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Gemeinderat, 35. Sitzung vom 27.04.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 68 von 124

 

Unser Thema in diesem eigenen Antrag zur Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes war aber auch, aufzuzeigen, dass das ja nicht einfach passiert ist. Das Krankenhaus Nord ist ja nicht einfach ein unglücklicher Zufall oder eine Verkettung unglücklicher Zufälle: der unglückliche Zufall eines Energetikers, der beauftragt wurde, der unglückliche Zufall eines Architekten, der unzureichende Planungsunterlagen erstellt hat, der unglückliche Zufall von Ausschreibungen, die zu einem Zeitpunkt stattgefunden haben, als noch nicht ausreichend Planungsdokumentationen vorlagen, der unglückliche Zufall, dass kein umfassender Antikorruptionsplan vorhanden war - das ist keine Verkettung unglücklicher Umstände, sondern es ist Ausdruck eines Systems, eines Systems, das Sie als SPÖ in dieser Stadt geschaffen haben, einer Vernetzung, eines Sumpfs zwischen SPÖ und KAV. Und das werden wir in dieser Untersuchungskommission auch aufzeigen (Beifall bei den NEOS.), wie sehr das alles verfilzt ist mit Parteigängern und letztlich auch sozusagen mit parteipolitischer Beeinflussung.

 

Und da sage ich auch: Die GRÜNEN sind da Teil des Problems, sie haben da zugeschaut. Sie können sich nicht hier wegstehlen und sagen, ja, das ist alles SPÖ und so, und wir GRÜNEN sind eh für Aufklärung. - Nein, Sie sind hier genauso in der Verantwortung und Sie sind Teil des Problems. Aber die Wiener SPÖ ist nicht Teil des Problems, sondern die ist bisweilen das Problem.

 

Was auch frustrierend sein wird oder jetzt schon ist - das sagen mir auch viele Wienerinnen und Wiener -, dass natürlich die politischen Entscheidungsträger, die Verantwortungsträger weg sein werden. Ist halt so. Untersuchungskommissionen dienen auch dazu oder gerade dazu, die politische Verantwortung zu klären. Wenn aber der Großteil der Personen, die hauptverantwortlich waren, schon weg ist - die konnten alle durchaus auch erhobenen Hauptes gehen -, dann bleibt doch ein schaler Nachgeschmack. Denn was wird passieren? - Der oder die Nachfolgerin wird sich abputzen und wird sagen, na ja, jetzt leiten wir ja eh alles in die Wege! - Das ist auch wieder Teil der durchschaubaren Taktik, letztlich das Problem klein zu machen. (GR Christian Oxonitsch: Aber das ist doch nicht unser Kaffee! Wir könnten ja schon fertig sein!) Es ist schon Ihr Problem, denn ich sage Ihnen etwas: Ich bin der Meinung, dass politische Verantwortung heißt, dass man auch wirklich Verantwortung übernimmt. (GR Christian Oxonitsch: Man hätte es ja schon vor einem Jahr …) Sie lassen da einfach Stadträtinnen erhoben Hauptes zu Siemens, die ein großer Auftragnehmer waren, gehen und sagen, na ja, alles fein raus!

 

Ich meine, Entschuldigung, das ist unbefriedigend! Das ist wirklich unbefriedigend - ich habe das auch schon mehrfach an dieser Stelle gesagt -, denn wir müssen selbstverständlich auch rechtliche Fragen prüfen und rechtliche Haftungsfragen prüfen. (GR Christian Oxonitsch: Man wird drei Mal zum Rücktritt aufgefordert, aber man darf dann nicht gehen? Das ist ja absurd!) Nun, ich rede vor allem von Frau Wehsely, aber wir haben ja auch mehrfach gesagt, dass der Rücktritt … (GR Mag. Manfred Juraczka: Also wir finden okay, dass sie gegangen ist!)

 

Ich sage ja nur, dass das einfach unbefriedigend ist, denn: Wie wird das sein? - Es wird sich ein neuer Stadtrat oder eine neue Stadträtin hinstellen und sagen, na bitte, wir haben mit dieser Sache nichts zu tun! - Entschuldigung, bitte, und Sie glauben nicht, dass die Wienerinnen und Wiener sich hin und wieder veräppelt vorkommen, wenn sozusagen letztlich keine Konsequenzen gezogen werden? - Das glaube ich aber schon.

 

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas, weil natürlich nicht alle Verantwortungsträger weg sind: Letztlich ist es eine Gesamtverantwortung dieser Stadtregierung. Und wenn dieses System, dieses System letztlich auch der Freunderlwirtschaft - und übrigens, Korruption beginnt bei Freunderlwirtschaft, das ist meine tiefe Überzeugung - auch zu einem Teil schuld ist an diesen Baukostenexplosionen, dann muss man die gesamte Stadtregierung in die Verantwortung nehmen, denn das ist ja ein System oder, wie soll ich sagen, ein Biotop, das uns in vielen anderen Bereichen auch begegnet. Und es war ja auch absehbar: Wenn Sie sich beispielsweise den Rechnungshofbericht zur Generaldirektion des KAV anschauen, dann finden Sie darin Themen, die durchaus eine enorme Relevanz haben, nämlich dass strategische Ziele beim Thema Compliance/Antikorruption nicht mit einem konkreten Zeitplan und auch nicht mit operativen Zielen festgelegt worden sind. Es fehlte bis zu dieser damaligen Gebarungsprüfung ein KAV-weites Korruptionspräventionsprogramm mit einem geeigneten Maßnahmenpaket. Die Interne Revision beschäftigte sich zwar mit korruptionsrelevanten Themen, aber eine explizite Korruptionsprüfung fand nicht statt, et cetera, et cetera. Für das Programm Krankenhaus Nord war der Leiter der Internen Revision des KAV zum Antikorruptionsbeauftragten bestellt. - Das ist eine Vermengung der Sphären, denn die Interne Revision hat ja auch zu prüfen, ob letztlich entsprechende Antikorruptionsmaßnahmen stattfinden. Und das kritisiert der Rechnungshof auch.

 

Ich liste das deshalb auf - wir werden es uns ohnedies noch im Detail anschauen -, weil man ja da vieles hätte wissen müssen. Genauso hätte man von Anfang an wissen müssen, dass es klüger ist, wenn das Know-how nicht vorhanden ist, einen Generalplaner einzusetzen. Das ist ja auch kein Einzelfall - ich sage hier nicht, das passiert nur der Stadt Wien, denn wir können nach Berlin schauen, wir können auch auf den Flughafen Wien schauen, wir können auch zur EZB-Zentrale schauen, um zu sehen, dass solche Großprojekte, die ohne Generalplaner stattfinden, relativ schnell in die Hose gehen - überall. Mag sein, dass mittlerweile auch das Vergaberecht - auch das habe ich letzthin gesagt - so komplex geworden ist und dass diese Regelungen, die eigentlich dazu gedient haben, für mehr Transparenz und mehr Wettbewerb zu sorgen, in Wahrheit weidlichst dazu ausgenutzt werden, um möglichst Wettbewerb zu verhindern, und dass letztlich eigentlich in den jeweiligen Stellen die Kompetenz, um damit umzugehen, gar nicht mehr vorhanden ist. Das mag schon sein, aber das sind

 

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