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Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 56 von 121

 

Ich melde mich jetzt noch einmal zu Wort, weil wir von NEOS auch Worte verlieren möchten zu Europa, zum Thema Brexit.

 

Ja, es war tatsächlich so, dass hier vermehrt die Älteren für einen Ausstieg gestimmt haben und vermehrt die Jüngeren dafür plädiert haben, in der EU zu bleiben. (GR Maximilian Krauss: Viele waren gar nicht wählen!) - Das ist richtig, viele waren nicht wählen; das ist ein Thema. Aber bei denen, die wählen gingen, Herr Krauss, ist es so gewesen, dass zwei Drittel der Jungen für den Verbleib gestimmt haben, zwei Drittel der Älteren dafür, auszutreten. Ich habe am Samstag am Vormittag Videos gesehen von Schülerinnen, Studenten, die interviewt wurden und geweint haben und gesagt haben: „Ich bin erschöpft, ich bin frustriert, ihr raubt uns die Zukunft!“ - Und das hat mich wirklich getroffen.

 

Es hat mich wirklich getroffen, weil die Frage, wer mit dieser Entscheidung tatsächlich zu leben hat, schon von Relevanz ist. Das ist jetzt kein Plädoyer gegen Referenden - ich glaube, dass es richtig und wichtig ist, sich in solchen Fragen auch Referenden zu stellen -, aber es ist ein Plädoyer dafür, dass man sehr behutsam mit so einem Instrument umgeht und es nicht aus parteipolitischem oder parteitaktischem Kalkül einsetzt, so wie es der Premierminister gemacht hat. (Beifall bei den NEOS.) Dazu ist nämlich die Zukunft dieses Kontinents zu wertvoll und sind die Chancen der Jungen auf diesem gemeinsamen Kontinent zu wertvoll.

 

Einen anderen Punkt möchte ich auch noch ansprechen. Es ist geschrieben worden davon - das betrifft jetzt nicht nur die Frage des Brexit, sondern ich glaube, tagtäglich können wir das auch hier in den Debatten sehen -, dass wir in einer Art Postfaktendemokratie leben. Ja, das mag sein. Es mag wirklich sein, dass es eigentlich sehr schwer ist, einer Politik der Emotionen Fakten und Sachlichkeit entgegenzusetzen. (GR Mag. Dietbert Kowarik: „Der Wähler ist zu dumm“!) Und da muss ich schon in Richtung auch der Rechtspopulisten hier in unserem Haus schauen: Sie setzen die Europäische Union ein, wann immer es Ihnen passt, wenn es darum geht, Ängste der Menschen abzuholen, Wut abzuholen, Sorgen, was die Zukunft angeht, zu schüren. Sie setzen sie ein, wenn Sie sich aufregen über Überbürokratisierung, Gängelung, den Verlust von Autonomie und Souveränität. - Das sind durchaus Punkte, die ich unterstreichen kann. Ich möchte dann später nochmals darauf zu sprechen kommen.

 

Sie setzen sie aber im gleichen Ausmaß ein, wenn es darum geht, protektionistisch zu argumentieren. Die Freiheitliche Partei Österreichs ist die einzige Partei, die das Paradoxon schafft, in einem Satz von Freiheit zu sprechen und gleichzeitig protektionistisch daherzukommen. Ich glaube, Sie sollten sich das wirklich überlegen und das nicht nur beliebig machen, je nachdem, welche Emotion Sie abholen wollen.

 

Ich möchte das deshalb sagen, weil es mir wirklich wichtig ist, dass wir - und es wurde angesprochen - gemeinsam ein Plädoyer für das vereinte Europa halten. Ich halte kein Plädoyer für Institutionen - es mag sogar sein, dass wir es noch erleben werden, dass es an den Jungen, übrigens, liegt, dieses Europa neu zu gründen -, aber ich möchte ein Plädoyer halten für die Idee des vereinten Europas. Es wurde angesprochen als Friedens- und als Wohlstandsprojekt - und es ist nicht nur das -, denn beide Werte sind höchst fragil, das haben wir gesehen. Wohlstand ist sehr fragil und Frieden ist sehr fragil. Aber es geht um noch etwas anderes, und auch das wurde erwähnt (GR Mag. Dietbert Kowarik: Die Realität zu erkennen!), nämlich um die Frage: Was hält uns eigentlich zusammen, neben diesem Streben, das sehr wichtig war nach 1945, diesen Kontinent, der in Schutt und Asche lag auf Grund der völligen Überhöhung des Nationalismus auf Basis einer Blut-und-Boden- und sonst irgendwas, rassischen, völkischen Ideologie, wieder neu zu errichten auf dem Boden des Friedens, mit der Idee des Friedens und des Wohlstandes? (GR Mag. Dietbert Kowarik: Es geht darum, die Realität zu erkennen, die Zeichen der Zeit …)

 

Was uns auch zusammenhält, sind gemeinsame Werte, und das sind Werte der Aufklärung. Und da gehe ich auch in Richtung der Freiheitlichen: Sie sind die Ersten, die diese Werte verteidigen wollen gegen Islamisierung, gegen den undefinierten Feind oder definierten Feind von da draußen. Diese Werte, die den Boden, die Wertebasis dieses vereinten Europas ausmachen, die Aufklärung, die Menschenrechte - wenn Sie es wollten und zuließen, dann würden Sie selbstbewusst sitzen und sagen: Ja, natürlich, das sind unsere gemeinsamen Werte! - Die Menschenrechte sind vielleicht der größte Exportschlager, den Europa jemals hervorgebracht hat. (GR Mag. Dietbert Kowarik: Stellen Sie sich einmal der Realität der Europäischen Union! - … Plattitüden!) Aber anstatt dass Sie stolz sind und dass Sie mit einem Selbstbewusstsein auftreten und sagen, ja, das verbindet uns, das hält uns zusammen, das ist die gemeinsame Wertebasis dieses Kontinents (GR Armin Blind: Die Menschenrechte sind aber schon … des Europarats!), gehen Sie her und zerstören das, und zwar mit einer Beliebigkeit, die ich unerträglich finde (GR Mag. Dietbert Kowarik: Das macht die EU schon selber!), je nachdem, wo es Ihnen gerade passt. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN. - GR Armin Blind: … Sie einmal den Unterschied zwischen EU und Europarat!)

 

Ich möchte jetzt aber auch meine Kritik an den klatschenden Linken anbringen, denn Sie haben auch heute hier das Kunststück zusammengebracht - der Herr Florianschütz nicht, das war eine tolle Rede, das kann ich alles unterstreichen, aber ich glaube, die Frau Kollegin von den GRÜNEN war das -, sozusagen auf der einen Seite von diesem tollen Projekt Europas zu sprechen und dann gleichzeitig wieder mit „die EU“ und CETA und TTIP zu argumentieren.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was Sie hier in vielen, vielen Diskussionen gemacht haben - und ich stelle mich jetzt nicht hierher und werde nicht sozusagen ein glühendes Plädoyer für TTIP halten, nein, denn natürlich gibt es da Probleme und viele Fragezeichen -: Sie verwenden ein Thema, um parteipolitisches Kleingeld zu schlagen. (Zwischenrufe bei GRÜNEN und SPÖ.) Ihre Chlorhühner sind die Blutschokolade des

 

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