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Gemeinderat, 12. Sitzung vom 29.09.2016, Wörtliches Protokoll  -  Seite 82 von 98

 

Aufklärung, und das ist ein Fall für die Justiz. Es wäre für mich jetzt auch kein Thema, deswegen jetzt einem Misstrauensantrag, wegen eines „Kronen Zeitung“-Artikels, zuzustimmen. (Zwischenruf von GR Mag. Manfred Juraczka.) Seien Sie mir nicht böse, das ist nicht mein Stil! Das ist vielleicht auch der Stil der ÖVP, aber definitiv nicht mein Stil.

 

Jetzt komme ich aber zur Frage Vertrauen oder Misstrauen, und das ist der Bereich der Gesundheitspolitik. Das haben wir heute in der Aktuellen Stunde deutlich zum Ausdruck gebracht, in einer Situation, in der Ärztinnen, Ärzte, Pflegerinnen, Pfleger, Patientinnen und Patienten verunsichert sind, vielleicht durchaus auch durch Kampagnisierungen, aber jedenfalls ein Klima geschaffen wurde, und das ist Ihre Verantwortung, in dem eigentlich so gut wie keine Lösung mehr in Sicht ist, haben wir kein Vertrauen darin, dass sich die Gesundheitspolitik unter Ihrer Führung gut entwickeln wird. Daher unterstützen wir diesen Misstrauensantrag. - Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS und von GR Dominik Nepp.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist auf meiner Rednerliste Herr GR Dr. Aigner. Ich erteile ihm das Wort.

 

17.44.16

GR Dr. Wolfgang Aigner (FPÖ)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

 

Zum Misstrauensantrag: Es ist natürlich ein politisches Instrument, aber wenn Sie mir gestatten, eine Analogie zum Sport: Es kommt immer wieder vor, dass auch Trainer von sich aus das Handtuch werfen, weil sie sagen, ich erreiche meine Mannschaft nicht mehr. Frau StRin Wehsely, ich schätze persönlich durchaus, dass Sie eine engagierte, profunde Politikerin sind, aber ich glaube, ohne dass man das jetzt durch eine parteipolitische Brille sieht, man muss feststellen, dass Sie weite Bereiche Ihrer Mannschaft schlichtweg nicht mehr erreichen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

 

Das sollte einem dann doch auch ein bisschen Anlass zum Nachdenken geben. Das heißt ja nicht, dass man sich aus der Politik zurückziehen soll, es gibt ja oft auch Revirements. Aber ich denke mir, wenn man als verantwortliche Stadträtin zu den eigenen Ärzten, und die sind nun mal das Rückgrat unserer Gesundheitsversorgung, noch dazu unter einem der SPÖ nahestehenden Ärztekammerpräsidenten - da fällt ja auch das parteipolitische Argument weg -, keinen Draht mehr findet, dann ist man in einer Situation, in der man vielleicht besser - auch für die eigene Karriere - daran täte, wenn man sagt: Ich wechsle vielleicht das Ressort, es gibt auch andere Möglichkeiten. Ich glaube, das Wiener Gesundheitssystem ist einfach zu wichtig, um zu einer Spielwiese der Eitelkeiten zu verkommen, wo es einfach darum geht, wer den längeren Atem hat. Irgendwann geht buchstäblich unseren Patienten der Atem aus, wenn die Spitäler nicht mehr so funktionieren, wie sie funktionieren sollen. Es haben sich die Zeiten schlichtweg geändert. Früher musste man intervenieren, damit man einen Turnusplatz, einen Facharztausbildungsplatz bekommen hat, jetzt muss die Stadt als Arbeitgeber attraktiv sein, damit wir überhaupt noch Ärzte bekommen. Es ist nicht mehr so wie früher, weder im stationären Bereich noch im Bereich der Krankenkassen. Man braucht nur daran zu denken, was das früher für eine Interventionitis war, um einen Kassenvertrag zu bekommen, und heute sagen viele Ärzte: Ich brauche den Kassenvertrag nicht, ich mache mich auf dem freien Markt selbstständig, und die Menschen kommen, weil sie kommen müssen, da offenkundig das öffentlich finanzierte Gesundheitssystem nicht mehr in dieser Weise funktioniert.

 

Nehmen Sie vielleicht die Debatte abseits aller Parteipolitik auch zum Anlass, in sich zu gehen und sich die Frage zu stellen, ob Sie wirklich die Richtige sind, um diese gigantischen Herausforderungen zu meistern, vor denen wir nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer wachsenden Stadt stehen. Das ist ja auch etwas, das man eigentlich schon mal hinterfragen muss. Einerseits ist es so toll, dass wir ja bald zwei oder noch mehr Millionen Einwohner haben, andererseits wird im Gesundheitssystem sukzessive in allen Bereichen heruntergefahren. Das heißt jetzt nicht, dass man sich sinnvollen Strukturreformen verweigert, die muss man natürlich auch machen und die sind auch oft nicht ganz friktionsfrei zu bekommen, aber klar ist, wenn hunderttausende Menschen, die noch nie etwas eingezahlt haben und vielleicht auch viele Jahre nichts einzahlen können, zusätzlich ins System kommen, dann kann man dieser Herausforderung nicht damit begegnen, dass man die Dinge herunterfährt. Ich glaube, das ist eine Milchmädchenrechnung, die sich, glaube ich, jeder selbst auch beantworten kann.

 

Im Bereich des Sozialsystems, Frau Kollegin Hebein, möchte ich Ihnen sagen, es geht überhaupt nicht darum, das Sozialsystem herunterzufahren. Alle diejenigen, die vor den Fehlentwicklungen, jetzt am Beispiel der Mindestsicherung, warnen und das aufzeigen, wollen das Sozialsystem nicht herunterfahren, sondern sie wollen es retten. Ich darf Ihnen als jemand, der sich jahrzehntelang mit dem Sozialversicherungsrecht und dem Sozialrecht überhaupt beschäftigt hat, sagen, ein Sozialsystem, das offen in alle Richtungen ist und nicht auf die Finanzierung achtet, kann schlichtweg nicht funktionieren. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Die Sozialversicherung beruht auf einer Solidargemeinschaft, sie beruht auf Einzahlungen und Auszahlungen, und das Wesen einer sozialen Versicherung besteht eben darin, dass es keinen direkten Konnex zwischen meiner Einzahlung und dem gibt, was ich herausbekomme - das ist in der Privatversicherung so -, aber es muss grundsätzlich einen Zusammenhang zwischen jenen geben, die in das System einzahlen und denen, die etwas herausnehmen. Und genau diese Willkommenskultur, die sozusagen suggeriert, wir können die sozialen Probleme der halben Welt lösen, führt dazu, dass unser System kippen wird. Vor dem stehen wir, egal, ob es auf Beiträgen oder auf Steuern beruht. Da muss ich der Frau StRin Wehsely schon auch den Vorwurf machen, dass sie auch diesen Zusammenhang der Mindestsicherung überhaupt nicht wahrhaben möchte. Woher kommt die Mindestsicherung? Das ist die Nachfolgeleistung der steuerfinanzierten Sozialhilfe. Und die Sozialhilfe war in erster Linie immer von Sachleistungen und nur subsidiär von Geldleistungen geprägt.

 

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