«  1  »

 

Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 30 von 107

 

Es ist zweifelsfrei für uns alle hier, dass wir uns freuen, dass in der Welt in weiten Bereichen Freihandel existiert, insbesondere überall dort, wo ArbeitnehmerInnenstandards, Umweltstandards, et cetera eingehalten werden.

 

Vielleicht ganz kurz zu Beginn, es war für mich persönlich auch kein Wunder, dass die ÖVP bei dem wirklich hervorragenden Vortrag der VÖWG, wo Maude Barlow aus Kanada und viele andere eingeladen waren, die wirklich die unterschiedlichen Seiten der Handelsabkommen beleuchtet haben, natürlich nicht anwesend war. Aber Maude Barlow hat einiges aus den Erfahrungen mit der amerikanischen Seite, NAFTA, Mexiko, Kanada, USA, und der Auswirkungen dieses Handels- und Investitionsschutzabkommens dargelegt. Das hat in gewisser Hinsicht, zumindest seitens der USA und Kanada, auch Vorbildwirkung für CETA und in Folge auch für TTIP gehabt. Die versprochenen Arbeitsplätze wurden überhaupt nicht geschaffen. Ganz im Gegenteil, es ist dasselbe passiert, was auch in Europa gang und gäbe ist. Wir gehen nur in Summe anders damit um. Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Slowakei, früher Tschechien - dort steigt das Lohnniveau langsam -, das ist in NAFTA Mexiko. Unglaublich viele wenig und gering qualifizierte Arbeitsplätze sind nach Mexiko abgewandert, mit deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen, mit deutlich geringeren ArbeitnehmerInnenstandards, deutlich geringeren Umweltstandards, und in Kanada ging eine Vielzahl an Arbeitsplätzen verloren.

 

Zweiter Punkt, was ganz interessant ist, weil Sie über die Schiedsgerichte reden: Es wird jetzt bei TTIP verhandelt, dass die Form der Schiedsgerichte, die bislang so kritisiert wurde, anders formuliert, auch anders aufgebaut wird, was aber nichts daran ändert, dass Österreich, Deutschland, eigentlich die gesamte Europäische Union, die Rechtsstaatlichkeit zu einem Prinzip gemacht haben, wo man sich auch auf die Rechtsstaatlichkeit verlassen kann. Es gibt keinen Grund, dieser Rechtsstaatlichkeit, die in Europa gegeben ist, irgendeine andere Form von Gerichtsbarkeit voranzustellen. Ich habe noch nicht erlebt, egal, woher jemand in Österreich gekommen ist, sei es als juristische Person oder als Einzelperson, dass auf Grund der Nationalität jemand nicht zu seinem Recht gekommen ist. Das gibt es in Österreich nicht. Das gibt es hoffentlich auch auf europäischer Ebene im Großteil nicht. Das heißt, diese Form der Schiedsgerichte braucht man nicht.

 

Aber es wurde von Gleichberechtigung geredet. Wer ist denn bei NAFTA und bei ähnlichen Verfahren verurteilt worden? Kanada, mittlerweile zu mehreren Hundert Millionen Euro. Wie oft ist denn die USA bisher bei Schiedsgerichtsverfahren verurteilt worden? Wissen Sie es, Herr Blümel? Kein einziges Mal! Sie haben es als Beispiel gebracht, oder ich weiß nicht, ob es der Kollege Wiederkehr war, der von den unterschiedlichen Rechtssystemen in den USA gesprochen hat. Natürlich gibt es diese. Sie haben vollkommen recht. Aber die internationalen Schiedsgerichte ändern überhaupt nichts daran. Sie ändern etwas daran, dass Länder, oftmals aus Afrika, auch in Asien, auch in Europa und auch in Kanada verurteilt werden und hunderte Millionen an private Investoren zahlen müssen. Sie ändern nichts daran, dass die USA in dieser Situation im Großen und Ganzen machen, was sie wollen.

 

In diesem Fall heißt es, das ist dann relativ klar, und es ist mir wichtig, dieses Investitionsaufkommen zu beurteilen, es stellt sich natürlich in die Tradition der GATS-Verhandlungen. Es stellt sich noch viel mehr in die Tradition von MAI, Multilateral Agreement on Investment, was lange Zeit verhandelt und glücklicherweise verhindert wurde. Aber genau diese Punkte, die damals die Knackpunkte der Verhandlungen waren, tauchen jetzt in CETA und in TTIP de facto eins zu eins wieder auf. Bei TTIP wird noch verhandelt, aber CETA ist de facto fertig, und wir können uns nicht sehr viel wünschen. Wir würden uns wünschen, es wird nachverhandelt und es wird verändert. Nein, es liegt das Papier jetzt so vor, wie es vorliegt. Entweder schlucken wir dieses Papier oder wir schlucken gar kein Papier, oder man sagt ganz bewusst, auch auf europäischer Ebene, und da braucht es aber den Druck der Kommunen, da braucht es den Druck der Städte, da braucht es auch den Druck der Nationalstaaten, es wird wieder aufgemacht. Das ist aber die Voraussetzung dafür, dass wir tatsächlich weiterverhandeln können.

 

Wenn dies nicht passiert, dann heißt ein Ja zu CETA ein Nein zu ArbeitnehmerInnenschutzrechten, ein Nein zu Umweltrechten und ein großes Tor zu Liberalisierungs- und Privatisierungsmöglichkeit aufzumachen. Ich gebe Ihnen recht, es steht im CETA nicht, man muss etwas privatisieren. Das steht auch nicht darin. Aber da spricht hoffentlich die Erfahrung, das wissen Sie alle, es gibt immer wieder Phasen bei nationalstaatlichen Regierungen, auch bei kommunalen Regierungen, die sich einbilden, sie liberalisieren den einen oder anderen Bereich, bis hin, sie privatisieren den einen oder anderen Bereich.

 

Was macht CETA? CETA schreibt zumindest in allen Bereichen, die nicht explizit ausgenommen sind, eine Liberalisierung vor, mit zwei Effekten, die noch dazukommen, dem sogenannten „Stand still“-Effekt, das heißt, alles, was zum Zeitpunkt der Ratifizierung liberalisiert ist, muss liberalisiert bleiben, und dem sogenannten „Ratchet“-Effekt der bedeutet, selbst Liberalisierungsbestrebungen, die nicht mit dem Abkommen in Zusammenhang stehen, müssen, wenn sie einmal eingeführt sind, ebenfalls bleiben und können nicht zurückgenommen werden. Auf dieser Basis findet sich leicht im Laufe der kommenden 10, 15, 20 Jahre überall in Europa eine Regierung, die Sachen liberalisiert, privatisiert. Wenn man dann aber, so wie in London oder in Paris, draufkommt, dass die Trinkwasserliberalisierung ein schwerer Fehler war, kann man zumindest auf Basis der dann bestehenden zwischenstaatlichen Abkommen diese Sachen nicht mehr zurücknehmen.

 

Aus diesem Grund sind Abkommen wie CETA, TTIP auf Grund der Irreversibilität zutiefst gefährlich. Es hat nichts damit zu tun, das will ich wirklich einmal betonen, dass es um Europa gegen die USA oder Kanada gegen Europa geht, sondern im Endeffekt geht es darum, dass

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular