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Gemeinderat, 8. Sitzung vom 29.04.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 37 von 107

 

Das heißt, dieses Beispiel mit dem Hormonfleisch aus Kanada funktioniert so nicht, weil es das hier nicht gibt. Ich glaube, manche von Ihnen werden wahrscheinlich schon hin und wieder ein amerikanisches Steak gegessen haben, ein amerikanisches Steak, das nicht aus Hormonfleisch stammt.

 

Jetzt zum Thema der Daseinsvorsorge: Lassen Sie mich kurz zum Thema der Daseinsvorsorge noch etwas sagen. Die Frau Stadträtin hat über die Aushöhlung der Daseinsvorsorge gesprochen. Ja, auch für uns ist das Thema der Daseinsvorsorge ein wirklich wichtiger Aspekt. Auch wir wollen nicht, dass diese Dinge komplett privatisiert werden, überhaupt nicht!

 

Auch die Privatisierungen von öffentlichen Dienstleistungen sind im Vertrag von Lissabon festgelegt, und wenn von den einzelnen Mitgliedstaaten gewollt, durch die nationalen Regierungen selbst beschlossen und keinesfalls durch Freihandelsabkommen festgelegt. Auch für TTIP ist laut EU-Kommission und ihrem Verhandlungsmandat eine solche Privatisierung ausgeschlossen. Darüber hinaus - auch das ist ein wichtiger Aspekt - ist auch für die Vergabe von Leistungen der Daseinsvorsorge das österreichische Bundesvergabegesetz anzuwenden, das letztendlich auch die Interessen der österreichischen Bevölkerung im Auge hat und ausreichend schützt.

 

Aber noch einmal zum Thema Daseinsvorsorge: Das ist ein sehr, sehr schwammiger Begriff. Was verstehen Sie darunter? Was ist letztendlich die Daseinsvorsorge, von der wir heute sprechen, vielleicht gegenüber einer Daseinsvorsorge, von der wir in Zukunft sprechen? Nehmen wir nur ein Beispiel des Energiesystems in Wien her: Ich glaube, dass sich Energieunternehmen in Europa massiv verändert haben, aus den verschiedensten Gründen, und dass wir plötzlich vor der Frage stehen: Na ja, wer betreibt in welchem Umfang ein solches Energieunternehmen? Wer hat die Lizenz dazu?

 

Wir haben ja auch jetzt die Situation, dass wir Bürger-Solarkraftwerke haben, also eine brutale Privatisierung: BürgerInnen-Solarkraftwerke. Ich denke, wir werden in vielen Bereichen auch gar nicht wissen, in welche Richtung sich die Themen entsprechend entwickeln werden. Daher ist aber eines wichtig: Dass die Politik darauf schaut, dass die Spielregeln auch tatsächlich eingehalten werden.

 

Denn oftmals ist die Diskussion über Privat oder Kommune oder Staat viel zu kurz gegriffen. Es ist ja die Frage: Ich kann auch als Kommune eine Lizenz an einen Privaten vergeben, um eine gewisse Dienstleistung im Sinne der Kommune entsprechend auszuführen. (GR Mag. Wolfgang Jung: Aber ich kann das wieder rückgängig machen!) Das machen auch die Wiener Linien, indem sie ein paar ihrer Linien oder Verträge an Dr. Richard oder andere Unternehmen übergeben. Das heißt, diese Schwarz-Weiß-Diskussion greift ja in der Realität viel zu kurz. Darüber muss man letztendlich auch immer wieder sprechen.

 

Für mich ist ein wichtiger Aspekt, dass wir letztendlich kritisch auf solche Vertragswerke schauen, das ist überhaupt keine Frage. Für mich ist ein wichtiger Aspekt, dass wir wirklich die Transparenz einfordern, dass es auch sichergestellt ist - so wie ich es zuerst gesagt habe -, dass die Umweltstandards, dass die Arbeitsstandards, dass die Sozialstandards entsprechend eingehalten werden und dass diese auch entsprechend durchsetzbar sind. Deswegen werden wir hierzu einen entsprechenden Antrag einbringen, dass das auch sichergestellt ist.

 

Natürlich sollen zum Beispiel Themen wie auch die Kultur aus TTIP ausgenommen werden. Auch das halten wir für einen wesentlichen Aspekt. Sie haben von Positiv-Negativ-Listen gesprochen. Ich denke, dass gewisse Themenbereiche insgesamt behandelt und diskutiert werden können: Was wollen wir tatsächlich nicht? Aber Positiv-Negativ-Listen im Kontext einer Daseinsvorsorge, wo dieser Begriff so extrem schwammig ist, da weiß ich nicht, was Sie alles hineinschreiben wollen oder was Sie nicht hineinschreiben wollen.

 

Ich halte es für wichtig, dass die Stadt sich ganz klar bekennt: Was ist ihre öffentliche Aufgabe? Was ist kommunale Aufgabe? (GR Mag. Wolfgang Jung: Auch die ändern sich! Aber das ist dann nicht mehr veränderbar! Das ist das Problem!) Und dass wir darauf schauen, dass die Spielregeln, die Gesetze, die Standards auch entsprechend eingehalten werden. Ich halte das für einen der wichtigsten Aspekte.

 

Nur am Beispiel des Gesundheitswesens: Hier zu sagen, dass jetzt im Sinne der Daseinsvorsorge alles so wunderbar läuft und funktioniert, das ist ein bisschen hanebüchen. Denn sehr viele Menschen in diesem Gesundheitssystem in Wien sind extrem verunsichert, und das, wo wir darüber sprechen, dass Arbeits-, Sicherheits- und Sozialstandards eingehalten werden! Also ich kenne sehr viele Beteiligte im Gesundheitssystem, die hier eigentlich ganz anders darüber sprechen wollten.

 

Das heißt, halten wir lieber die Gesetze, die wir selber aufgestellt haben, auch entsprechend ein! Und kontrollieren wir diese in einer Form, wie es für eine Stadt wie Wien auch entsprechend notwendig ist.

 

Letztendlich noch ein Punkt, den ich auch immer wieder anspreche: Auch Sie diskutieren und setzen verschiedene Public Private Partnerships um, also auch Modelle, wo Private und die Kommune zusammenarbeiten. Wie auch immer gesagt: Da gibt es viele Varianten, weil sich letztendlich auch die Zeit und die Kooperationen verändern werden.

 

Ich halte es für wichtig, dass wir wissen, wozu wir uns ganz klar bekennen, dass wir aber nicht Ängste schüren. Denn eine Anti-TTIP-Haltung in der Form, wie wir sie jetzt erleben, in einer undifferenzierten Kritik über alles, wo letztendlich auch jedes Freihandelsabkommen geopfert wird, ist letztendlich auch etwas, das zu einer Anti-EU-Haltung führt. Das ist etwas, was wir nicht wollen, denn diese Werte, die wir hier geschaffen haben, wollen wir auch entsprechend aufrechterhalten.

 

Meine Damen und Herren! Nur Ängste schüren, ist wirklich zu wenig. TTIP und auch CETA muss man kritisch, aber konstruktiv begegnen, und die Welt muss letztendlich offen bleiben. Danke schön. (Beifall bei den NEOS.)

 

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