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Gemeinderat, 32. Sitzung vom 25.01.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 90 von 102

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Ich eröffne die Debatte. Zum Wort gemeldet ist Herr GR Florianschütz. Ich erteile ihm das Wort.

 

19.20.21

GR Peter Florianschütz (SPÖ)|: Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Der Kulturverein beziehungsweise das Dokumentationszentrum der österreichischen Roma ist eine traditionsreiche und wichtige Institution. Wir haben ja jedes Jahr in diesem Haus einen Subventionsantrag dazu und ich bin froh, muss ich Ihnen sagen, dass das relativ unstrittig ist. Also da wird es keine Einwände geben, dass wir diese Gruppe unterstützen. Sie haben das auf Grund ihrer guten Arbeit, auf Grund der traditionellen Einbindung in die österreichische Gesellschaft verdient. Sie leisten gerade auch integrationspolitisch einen guten Beitrag und, meine Damen und Herren, sie sind eine anerkannte Volksgruppe in Österreich. Sie sind Teil der Erinnerung, Teil der Erinnerungskultur unseres Landes, denn die Roma und Sinti waren eine große Opfergruppe in der dunklen Zeit des Nationalsozialismus in Österreich. Viele Roma und Sinti haben ihr Leben verloren. Genau deswegen ist es auch wichtig, dass wir diesen Verein unterstützen. Und ich kann namens der Sozialdemokratischen Fraktion sagen, es wird ganz sicher unsere Zustimmung finden.

 

Meine Damen und Herren, das leitet mich aber in dem Kontext zu etwas anderem über, nämlich zur Frage des Umgangs mit unserer Vergangenheit und wie wir das bewältigen und handlen. Wir haben vor nicht allzu langer Zeit in diesem Hause darüber diskutiert, wie ernsthaft nehmen wir uns und wie nehmen wir andere in diesem Haus ernst in der Frage der Bekämpfung des Antisemitismus. Damals haben wir uns ja so eine Linie gelegt, und dann wurde gesagt: An ihren Taten sollt ihr sie messen. Bedauerlicherweise muss man das jetzt ergänzen: An ihren Taten und ihrem Liedgut sollt ihr sie messen. Das ist halt ein Problem, meine Damen und Herren! Am 14. März 1937, publiziert am 21. März 1937, also vor nahezu 80 Jahren, hat Papst Pius XI. eine Encyclica flagranti causa „Mit brennender Sorge“ veröffentlicht. Es ist damals um die Frage der Behandlung der Christinnen und Christen, also der Katholikinnen und Katholiken im Deutschen Reich gegangen. Und dieser Titel „Mit brennender Sorge“ hat sich in das kollektive Bewusstsein der Menschen eingebrannt. Heute modern heißt sie Beobachtungsstelle für antisemitische Verbrechen. Und, meine Damen und Herren, ich bin zutiefst besorgt über das, was sich in der österreichischen Innenpolitik abspielt, wenn es möglich ist, dass in aller Öffentlichkeit wesentliche Funktionsträger verwickelt sind - und ich muss Ihnen jetzt nicht zitieren, was in dem Liederbuch drinnensteht, das ist garstig genug, ich spar mir das. Ich weiß, dass Sie es wissen, dass es die Öffentlichkeit Österreichs weiß, und dass sowas möglich ist, ist schrecklich. Und dann ist es noch dazu möglich und gehört dazu, dass gesagt wird: Wann das Buch gedruckt wurde, war der Betreffende elf Jahre alt und Radfahrer und hat nichts gewusst. Das stimmte damals. Aber heute ist das Liederbuch immer noch da und er ist als stellvertretender Vorsitzender mit von der Partie! In dem Zusammenhang, weil es eine gewisse Unschärfe ist, ich korrigiere das jetzt, es ist immer die Rede von der Burschenschaft Germania. Wir reden jetzt von der Burschenschaft Germania nicht in Wien, das ist eine andere, sondern wir reden von der Germania in Wiener Neustadt. So seriös muss man sein, auch über alle Gräben hinweg.

 

Wir bringen daher einen Antrag ein, um uns mit dieser Frage auseinanderzusetzen, auch deshalb, weil das Erkennen, dass das rassistisch, antisemitisch und widerwärtig ist, wahr ist. Aber das festzustellen, reicht ja nicht als Konsequenz aus. Die spannende Frage lautet: Was heißt das dann? Daher bringe ich - es sind viele, daher mache ich es allgemein, mit Freunden und Freundinnen - einen Beschluss- und Resolutionsantrag ein, in dem wir uns aussprechen:

 

„Der Wiener Gemeinderat verurteilt aufs Allerschärfste, dass immer wieder Verbrechen des Nationalsozialistischen Regimes verharmlost, die Millionen Opfer verhöhnt werden und zu weiteren Straftaten aufgefordert wird.“

 

Meine Damen und Herren, ernsthaft besorgt! Das Toppen von sechs Millionen auf sieben Millionen ist der Aufruf zum Massenmord! Das muss ich sagen. Das ist ein Wahnsinn! Und sowas gehört gerichtlich und juristisch verfolgt, und dafür (Beifall bei SPÖ, ÖVP, NEOS und GRÜNEN sowie von StRin Ursula Schweiger-Stenzel, StR DDr. Eduard Schock und GR Mag. Gerald Ebinger.) möge sich der Wiener Gemeinderat aussprechen.

 

„Er verurteilt außerdem rechtsextreme und nationalistische Gedanken und Aktivitäten, die dem Geist der österreichischen Bundesverfassung und Gesetzen sowie antifaschistischen und demokratischen Traditionen der Zweiten Republik und Wiens zuwider laufen. Der Wiener Gemeinderat begrüßt, dass die Justiz gegen die Burschenschaft Germania, in dem Fall richtigerweise Wiener Neustadt, wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung ermittelt. Der Wiener Gemeinderat regt an, dass auch andere einschlägig bekannte Burschenschaften auf staats- und verfassungsfeindliche Aktivitäten überprüft werden. Der Wiener Gemeinderat ersucht Bundeskanzler Kurz, im Interesse des Ansehens Österreichs in der Welt alles zu unternehmen, damit die österreichische Bundesregierung von diesem braunen Schleier reingewaschen wird.“

 

Soweit ist der Antrag und ich ersuche um Ihre Zustimmung. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)

 

Um es präzise zu sagen, andere Parteien haben auch einen Antrag eingebracht, der nahezu wortident mit diesem Antrag ist, mit zwei kleinen Unterschieden. Darum werden wir unserem Antrag zustimmen und dem anderen Antrag nicht. Und warum werden wir das tun? Der Passus, dass auch andere einschlägig bekannte Burschenschaften staats- und verfassungsfeindliche Aktivitäten betreffend überprüft werden, findet sich im anderen Antrag nicht. Aber das ist für uns unverzichtbar und darum sind wir für unseren Antrag und für den anderen nicht.

 

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