwürdiges Land bezüglich der Codierung von medizinischen Leistungen. Das hat nichts mit der Diagnostik zu tun. Das hat nichts mit der Therapie zu tun. Das ist eine rein buchhalterische Dokumentation, die eigentlich aus dem ärztlichen Bereich hinausgehört. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Der nächste Punkt zur Wochenstundenanwesenheit, das betrifft natürlich nicht nur das AKH, sondern auch andere vergleichbare Spitäler, ist die Möglichkeit des Opt-outs einerseits und der Rufbereitschaft andererseits. Es gibt bei der Rufbereitschaft viele Tricks, wie man dem Wochenlimit an Arbeitsstunden entgehen kann. Man kann zum Beispiel die Rufbereitschaft zu einer Anwesenheitsbereitschaft machen. Das sieht dann so aus, man hat ein Dienstzimmer direkt im Spital, die Tätigkeit, die man in diesem Dienstzimmer über die Nacht macht, wird an sich nur als Bereitschaftsdienst gerechnet, wird nicht zur Arbeitszeit addiert, lediglich die Tätigkeit, wenn man von diesem Dienstzimmer direkt zum Patienten gerufen wird, wird dann als Arbeitszeit gerechnet. Das ist natürlich eine sehr elegante Möglichkeit, die tatsächliche Wochenarbeitszeit problemlos um vier, fünf, sechs Stunden zu erhöhen, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Ich fürchte, das wird im AKH, das sich zu einem großen Teil schon zur Rufbereitschaft bereiterklärt hat beziehungsweise möglicherweise bereiterklären wird, auch stattfinden.

 

Wichtig ist auch Opt-out. Wenn man sich die EU-Arbeitszeitgesetzgebung ansieht, wird man überrascht sein, wie viele Ausnahmen dort bestehen. Die Ausnahmen sind eigentlich umfangreicher als die Definitionen der Arbeitszeitgesetzgebung. Nun kann ein öffentliches Spital sicher nicht ohne Weiteres mit dem Opt-out lieb

 

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