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Gemeinderat, 19. Sitzung vom 26.01.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 113 von 125

 

Selbstbestimmung und Opferschutzrechte ernst nehmen, insbesondere auch dort, wo diese Gewalt vielleicht noch gar nicht passiert ist, aber Frauen in ihrem Weg zu einem selbstbestimmten, eigenständigen, sicheren, gewaltfreien Leben begleitet werden können. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau GRin Mag. Berger-Krotsch.

 

22.18.41

GRin Mag. Nicole Berger-Krotsch (SPÖ)|: Sehr geehrter Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Sicher, selbstbestimmt und unabhängig, ja, so sollen die Frauen in dieser Stadt leben. Dafür arbeiten wir, dafür stehen wir, dafür kämpfen wir unermüdlich und engagiert. Das Ziel der Wiener Frauenpolitik ist es, dass Mädchen und Frauen in den verschiedensten Lebenssituationen Unterstützung erfahren, Beratung bekommen, dass Maßnahmen zur Verfügung stehen.

 

Neben den vielen, vielen Maßnahmen, die wir als Stadt initiiert haben und durchführen, sind, so wie es Kollegin Huemer schon gesagt hat, die vielen, vielen Vereine wertvolle Partnerinnen im Kampf für Frauenrechte, für Gleichberechtigung, für Gleichstellung, aber eben auch im Speziellen sehr im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Dieser wird ja bei uns in Wien großgeschrieben, denn jede Form von Gewalt, sei es sexualisierte Gewalt, sei es körperliche oder auch psychische Gewalt, stellt einfach einen ganz massiven Verstoß gegen das Recht auf Leben, die Freiheit und die Würde sowie auf die körperliche und seelische Unversehrtheit der Opfer dar.

 

Der schon angesprochene vorliegende Beschlussantrag betrifft speziell die sexualisierte Gewalt. Da möchte ich ganz kurz auf Ergebnisse einer österreichischen Prävalenzstudie zum Thema Gewalt an Frauen und Männern eingehen. Es wurden hier folgende Ergebnisse präsentiert, dass nämlich 29,5 Prozent der befragten Frauen - und das ist immerhin jede 3. Frau - bereits Opfer sexualisierter Gewalt sind und dass jede 4. Frau berichtet, Opfer einer Vergewaltigung, und jede 3. Frau angibt, Opfer einer versuchten Vergewaltigung geworden zu sein. 42,7 Prozent gaben an, auf Grund der ihnen widerfahrenen sexualisierten Gewalt langfristige psychische und/oder physische Folgen erlitten zu haben.

 

Wie ich eingangs gesagt habe, haben wir viele Maßnahmen, viele Institutionen und Einrichtungen, die für die Opfer einstehen und arbeiten, die den von Gewalt Bedrohten helfen. Wir haben ein dichtes Gewaltschutznetz in Wien, und es ist unsere größte und höchste Priorität, hier den Menschen, den Frauen unbürokratisch, niederschwellig und schnell Hilfe zukommen zu lassen.

 

Der heutige Antrag ist ein weiterer Bestandteil, ein wichtiger Beitrag zur Unterstützung von Gewaltopfern, speziell all jener Menschen, die Opfer einer Vergewaltigung beziehungsweise sexuellen Missbrauchs geworden sind. Er betrifft die Ausdehnung des Anspruchs auf pauschalierten Schadenersatz und Ersatz des Verdienstentganges auf Opfer sexualisierter Gewalt.

 

Da möchte ich ganz kurz den Problembestand, mit dem wir diesbezüglich konfrontiert sind, erläutern. Das Gesetz sieht für Opfer einer schweren Körperverletzung unter bestimmten Voraussetzungen die Leistung eines Vorschusses in Form eines Pauschalbetrags für erlittene Schmerzen vor. Eine Vergewaltigung ist, rechtlich gesehen - und das muss man sich auch einmal vor Augen führen -, nicht einzuordnen unter einer schweren Körperverletzung. Das heißt, Hämatome, Hautabschürfungen, Prellungen, Quetschungen, Schnittwunden, Würgemale, Kratzer, Einrisse im Vaginalbereich - um hier nur einiges zu nennen - sowie auch die aus einer Vergewaltigung resultierenden Folgebeschwerden gelten im rechtlichen Sinn nicht als schwere Körperverletzung.

 

Daraus resultiert dann auch wieder - neben dem vielen Schmerz und der Tragik und dem Trauma - die unbefriedigende Situation für die Opfer, dass eben nur wenige Vergewaltigungsopfer die Möglichkeit einer Pauschalentschädigung für Schmerzensgeld in Anspruch nehmen können, obwohl es, wie Kollegin Huemer auch gesagt hat, in vielen Erfahrungsberichten, in den Opferschutzverbänden, aus den Vereinen, aus den Beratungen, aber auch wissenschaftlich dokumentiert und unumstritten ist, dass es bei Opfern einer Vergewaltigung in vielen Fällen zu einer psychischen Traumatisierung und in Folge zu teils massiven sowie auch langfristigen psychischen Beschwerden kommen kann.

 

Eine Vergewaltigung - und auf diesem Standpunkt stehen wir - ist eine massive Verletzung der Autonomie, des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung und der physischen sowie psychischen Integrität des Opfers und hat entsprechende gravierende körperliche, psychische und soziale Folgen. Deshalb ist eine Anerkennung - Frau Kollegin Huemer hat es schon angesprochen - von Schmerzensgeld nach einer Vergewaltigung insbesondere im Hinblick auf die erheblichen psychischen Leiden des Opfers eine wichtige Maßnahme und stellt eine weitere wichtige Unterstützung dar.

 

Es freut mich, dass wir heute einen Fünf-Parteien-Antrag zu diesem ganz speziellen Problemtatbestand einbringen können, und ich möchte kurz den Beschlussantrag verlesen:

 

„Der Wiener Gemeinderat wolle beschließen, dass folgende Maßnahmen vom Bund eingefordert werden. Der Kreis der Anspruchsberechtigten für die Pauschalentschädigung für Schmerzensgeld gemäß § 2 Z 10 in Verbindung mit § 6a Verbrechensopfergesetz und für den Verdienst- oder Unterhaltsentgang gemäß § 3 Verbrechensopfergesetz ist auf Opfer folgender Sexualstraftaten auszudehnen: Opfer einer Vergewaltigung gemäß § 201 StGB, Opfer eines sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person gemäß § 205 StGB und Opfer der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung gemäß § 205a StGB."

 

Es freut mich, dass das alle Parteien gemeinsam einbringen. In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzender GR Mag. Gerald Ebinger: Herr GR Gara ist seit 22 Uhr entschuldigt.

 

Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Blind.

 

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