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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 72 von 125

 

noch bevor der Fachbeirat seine Zustimmung gegeben hat - denn auch der war überrascht -, die UNESCO gesagt hat, dass diese Variante noch immer nicht ihren Kriterien entspricht. Das heißt, dieser Nachdenkpause fehlt etwas, nämlich genau diese Kompromisslösung, die schon wichtig gewesen wäre zu machen.

 

Aber in Wirklichkeit ist das Thema Heumarkt ein Symptom. Ein Symptom dafür, dass es aus unserer Sicht in der Wiener Planungspolitik drei Hauptpunkte gibt, die seit Jahrzehnten fehlen und die dazu geführt haben, dass wir diese Diskussion jetzt führen. Das eine ist, es gibt keine ausreichend klare und verbindliche überörtliche Planung. Das heißt, es gibt keine klaren Spielregeln. Damit gibt es auch keine Sicherheit für Investoren, das macht die Situation etwas schwierig und dadurch wird sie ein bisschen beliebig. Das ist etwas, wo wir auch klare Spielregeln fordern.

 

Außerdem hat Wien noch immer keine sehr ausgeprägte Partizipationskultur. In manchen Bereichen sehr wohl, auch in diesem Fall muss man schon sagen, dass auch das kooperative Verfahren am Beispiel Heumarkt durchaus ein sehr gut gelungenes ist, da ist schon einiges passiert. Das ist aber nicht das Problem in diesem Fall. Das Problem in dem Fall ist, dass letztendlich gewisse Kriterien und Vorgaben nicht von vornherein entsprechend berücksichtigt wurden. Und letztendlich schafft Wien auch keine transparenten Spielregeln für Investoren, Bauträger. Das heißt, diese drei Punkte sind aus unserer Sicht ein Designfehler in diesem System der Gesamtplanung.

 

Lassen Sie mich zum ersten Punkt kommen, der überörtlichen Planung und Kontrolle. Wien fehlt durch seinen Sonderstatus, dass Wien sowohl Land als auch Gemeinde ist, ein in der Bundesverfassung vorgesehener Kontrollmechanismus, dass nämlich Entscheidungen auf Gemeindeebene auch auf Landesebene darauf kontrolliert werden müssen, ob diese Spielregeln eingehalten werden. Das haben wir in Wien nicht, da Wien sowohl Land als auch Gemeinde ist.

 

Das ist ein Kontrollfehler, und der führt natürlich schon dazu, dass wir gewisse Unvereinbarkeiten haben, die dazu führen, dass es keine wirklich verpflichtenden Zielvorgaben gibt, die auch entsprechend kontrolliert werden. Das heißt, eine überörtliche Planung müsste, wenn Wien sich zum Weltkulturerbe bekennt - und der Herr Bürgermeister hat das in der Früh ja auch schon gesagt, dass er nach wie vor dazu steht -, letztendlich auch Rahmenbedingungen, die das UNESCO-Weltkulturerbe vorgibt, entsprechend berücksichtigen. Ganze klare Spielregeln, für alle transparent, das heißt, für Investoren klar, für die Bauträger klar, für die Jury klar. Das funktioniert allerdings nicht. Deswegen haben wir die Malaise, über die wir heute diskutieren. Das hat auch die Architektenkammer schon kritisiert. Das ist letztendlich ein ständiges Risiko, dass solche Bauvorhaben dadurch unendlich verschleppt werden oder dann nicht so umgesetzt werden können, wie sie vielleicht von der Idee her geplant waren.

 

Zweitens sehen wir die Partizipation als eine gewisse ungeübte Pflichtübung. Vor Kurzem hat der Gemeinderat den Masterplan Partizipation beschlossen, dem wir auch vor dem Hintergrund nicht zugestimmt haben, dass auch hier eine gewisse Verbindlichkeit fehlt. Also wir lernen: Auch hier wieder keine Verbindlichkeit.

 

Die Partizipationsprozesse laufen unterschiedlich. Es gibt schon Beispiele, die in manchen Stadtentwicklungsgebieten sehr gut funktionieren, in manchen Flächenbezirken allerdings unterschiedlich. Man scheut sich hier ein bisschen wie der Teufel vor dem Weihwasser, eine Verbindlichkeit solcher Prozesse festzulegen. Das führt dann dazu, dass wir Partizipation nicht in der Form und nicht so verbindlich leben, wie wir uns das vorstellen, damit diese Rechtssicherheit für alle gegeben ist.

 

Der dritte und für uns sehr wesentliche Punkt sind die transparenten Spielregeln. Wir haben das schon im Dezember am Beispiel der städtebaulichen Verträge diskutiert. Wenn es darum geht, dass ein Investor natürlich auch entsprechende Vorteile durch eine Umwidmung hat und natürlich hier auch die Gemeinde sagen muss, okay, was heißt das für uns, auch im Sinne von Sozialwohnungen, im Sinne von Kinderspielplätzen, im Sinne von Straßen, öffentlichen Einrichtungen, muss es letztendlich eine Balance geben. Aber die muss transparent und klar sein. Und diese Verbindlichkeit vermissen wir. Deswegen haben wir immer wieder gefordert, dass diese Richtlinien auch klar im § 1a der Bauordnung festzulegen sind: nach welchen Kriterien, wie schaut das aus der Sicht des Investors, aus der Sicht der öffentlichen Hand aus. Das heißt, diese klaren und nachvollziehbaren Richtlinien für den qualitativen und quantitativen Umfang dieser vertraglich bedingten Leistungen müssen festgeschrieben werden.

 

Schlussendlich haben wir noch ein Transparenzthema, auf das wir genauer schauen müssen. Es handelt sich darum, wie dieser Fachbeirat besetzt wird, um die Mitglieder des Fachbeirats für Stadtplanung und Stadtgestaltung. Hier haben wir schon sehr viele Unvereinbarkeiten, denn sehr viele dieser Mitglieder zählen auch zu den meistbeschäftigten Auftragnehmern der Stadt, auch von Wiener Investoren. Da muss man ganz ehrlich sagen, hier gibt es Begehrlichkeiten, hier gibt es Probleme mit der Unabhängigkeit. Das sollten wir nicht haben und hier müssten wir anders handeln.

 

Deswegen werden wir hier auch einen Antrag einbringen, dass sich der Gemeinderat dafür ausspricht, dass der Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtentwicklung neu zu organisieren ist und dem Wiener Landtag eine entsprechende Gesetzesnovelle der Bauordnung für Wien zur Beschlussfassung vorlegt, dass dieser Stadtbeirat künftig nicht vom Bürgermeister, sondern durchaus auch vom Gemeinderat bestellt werden soll, der letztendlich auch den Beschluss für Flächenwidmungs- und Bebauungspläne zu verantworten hat, und dass dieser von ExpertInnen besetzt wird, die nicht im unmittelbaren Auftragsverhältnis der Stadt stehen, es daher auch eine Cool-down-Phase gibt, die die Unabhängigkeit gewährleistet, und in dem wir sehr viel mehr internationale unabhängige Experten haben möchten. Das ist eine Vorgangsweise, für die auch die Stadt Salzburg mit einem vergleichbaren Gremium, dem Gestaltungsbeirat,

 

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