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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 107

 

der Energiewirtschaft Vattenfall gegen Deutschland; und Verfahren, wie Bilcon eines gegen Canada geführt hat. Bei allen diesen Klagen wurde überprüft, ob es nach dem neuen System möglich ist oder nicht, und überall ist man draufgekommen, dass diese Klagen nach der neuen Schiedsgerichtsbarkeit genauso möglich gewesen wären. Und der Ausgang wäre auch fatal gewesen.

 

1995 wurden lediglich drei Fälle von Klagen bekannt. Wissen Sie, wie viele 2016 weltweit schon eingereicht worden sind? An die 700! Und dramatisch entwickeln sich auch die Schadensersatzsummen: In einem Fall wurde ein Staat zu einer Entschädigung in Höhe von 50 Milliarden Dollar verurteilt!

 

Große Konzerne und reiche Privatpersonen haben mit Abstand am meisten kassiert. Kein Wunder: Wenn eine Klage mindestens 6 bis 8 Millionen Dollar kostet, dann fragt man sich, ob kleine Kommunen oder Gemeinden sich so einer Klage eines Großkonzerns überhaupt entgegenstellen können.

 

Für diejenigen, die etwas anderes glauben - und leider habe ich hier auch diese Aussagen gehört -: Wir warnen davor, dass CETA eine Blaupause für TTIP ist! Viele glauben es leider auch in Europa, Politikerinnen und Politiker, die uns ja auch nahestehen, wenn sie sagen: Im Gegenteil, diese Änderung im Schiedsgerichtssystem ist ja unsere Chance, weil es eben eine Blaupause ist, und deswegen werden wir sozusagen bei TTIP auch dieses neue Schiedsgerichtsbarkeitssystem einführen. Aber da setzen wir uns wirklich vom Regen in die Traufe, meine Damen und Herren! Denn anscheinend - und das ist ein Satz, der mir sehr gefallen hat - ist dieses neue ICS-System als ein von den Toten auferstandenes Investor-State-Klagerecht ISDS noch einmal zustande gekommen.

 

Ich will als Politiker und als Kommune nicht meinen Gestaltungsraum einschränken lassen. Untersuchungen dieser neuen Investorgerichte zeigen das: Sie verhindern nicht, das Recht zu regulieren, und sie verhindern auch keine Attacken auf Umwelt- und Gesundheitsregulationen. Ich will es mir nicht verbieten lassen, Gesetze und Verordnungen zu erlassen, die der Verbesserung der Umwelt, der Gesundheit, der sozialen Rechte, des Einkommens und der Lebensmittelstandards dienen.

 

Wir möchten weiterhin den Weg von Wien als Vorbild im sozialen Wohnbau unterstreichen, der leider auch nicht erwähnt worden ist. Ich will, dass in Wien weiterhin 62 Prozent aller Wienerinnen und Wiener im kommunalen Wohnbau oder im geförderten Wohnbau leben. Ich will, dass es die gemeinnützigen Genossenschaften weiterhin gibt. Unser System funktioniert, weil wir eine soziale Durchmischung haben und weil wir auch den Zugang für eine breite Bevölkerung zulassen. Ich will nicht, dass der soziale Wohnbau nur den ganz, ganz Armen zur Verfügung steht und der Zugang für den Rest nicht gegeben wird.

 

Meine Damen und Herren! Die Städte und Kommunen leisten bereits viel Widerstand gegen die Gefahren, die die Verschlechterungen wirtschaftlicher, sozialer, Umwelt- und demokratischer Rechtestandards bedeuten. 1.500 Kommunen aus ganz Europa haben ein Zeichen gesetzt und sich als TTIP-freie Zone erklärt. Am 21. April, heute vor einer Woche, habe ich Bgm Häupl in Barcelona vertreten. 40 Bürgermeisterinnen, Bürgermeister und Vertreter der Kommunen haben die sogenannte Barcelona-Deklaration unterzeichnet. Ich habe sie auch mit für diejenigen, die es interessiert, dies einmal zu lesen.

 

Kritisiert wurde vor allem die Intransparenz der besagten Handelsabkommen, die zum Teil hinter verschlossenen Türen verhandelt wurden. TTIP, CETA und TiSA seien ein massiver Angriff auf VerbraucherInnenrechte, den Umweltschutz, Arbeitsvergaberechte, die Daseinsvorsorge sowie den Sozialstaat.

 

Auch das Vergaberecht wird heute leider viel zu wenig in die Diskussion eingebracht. Ich will es mir nicht nehmen lassen, als ArbeitnehmerInnenvertreter, als gesetzgebende Versammlung die Vergaberechte so zu gestalten, dass zum Beispiel Frauenquote, Ausbildung von Lehrlingen, Förderung der Kleinunternehmen, Anti-Lohndumpinggesetze in diese Vergaberechte einzubringen sind. Wenn diese Vergaberechte dadurch ausgehöhlt werden, ist dies wieder ein Beispiel dafür, wie hier unsere Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt werden.

 

Meine Damen und Herren! In dieser Deklaration wird auch gesagt, dass sich Europa an einer Weggabelung befindet. Man muss sich klar zu seinen Werten bekennen. Dazu gehören Solidarität, Respekt, Freiheit und Unabhängigkeit. Wachstum darf nicht das oberste Ziel sein, erst recht nicht um jeden Preis! Unser Hauptaugenmerk sollte gerade in Zeiten wie diesen darauf liegen, die soziale und ökonomische Umwelt unter Bedachtnahme auf unsere geltenden Arbeitsrechte zu stärken.

 

Darin wird unter anderem gefordert, alle Verhandlungen zu TTIP zu suspendieren. Daran liegt es ja, meine Damen und Herren, sie nur unter Einbindung der Städte und der Öffentlichkeit transparent zu führen, denn die sind diejenigen, die auch am meisten unter diesem Abkommen leiden. Auch das CETA-Abkommen muss gestoppt werden und darf nicht unterschrieben werden!

 

Diese Abkommen greifen in grundlegende und essenzielle Bereiche ein - ich wiederhole es, weil es wichtig ist: Wohnen, Gesundheit, Bildung, Lebensmittelversorgung, lokale Ökonomien - und führen sogar dazu, dass politische Entscheidungsträgerinnen und -träger im Bedarfsfall massiv eingeschränkt werden.

 

Um es auf den Punkt zu bringen - Kollege Nepp hat es ja auch gesagt -: Alles, wofür unsere Eltern und die früheren Generationen gekämpft haben, ist in Gefahr, meine Damen und Herren! Wenn man so will, sind das unsere Werte. Herr Blümel - Sie gehen jetzt gerade -, Sie sind derjenige, der dauernd von unseren Werten redet! Ich will Ihnen damit sagen: CETA und TTIP gefährden unsere Werte (GR Mag. Wolfgang Jung: ... schreien CETA und Mordio!) viel mehr als die Flüchtlinge, die nach Österreich gekommen sind. Vielleicht hätten Sie und Ihre Fraktion auch einmal Werteschulungen zu absolvieren! Vielleicht können Sie mit Ihrem Freund Sebastian Kurz reden, der Ihnen diese Werteschulungen vielleicht auch einmal mitteilt. (StR Mag. Gernot Blümel, MBA: Da applaudieren nicht einmal die Eigenen!)

 

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