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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 25.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 149

 

merkt man, dass die Schulungen exorbitant steigen und dass, wenn man beides addiert, fast kein Rückgang bei den Arbeitslosen wahrzunehmen ist, meine Damen und Herren.

 

Gut, so war die Ausgangslage in den letzten Jahren, und deshalb war es für mich heute so spannend, die erste Rede von Ihnen, Herr Stadtrat, hier in diesem Plenum zu hören. Wir sind alle nicht erst seit gestern in der Politik, mir war schon bewusst, dass Sie sich nicht brüsk von Ihrer Vorgängerin abwenden können - das geht nicht, unter Sozialdemokraten muss ja auch Solidarität wirken -, aber ich habe mir doch erwartet, dass Sie, Herr Stadtrat, vielleicht sehr viel davon sprechen, was alles neu sein wird und uns damit zumindest unausgesprochen erklären, dass das Alte nicht das Gelbe vom Ei war. Ich war ein bisschen überrascht, als ich Ihren ersten Satz zur inhaltlichen Ausrichtung gehört habe, Sie haben wortwörtlich gesagt: „Ich stehe zur Strategie der vergangenen Jahre.“ - Nun gut, ich hoffe, es war wirklich nur der Höflichkeit geschuldet, sehr geehrter Herr Stadtrat, und es wird sich doch etwas ändern, denn diese Änderungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik dieser Stadt sind wahrlich ein Gebot der Stunde. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Es braucht das richtige Augenmaß für die Wirtschaft in dieser Stadt und - es wurde heute schon mehrfach angesprochen, Sie kommen aus einem wirtschaftsaffinen Bereich - es ist jetzt notwendig, Endbürokratisierung nicht nur als leere Floskel zu verwenden, sondern wirklich mit Leben zu erfüllen. Es braucht vor allem Projekte, die den Standort langfristig sichern. Eines dieser Projekte, das mir besonders am Herzen liegt, hat ein gewisser Bürgermeister Michael Häupl 2005 schon einmal kurz angezogen, um es dann wie ein Spielzeug, das man nicht mehr möchte, wegzulegen, nämlich den Glasfaserausbau für diese Stadt. Ich freue mich ja, dass diese Materie, die zuletzt ein bisschen ungeliebt in der Kultur verräumt war, jetzt bei Ihnen im Bereich der Digitalisierung angesiedelt ist, und ich hoffe, dass man hier wirklich beginnt, an dem Standort so wesentliche Fiberisation, also Glasfaserkabelausbau weiterzutreiben, weil das wird uns in zehn Jahren, wenn wir heute damit beginnen, einen Wettbewerbsvorteil sichern, der uns und den Unternehmen in dieser Stadt wirklich weiterhilft.

 

Ein weiteres Projekt, bei dem wir Sie, Herr Stadtrat, auch für die Wirtschaftsagenda genauso messen wollen wie den neuen Herrn Bürgermeister, sind natürlich auch die Verkehrsinfrastrukturprojekte. Wir hatten jetzt acht Jahre, in denen diese Stadtregierung gemeinsam hü und hott gesagt hat. Und jeder Bürger, der sich das angehört hat, hat sich aussuchen können, was er jetzt eigentlich glaubt. Ja, ich spreche beispielsweise den Lobau-Tunnel an, wo wir einen Bürgermeister hatten, der gemeint hat, das kommt eh, und eine Verkehrsstadträtin, die ganz massiv dagegen gekämpft hat. Und diese Stadtregierung hat uns, der Opposition, noch versucht, zu verkaufen, derartige Zustände seien eigentlich ganz normal und überhaupt kein Grund zur Aufregung. - Ich erwarte mir im Sinne der Wienerinnen und Wiener, dass es eine klare, einheitliche Linie dieser Stadtregierung zu so wichtigen Projekten wie dem Lobau-Tunnel und der 3. Piste gibt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich erwarte mir - und auch das ist etwas, was dem Wirtschaftsstadtrat nicht gleichgültig sein darf - eine Verkehrspolitik, die Unternehmen und Konsumenten nicht in den Speckgürtel rund um Wien treibt, die nicht Satelliteneinkaufszentren und Satellitenindustriegebiete entstehen lässt, sondern für eine lebendige Stadt mit einem Mix der Vielfalt kämpft. Auch da werden Sie gefordert sein, Herr Stadtrat.

 

Aber ich möchte nicht verhehlen, dass mir auch einige Punkte in Ihren Ausführungen heute gefallen haben, zum Beispiel, wenn Sie über neue Ansätze für die Finanzierung von EPUs nachdenken wollen. Ja, das ist höchst an der Zeit. Und ich sage Ihnen ganz offen, es freut mich auch, wenn Sie gesagt haben, dass Sie natürlich schon die Notwendigkeit einsehen, dass irgendwann einmal Spargesinnung in diese Wiener Stadtverwaltung einziehen muss. Umso mehr freut es mich, dass Sie sich sogar des Grundsatzes unserer Bundesregierung bedienen, im System und nicht bei den Menschen zu sparen. Ich glaube, dass es dafür in der Tat sehr viele Möglichkeiten gibt. Ich darf Ihnen drei Punkte nennen, wo man zum Beispiel privat ganz offensichtlich viel effizienter haushalten kann, als das zumindest bis dato die öffentliche Hand in Wien in der Lage war.

 

Nehmen wir doch beispielsweise einen Kontrollamtsbericht zu den Wiener Linien. Da geht es darum, ein Missverhältnis zwischen den Kosten für Autobuslinien im Auftragsverkehr - Dr. Richard und andere - im Vergleich zu den Autobuslinien, die von den Wiener Linien in Eigenregie geführt werden, festzustellen. Und was sagt das Kontrollamt? Nicht der Manfred Juraczka, was sagt das Kontrollamt? Demnach kostet der Nutzkilometer im Eigenbetrieb der Wiener Linien durchschnittlich 5,85 EUR, im Auftragsverkehr hingegen lediglich 3,41 EUR. Der öffentliche Betrieb war somit um sage und schreibe 71 Prozent teurer als der private Betrieb, Herr Stadtrat. Ein Beispiel, das zu denken geben sollte.

 

Ein weiteres Beispiel sind die Kosten im Gesundheitsbereich. Die Wiener Spitäler benötigen Zuschüsse seitens der Stadt Wien, und auch hier gibt es Unterschiede zwischen dem privaten und dem öffentlichen Bereich. Ein Indikator für die Effizienz ist der Abgang je Bett. Dieser liegt beim KAV bei rund 63.800 EUR, bei den Wiener Ordensspitälern bei 27.500 EUR. Auch das sollte uns wachrütteln.

 

Und ein drittes Beispiel sind die Betriebskosten. Auch hier sei gesagt, nirgends sind die Betriebskosten so hoch wie bei Wiener Wohnen, wo Sie bei rund 2,30 EUR/m² liegen und damit weit über den durchschnittlichen Betriebskosten im privaten Bereich. Auch das ist nicht gottgegeben und auch dagegen gilt es anzukämpfen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sehr geehrter Herr Stadtrat, ich habe es Ihnen schon gesagt, wir waren gespannt auf Ihre Rede heute, in welche Richtung die Wirtschaftspolitik und die Finanzpolitik in der Stadt gehen. Wirklich messen wird man Sie erst am Budget 2019 können, das Sie uns im Herbst oder knapp vor Weihnachten dieses Jahres vorlegen werden.

 

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