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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 107

 

11.17.50Die Frau Amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaft und Internationales hat sich gemäß § 16 der Geschäftsordnung zu einer Mitteilung betreffend „TTIP und CETA: Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die Daseinsvorsorge und die damit verbundenen Risiken“ zum Wort gemeldet. Ich erteile ihr das Wort, wobei ich bemerke, dass ihre Redezeit mit 40 Minuten begrenzt ist. Bitte schön.

 

11.18.04

Amtsf. StRin Mag. Renate Brauner|: Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Das Thema „TTIP und CETA: Auswirkungen von Freihandelsabkommen auf die Daseinsvorsorge“ ist eine sehr wichtige Diskussion, die wir auch schon oft geführt haben, letztens in unserem Gemeinderatsausschuss für Europa und Internationales. Auf den ersten Blick ist es ein Thema, wo man sich fragt, was es denn in einem Gemeinderat oder Landtag zu suchen hat, so wie wir generell feststellen können, dass Handelspolitik und Außenhandelsrecht üblicherweise nicht direkt im Fokus des öffentlichen Interesses stehen.

 

Bei CETA und TTIP ist das anders. Seit vielen Jahren gibt es darüber Verhandlungen, allerdings am Anfang ohne öffentliche Debatte. Erst seit zirka einem Jahr gibt es eine intensive Diskussion über Freihandelsabkommen und ihre Auswirkungen. Es ist eine Diskussion, die sich quer durch die gesamte Europäische Union zieht und die auch international Wellen schlägt. Sie wissen vielleicht, dass in Europa bereits zwei Millionen Menschen eine Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA unterzeichnet haben. ArbeitnehmerInnenverbände, Gewerkschaften, Kommunen, Interessenverbände der öffentlichen Wirtschaft, NGOs diskutieren alle sehr kritisch und werben für die Verhinderung dieses Abkommens.

 

Ich sagte zur Einleitung, viele werden sich fragen, was das denn eigentlich mit uns zu tun hat.

 

Ich darf Ihnen sagen, sehr geehrte Damen und Herren, dass es sehr starke Auswirkungen dieser Freihandelsabkommen auch vor Ort gibt, auf die Kommunen, auf die Bürger und Bürgerinnen, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die Konsumenten und Konsumentinnen und dass sie vor allem, wenn diese Abkommen einmal abgeschlossen sind, nicht mehr veränderbar sind. (Beifall von GR Mag. Wolfgang Jung.) - Wir sehen, wir haben das im Europaausschuss schon vordiskutiert und haben da in vielen Fragen auch gemeinsame Positionen, im Gegensatz zu vielen anderen Fragen.

 

Die Gefahren, die von diesen Handelsabkommen ausgehen, sind vielfältige und sehr ernst zu nehmen, bis hin zur Gefahr für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit - ich werde darauf noch eingehen -, Einschränkungen von Verbraucher- und Umweltstandards und, und damit bin ich im Herzen unserer Arbeit, liebe Kollegen und Kolleginnen, Aushöhlung der Daseinsvorsorge. Freihandelsabkommen haben Auswirkungen auf Schutzbestimmungen für Umwelt, Gesundheit, Lebensmittelsicherheit. Denn um was es geht, ist die Liberalisierung von öffentlichen Dienstleistungen, wie Abfallentsorgung, Abwasser, Öffis, Gesundheit und Bildung. Es ist zu befürchten, dass von solchen Handelsabkommen ein ganz starker Liberalisierungsdruck ausgeht. Zahlreiche Bereiche der Daseinsvorsorge müssten für marktliche Erbringung geöffnet werden. In wessen Interesse? Natürlich im Interesse privater Investoren.

 

CETA und TTIP sind sehr umfassende EU-Handelsabkommen. Man kann sie praktisch als Handelsabkommen einer neuen Generation bezeichnen, und sie gehen weit über schon existierende Handelsabkommen, Stichwort GATS, hinaus. Das sagt auch die Europäische Kommission selbst. Ich darf zitieren: „CETA stellt das umfassendste Handelsabkommen dar, das die EU bisher abgeschlossen hat.“ CETA zielt auf eine umfassende Beseitigung sogenannter nicht tarifärer Handelshemmnisse ab: Was bedeutet denn das? Die totale Liberalisierung, das Zurückdrängen von Schutzbestimmungen. Das ist das zentrale Ziel von CETA, die Liberalisierung des Handels und die Investitionstätigkeit sehr frei zu gestalten. Die weitreichende Zielsetzung von CETA und TTIP hat selbstverständlich Konsequenzen, die sich direkt auf uns in Europa, in Österreich und damit auch in Wien auswirken, wie wir unser Miteinander regeln. Wenn jemand behauptet, das wäre nicht so, sehr geehrte Damen und Herren, hat er sich entweder mit dieser Zielsetzung nicht auseinandergesetzt oder scheut sich, diese offen auszusprechen. Deswegen ist es eben so wichtig, dass wir hier diskutieren, dass wir uns an die Öffentlichkeit wenden.

 

Auch die Kapitel zur öffentlichen Beschaffung, zur Subvention, zu innerstaatlichen Regulierungen haben natürlich massive Auswirkungen, die für die Organisation, die Erbringung, die Finanzierung der Daseinsvorsorge ganz wichtig sind. Fragen wie In-House-Vergaben, interkommunale Kooperationen stehen hier auf der Tagesordnung. Denn Ausnahmen, sehr geehrte Damen und Herren, von diesen Liberalisierungszwängen sind sehr wenige und müssen explizit in eine Liste in diesen Vereinbarungen aufgenommen werden. Durch diese Negativliste - alles was nicht darin steht, muss liberalisiert werden - ist Liberalisierung Pflicht und umfasst alle Bereiche. Man muss extra Ausnahmen und Vorbehalte anbringen. Nur dann ist der Bereich geschützt und muss nicht liberalisiert werden. Diese Ausnahmen, sehr geehrte Damen und Herren, soweit man sie überhaupt kennt, denn auch das ist leider Tatsache, dass hier viele Diskussionen und Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, sind bisher sehr unvollständig. Viele Bereiche, wie Abwasser, Müllentsorgung, gemeinnütziger Wohnbau, sind nicht ausgenommen. Ausnahmen, sehr geehrten Damen und Herren, und auch das ist ein Spezifikum, können nur wegfallen, aber es können keine dazukommen. Jetzt frage ich Sie: Wie können wir wissen, was vielleicht in 20 Jahren schützenswert wäre? Wenn ich an das Stichwort digitale Demokratie, digitale Dienstleistungen, Computer und Telekommunikationsdienstleistungen denke, sind diese jetzt schon nicht geschützt. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt und können im Nachhinein keine zusätzlichen Schutzregelungen erreichen.

 

Verschärft, sehr geehrte Damen und Herren, wird dieses Spannungsverhältnis zur Daseinsvorsorge dadurch, dass CETA im Kapitel zum Investitionsschutz

 

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