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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 27.04.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 62 von 124

 

Ich gehe nicht ein auf eine lange Liste von Personen, die auch im „Standard“ war, die wöchentlich aktualisiert wird, von denen man sagt, ein Ausrutscher nach dem anderen ist kein Einzelfall. Und da ist eine Partei mehr gefordert als andere, auch wenn der Antisemitismus von links bis rechts zu Hause ist, vollkommen richtig, aber in Österreich haben wir das Problem nicht gleichmäßig verteilt, würde ich einmal behaupten. Es gibt eine Partei, die sicher mehr betroffen ist. Ich bin eh froh, wenn alle dabei sind. Ganz ehrlich gesagt, tue ich mir ja gar nicht wahnsinnig leicht, eine Fünf-Parteien-Einigung rund um ein Thema, wo man jeden Tag oder jede Woche einen Einzelfall lesen kann, ist für mich eine leichte Überwindung - leicht ist falsch, eine Überwindung. Wenn aber bei einem Arbeitskreis zu Antisemitismus auch Vertreter der Israelitischen Kultusgemeinde dabei sind und sagen, das ist schlau, wenn wir gemeinsam arbeiten, dann werde ich mich soweit überwinden können - das kostet andere Leute wahrscheinlich mehr Überwindung.

 

Aber wenn man das ernst meint, würde ich wirklich glauben, zumindest alle, die in der Arbeitsgruppe drinnen sind, lesen Sie doch bitte den einen Text, das ist eine sehr, sehr schöne Erklärung - das ist in ein paar Minuten gelesen, so lange ist er nicht -, was der Unterschied zwischen einer Kritik ist, von der alle sagen, natürlich ist das zulässig, jede Person der Welt kann kritisiert werden - es kommt ja immer darauf an, wie, mit welchen Methoden, mit welchen Worten -, und wann es eben antisemitisch ist. Und das ist wirklich eine leichte Erklärung, ein Text zum Lesen, nachdem hier eh immer alle wieder auf den Handys und am Laptop am Arbeiten sind, wäre der Text ja auch ein Teil der Arbeit zu diesem Antrag.

 

Ich bin einmal zumindest froh, wenn wir diesen Antrag beschließen, aber noch mehr freue ich mich, wenn wir ihn mit Leben füllen, mit dem, was wir tun, und zwar alle, die da sind. - Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Wiederkehr, und ich erteile es ihm.

 

15.34.57

GR Christoph Wiederkehr, BA (NEOS)|: Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Auch von uns als NEOS danke für die Zusammenarbeit in dieser Arbeitsgruppe. Ich war selbst einmal dabei und habe die Arbeit als sehr, sehr konstruktiv empfunden, dass man versucht, auch der Frage des bestehenden Antisemitismus, den es leider noch immer in unserer Gesellschaft gibt, parteiübergreifend und sachorientiert zu begegnen.

 

Ich finde, wir haben schon sehr konkrete Felder auch gemeinsam definiert, wo Handlungsbedarf ist. Ein Vorschlag war im Bereich Sport, es ist auch heute schon vorgekommen, dass es hier leider noch immer sehr viel Antisemitismus gibt. Aber ein zweiter Bereich, der mir auch besonders wichtig war, ist der Antisemitismus unter Jugendlichen, und hier vor allem auch in der Jugendarbeit, wo dem begegnet werden muss. Wir sehen leider, wie auch Studien von offener Jugendarbeit gezeigt haben, eine verstärkte Tendenz zum Antisemitismus in jugendlichen Milieus, die oft migrantisch sind. Da müssen wir auch entgegenwirken, und da freue ich mich auf die weiteren Schritte, wie wir uns austauschen, dass man hier auch sinnvolle Maßnahmen setzen kann.

 

Was ich gut finde, ist, dass alle Parteien hier an einem Strang ziehen oder zumindest halbwegs in die gleiche Richtung gehen, denn die letzte Diskussion vor ein paar Monaten zu den zwei Anträgen, wo dann zwei ziemlich gleichlautende Anträge zum gleichen Thema herausgekommen sind, war unseres Erachtens nach nicht ideal. Bei so einem heiklen Thema sollte man Parteigrenzen auch einmal überwinden und gemeinsam arbeiten.

 

Danke hier auch für die Definition von Antisemitismus - was ich als Auftakt der Arbeit sehe und auf jeden Fall nicht als Abschluss, denn wir müssen stets wachsam sein, auch gegen antisemitische Tendenzen in unserer Gesellschaft aufzutreten. - Vielen Dank. (Beifall bei NEOS und SPÖ sowie von GR Dipl-Ing. Martin Margulies.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau StRin Schweiger-Stenzel. - Bitte schön.

 

15.37.10

StRin Ursula Schweiger-Stenzel|: Frau Vorsitzende! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Als Kind einer jüdischen Mutter und eines sogenannten arischen Vaters, als Mensch und als Politikerin begrüße ich sehr, dass wir diesen akkordierten Text auch im Wiener Gemeinderat einstimmig verabschieden.

 

Das Verabschieden eines Textes ist eine Sache, das Leben dieses Textes und die Wachsamkeit ist eine andere. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass oft ganz unbewusst Dinge gesagt werden, die für einen Menschen jüdischer Abstammung sehr verletzend sein können. Ich hatte so eine Begegnung erst vor Kurzem in einem Beisel. Da ich sehr offen auf Menschen zugehe, waren das zwei sehr angenehme mittelalterliche Herren. Sie haben hervorragend Deutsch gesprochen, mit einem, wenn wir so wollen, guten, gepflegten Wiener Akzent. Sie waren Türken, und es hat sich herausgestellt - ich habe dann gefragt, was sie machen -, sie haben Karriere gemacht im Sport, absolut integriert, da kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Und plötzlich, unvermittelt sagt der eine: „Aber wissen Sie, die Juden sind an allem schuld!“ - Es hat mir die Rede verschlagen. Ich habe gesagt: „Wieso kommen Sie darauf?“ - Eigentlich hat die Türkei, soviel ich weiß, eine Zeit lang sogar ihren Luftraum zur Verfügung gestellt, um jüdischen Kampfpiloten ein Training zu ermöglichen. Die Situation hat sich dann durch einen argen Libanon-Zwischenfall leider beidseitig verschlechtert und sukzessive ist Erdogan von dieser eigentlich proisraelischen Haltung abgerückt. - Aber dass ich hier in einem Beisel, bei einem Glaserl Bier völlig unvermittelt eine totale Verallgemeinerung höre, die ich sonst, muss ich ehrlich sagen, auch gehört habe, so einmal von Wiener Taxlern, autochthonen Wienern, und so weiter!

 

Mein Vater hat immer gesagt, es ist interessant, die Deutschen waren die besseren Nazis, aber die Österreicher waren die besseren Antisemiten und wir müssen wachsam sein. - Ich zitiere Brecht: „Der Schoß ist frucht

 

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