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Gemeinderat, 24. Sitzung vom 01.06.2017, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 96

 

tionssache. Eigentlich ist das ja auf der einen Seite tatsächlich der Fall, aber auf der anderen Seite muss man schon sagen, dass man diesfalls auch eine gewisse Rechtssicherheit braucht, und zwar auch aus der Sicht des Investors. Das halte ich für ganz wichtig, weil es uns auch um langfristige Investorensicherheit geht. Das ist ein ganz entscheidender Punkt.

 

Wir haben es bei diesem Projekt am Heumarkt mit einer sehr, sehr sensiblen Thematik zu tun. Und es ist richtig, dass dieser gesamte Prozess von Anfang an hier durchaus sehr transparent gestaltet wurde, aber - und das ist für mich ein ganz entscheidender Punkt - eine der wesentlichen Rahmenbedingungen wurde letztendlich auch in der Juryentscheidung nicht berücksichtigt, und zwar wurden letztendlich die Kriterien des Weltkulturerbes nicht berücksichtigt. Es gab allerdings verschiedenste Vorschläge, und es gab auch solche, die damit konform gehen. Es hätte auch Kollege Chorherr einen solchen Vorschlag bevorzugt, der durchaus mit dem Weltkulturerbe konform gegangen wäre.

 

Das heißt, wir sind diesfalls in einer komplexen Situation, in der eigentlich die Diskussion auf politischer Ebene hier im Gemeinderat aus unserer Sicht nicht wirklich ausreicht. Es gibt nämlich Situationen, in denen es sehr wohl notwendig ist, auch die BürgerInnen in die Entscheidung eines solchen Prozesses mit einzubinden, und da geht es nicht nur um den Prozess, wie ein solches Projekt am Heumarkt aussieht, sondern da geht es um die wesentliche Frage: Wollen wir in Wien für die Innenstadt langfristig das Weltkulturerbe aufrechterhalten oder nicht? Braucht Wien das?

 

Sie argumentieren ja auch die ganze Zeit, dass sehr viele der Rahmenbedingungen nicht mehr angemessen sind und dass wir ja die Stadt eigentlich nicht unter eine Käseglocke stellen wollen. - Ich bin absolut bei Ihnen, dass es auch entsprechende Entwicklungen geben muss: Aus meiner Sicht würde ich das nicht unbedingt brauchen, weil das in vielen Fällen tatsächlich Entwicklungen behindert, und das führt genau zu dieser Diskussion, die wir haben.

 

Der entscheidende Fehler - das muss man ganz ehrlich sagen - ist von Anfang an passiert. Man hat von Anfang an nicht klar gesagt, okay, wir haben auf der einen Seite ein Projekt, das uns, der Stadt und den BürgerInnen eine Reihe von Vorteilen bringt. Sie haben heute sehr viel davon skizziert, und ich will das auch gar nicht in Abrede stellen. Wir stellen das nicht in Abrede. Aber auf der anderen Seite gibt es letztendlich auch Verträge und Rahmenbedingungen, zu denen wir stehen müssen, und ich denke, dass es gerade in Österreich extrem wichtig ist, dass wir Vorbild sind im Umgang mit völkerrechtlichen Verträgen. Andere Länder tun das nicht, aber wenn nicht einmal wir in Österreich das tun und sagen, schauen wir einmal, ob Österreich auf die Rote Liste kommt, wir schleifen das aus, wie können wir dann von anderen Ländern verlangen, dass sie diese völkerrechtlichen Verträge einhalten? Wir sollten also hier demokratiepolitisch echt ein Vorbild sein! (Beifall bei den NEOS.)

 

Letztlich brauchen wir offensichtlich - und das ist der Grund, warum wir das immer wieder verlangt haben -, ein zusätzliches Instrument, wo man die Bürger mit einbindet. Das können eine Volksbefragung oder ein solcher Bürgerrat sein, um die Frage zu klären: Ist das Weltkulturerbe in dieser Form für die Innenstadt und für Wien wichtig oder nicht? - Diese Frage ist in Abwägung - das ist der springende Punkt - aller anderen Vorteile, die ein solches Projekt möglicherweise auch bringt, zu sehen.

 

Ich denke, das ist eine Frage, die den BürgerInnen zumutbar ist und zumutbar sein muss. Warum betone ich das? - Weil wir letztendlich mit dem Instrument der Volksbefragung, et cetera teilweise beziehungsweise oft fahrlässig umgehen. Ich erinnere jetzt nur an den Wahlkampf und die Diskussion über die Frage der Farbe der U5. - Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn man so etwas hier diskutiert und wenn man das den Bürgern als Diskussionsgrundlage gibt und sagt, dass sie jetzt über die Farbe der U-Bahn abstimmen können, gleichzeitig aber bei einem so wesentlichen Projekt und bei einer so wesentlichen Frage sagt, dass das ja letztendlich unsere Entscheidung ist und wir das hier im Gemeinderat beschließen können, dann sage ich, das geht nicht! Das geht vor allem deswegen nicht, weil das genau der Punkt ist, der zu Politikverdrossenheit führt. Letztendlich müssen wir uns damit sehr wohl auseinandersetzen! Wir können nicht einfach darüber hinwegsehen und sagen, in diesem Fall ist das wurscht, aber die Farbe der U-Bahn ist schon wesentlich, ob nun Türkis oder Pink oder wie auch immer. - Das ist vollkommen absurd!

 

Daher sind Sie gefordert, einfach einzugestehen, dass dieser Prozess am Anfang falsch gestartet wurde! Ich weiß schon, dass dieser Prozess lange gelaufen und auch von Seiten des Investors und sehr vieler Experten sehr viel hinein geflossen ist. Da liegt sehr viel vor, es gibt auch sehr viele Vorteile des Projektes. Deswegen haben wir immer gesagt, wir stehen grundsätzlich einem solchen Projekt überhaupt nicht negativ gegenüber. Aber was wir nicht ausstehen können, ist die Art und Weise, wie hier Politik beziehungsweise Governance betrieben wird, indem man wesentliche Themen nicht auch der Bevölkerung als Beirat beziehungsweise Bürgerrat zur Abstimmung vorlegt. Deswegen kritisieren wir das.

 

Das ist auch der Grund, warum wir in diesem Fall nicht zustimmen können, und zwar nicht so sehr auf Grund des Projekts, sondern auf Grund dieser politischen Vorgangsweise. Das ist nämlich ein Präzedenzfall. Sie schaffen hier einen Präzedenzfall, denn es werden sich dann viele andere darauf berufen und sagen: Damals habt ihr ja auch zugestimmt! Verträge wurden nicht eingehalten. - Verträge sind immer Interpretationssache. Ich halte das für demokratiepolitisch problematisch! (Beifall bei den NEOS.)

 

Das ist der Grund, warum wir dem hier so nicht zustimmen können. - Ich finde das schade, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich finde es auch deshalb schade, weil letztendlich auch von der Investorenseite her Unsicherheit herrscht, und diese Unsicherheit wird in Zukunft noch mehr herrschen, weil man dann sagen wird, in

 

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