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Gemeinderat, 37. Sitzung vom 24.05.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 70

 

Freunderlwirtschaft in dieser Stadt -, die halte ich nicht mehr für zeitgemäß. Das möchte ich noch einmal an dieser Stelle sehr stark sagen. Da hilft es auch nicht, wenn man diese Verwobenheit damit argumentiert, dass man unser Wien liebt. Ich glaube, ein neues Politikverständnis, ein neuer Politikanspruch muss sein, dass man in der Zukunft viel deutlicher darauf schaut, diese Sphären zu trennen.

 

Ich hätte mir, aber vielleicht auch Ihnen, Herr Häupl, gewünscht, dass ich in diesen diversen Nachrufen auf Ihr politisches Wirken nicht lauter Titel lese wie Kaiser, Fürst, Macht. Das alles sind Attribute, die sehr machtorientiert sind, die sozusagen ein Bild eines letzten Kaisers zeichnen, das wurde ja auch bemüht. Vielleicht gefällt Ihnen dieses Bild. Ich bin mir aber auch nicht ganz sicher, ob es Ihnen gerecht wird und ob es noch zeitgemäß ist. Denn letztlich ist es ja ein Bürgermeister, das heißt, jemand, der für die Bürgerinnen und Bürger da ist, der den Bürgerinnen und Bürgern dient, und der nicht das reine Selbstverständnis daraus zieht, dass man hier in einer allmächtigen Machtsituation à la „Wir sind Kaiser“ agiert. So habe ich Sie auch nicht wahrgenommen.

 

Ich frage mich da oft, ob Sie nicht in eine Rolle gedrängt wurden, ja, vielleicht gar in alle Rollen, die Ihnen zugeschrieben wurden. So gibt es ja auch die Rolle des launigen Fiakers, des lauten Polterers, der sicherlich immer für gute Sprüche zu haben ist, ein Bild, das von den Medien, von politischen Freunden gerne gezeichnet wurde, und andererseits vom politischen Mitbewerber durchaus benutzt und ausgenutzt wurde. Es wäre anmaßend, mich in Sie hineinzuversetzen und zu entscheiden, ob Ihnen das immer recht und angenehm ist, aber ich habe Sie doch auch wesentlich differenzierter kennen gelernt, vielleicht ein wenig als linker Freigeist, der eigentlich eine differenziertere Betrachtung verlangt und auch verdient hätte. Das möchte ich auch an dieser Stelle sagen. (Beifall bei den NEOS.)

 

Ich habe Sie kennen und auch schätzen gelernt als durchaus scharfsinnigen intellektuellen Menschen, der pointiert, durchaus auch humorig formuliert und am Ende der Arbeitswoche, so hoffe ich das für Sie und so glaube ich das, in den Spiegel schauen kann. Wenn es etwas gibt, was wir alle, denke ich, tun sollten oder als Leitmaxime für unser politisches Handeln haben sollten, dann genau diese Frage, dass bei allen Kompromissen, die zu machen sind, bei allen schweren Entscheidungen, die zu treffen sind, es letztlich darauf ankommt, ob man am Ende einer Arbeitswoche oder am Ende eines politischen Lebens auch in den Spiegel schauen kann.

 

Die Politik ist fürwahr ein hartes Geschäft. Hier Rückgrat zu zeigen, ist eine Leistung. Es ist auch eine Leistung, nicht immer auf eine Umfrage zu schauen, sondern teilweise auch bei seiner Meinung und seiner Haltung zu bleiben, auch wenn einem ein starker Gegenwind entgegenbläst. Ich weiß, dass Sie das gemacht haben und das zeugt auch von Charakter. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN sowie von GR Dkfm. Dr. Fritz Aichinger.)

 

Der Grund, warum wir in die Politik gegangen sind, ist der Wunsch, das Ziel und der Auftrag, den wir verspüren, einen Beitrag zu leisten, um das Leben der Menschen besser zu machen. Natürlich trennt uns inhaltlich viel. Vor allem glaube ich, dass der Weg zu diesem Ziel, das Leben der Menschen besser zu machen, von Ihnen und von uns unterschiedlich beschritten werden würde, das wäre ein anderer, aber letztlich ist es die politische Motivation, das am Menschen anzuknüpfen und an seine Lebensbedingungen, an seine Chancen, an seiner Entfaltungsmöglichkeit und auch am Zusammenleben dieser Menschen. Es verbindet uns auch eine klare Haltung gegen den Rechtspopulismus, gegen einen völlig übersteigerten Nationalismus und bisweilen auch Protektionismus. In dieser Frage haben Sie immer klare Verbündete. Uns verbindet auch, wie ich Ihren Worten auch entnommen habe, zumindest die Sorge um die Demokratie, um die liberale Demokratie, um den Rechtsstaat und die Sorge um das doch sehr brüchige Zusammenleben der Menschen, wobei wir alle einen Beitrag dazu leisten sollten, dass das gelingt.

 

Was uns aber nicht verbindet, und das möchte ich sagen, ist, dass - insbesondere in Zeiten „fokussierter Unintelligenz“, wie Sie das einmal sehr treffend bezeichnet haben, also in Wahlkampfzeiten - es nicht alles sein kann, sein eigenes Wirken und seine eigene Identität daran festzumachen, sich am Gegner abzuarbeiten oder den Kampf gegen Rechtspopulismus und Nationalismus zu führen. Es steht mir an sich nicht zu, innere Beschreibungen der Sozialdemokratie zu geben, aber es kommt mir bisweilen so vor, dass das Dilemma der gesamten Sozialdemokratie in Europa darin liegt, dass sie zu einem reinen Kampf gegen Rechts geworden ist und darin eine gewisse leere Hülle geworden ist. Denn das eigentliche Modell, das Sie dem entgegenstellen wollen, ist nicht mehr klar und scharf genug gezeichnet. Wenn sozusagen die Hülle, der Kampf gegen Rechts, mehr bedeutet als das Modell, das Sie eigentlich dem entgegensetzen, so glaube ich, dass Sie hier den Weg in eine Krise beschreiten oder möglicherweise in einer Krise sind. Wenn diese Abwehrhaltung das Einzige ist, das Ihre Partei zusammenhält, ist es zumindest mir zu wenig, weil ich glaube, dass es immer auch auf Visionen und auf einen Gestaltungswillen ankommt.

 

Ich hätte mir auch gewünscht, dass bei dieser Polarisierung, die durchaus auch von vielen Seiten genutzt wird, bei diesem Auseinanderdriften bisweilen von Links und Rechts, die Mitte nicht von allen Parteien in dieser Polarisierung im Stich gelassen wird. Ich hätte mir gewünscht, dass es eine Position zwischen denen gibt, die bei den Problemen wegschauen und jenen, die Probleme für sich nutzen, ja, sogar befeuern, weil es für sie sozusagen fast ein Lebenselixier ist, aber keine Lösungen bieten. Ich möchte nicht die Augen vor der Problemen verschließen, auch nicht vor den Herausforderungen der Zukunft dieser Stadt, aber ich möchte hier einen Appell geben, die Augen nicht zu verschließen vor der im Moment sehr verlassenen, sehr differenzierten Mitte.

 

Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, über so viele Jahre bei so vielen unterschiedlichen Strömungen in einer Partei es allen recht zu machen und trotzdem für das zu kämpfen, woran man glaubt. Ich werde

 

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