Gemeinderat, 38. Sitzung vom 25.06.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 49 von 149
mer, der Industriellenvereinigung, der Landwirtschaftskammer in Kooperation mit Gewerkschaft und Arbeiterkammer getroffen wurde, und die Zurverfügungstellung von Betriebsflächen für Industrie und Gewerbe.
Für mich besonders interessant und neu war, dass Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, auch für Verfahren, die im Gewerbebereich, im Gewerberecht und vor allem im Normenwesen liegen, neue Rahmenbedingungen schaffen wollen, die günstiger für die Unternehmen wären, das war für mich neu. Sie haben weiters solide Finanzen und viele weitere Bereiche angesprochen.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, das sind durchaus akzeptable Überlegungen. Einen Begriff haben Sie jedoch in Ihren Ausführungen nicht gebracht, diesen habe ich vermisst, und zwar waren das die KMUs, die Klein- und Mittelbetriebe, die immerhin 98 Prozent aller Wiener Betriebe ausmachen, nur 2 Prozent sind Großbetriebe. Begründen werde ich das dann gleich anschließend.
Sehr geehrter Herr Finanzstadtrat! Auch in Ihren Interviews und Pressemeldungen vermisse ich die Klein- und Mittelbetriebe. In der Zeitung „Die Presse“ fand ich eine interessante Aussage von Ihnen, die Sie heute wiederholt haben. Es geht darum, dass Sie bis 2020 rund 900.000 unselbstständig Beschäftigte haben wollen, also um 50.000 mehr als bisher. Sehr geehrter Herr Stadtrat, ich fürchte, ohne die KMUs werden Sie diese 50.000 nicht schaffen. Denn wie sieht es mit diesen Unternehmen tatsächlich aus? Die Hochkonjunktur im Jahr 2017 hat die Situation bei den Unternehmensinsolvenzen entspannt. Spitzenreiter im Aufschwung sind die Bundesländer Steiermark und Salzburg mit einem Rückgang der Insolvenzen um 13,5 Prozent beziehungsweise um 12,5 Prozent. In Wien sind die Unternehmensinsolvenzen gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozent gesunken. In ganz Österreich betrugen im Jahr 2017 die Unternehmensinsolvenzen 5.229, in Wien waren es 1.761, eine noch immer bedauerlich hohe Anzahl. Das bedeutet, dass 33,7 Prozent aller Insolvenzen Österreichs in Wien stattfinden. Mit diesem Prozentsatz findet somit jede dritte Unternehmenspleite in Österreich in Wien statt. 1.761 Unternehmensinsolvenzen in Wien bedeuten weiters, dass pro Tag 5 Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. In den zwei Tagen unserer Rechnungsabschlussdebatte gehen zehn Unternehmen pleite.
Das ist doch entsetzlich, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Finanzstadtrat, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe noch eine weitere Statistikquelle - Creditreform - über die Insolvenzquote im 1. Quartal 2018, also ganz aktuelle Zahlen. Unter Insolvenzquote versteht man das Verhältnis der Anzahl der Insolvenzen je 1.000 Unternehmen. In dieser Statistik liegt Wien mit 5,5 mit Abstand an der Spitze vor allen Bundesländern, gefolgt von Kärnten und dem Burgenland mit jeweils 4,5, am besten schneidet Tirol mit 1,6 ab. Aber was bedeutet diese Quote 5,5 für Wien? - Das bedeutet, dass von 1.000 Unternehmen im 1. Quartal 2018 fast 6 in die Insolvenz geschlittert sind.
Das Hauptproblem der KMUs in Österreich ist das geringe Eigenkapital. Auf dieses Problem habe ich hier schon oftmals hingewiesen und es mit entsprechendem Zahlenmaterial belegt. Was bedeutet zu wenig Eigenkapital? - Fremdkapital und somit Kredite. Die Kreditwürdigkeit dieser Unternehmen wird von den Banken laufend überprüft. Täglich flattern solche Briefe der Banken in meine Steuerberatungskanzlei, mit denen Unterlagen dieser Unternehmen angefordert werden. Die Bilanzen der Jahresabschlüsse dieser Unternehmen werden dann von den Banken auf Grund der Bestimmungen von Basel II und Basel III genauestens überprüft. Sollten diese Jahresabschlüsse nicht den Bestimmungen oder Vorstellungen des Kreditinstitutes entsprechen - die Probleme liegen im Regelfall bei der Eigenkapitalquote und bei den Sicherstellungen -, hat dies für das Unternehmen oftmals böse Folgen. Im Extremfall kann es sogar zu einer Fälligstellung der Kreditschuld kommen, was Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz bedeutet. Die schon sehr strengen Bestimmungen von Basel III sollen übrigens ab dem Jahr 2021 von noch strengeren Bestimmungen, Basel IV, abgelöst werden.
Leider hat Rot-Grün die Wiener Wirtschaftsförderung seit dem Jahr 2015 um weitere 13 Millionen EUR gekürzt. Im Rahmen des rot-grünen Sparpakets WiStA ist in den nächsten Jahren mit einer weiteren Kürzung der Wirtschaftsförderung zu rechnen. Hier wird sicher am falschen Platz gespart, denn durch die Wirtschaftsförderung werden auch Arbeitsplätze bei den Klein- und Mittelbetrieben sichergestellt. Neben diesen Einsparungen bei der Wirtschaftsförderung haben auch die Banken, wie schon erwähnt, im Rahmen der Basel-Bestimmungen immer mehr ihre Kreditbedingungen verstärkt. Aus diesem Grund stellen die gefertigten Gemeinderäte gemäß der Geschäftsordnung der Stadt Wien folgenden Beschlussantrag:
„Der zuständige Stadtrat der Geschäftsgruppe Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales wird ersucht, sich für eine neue Wirtschaftspolitik in Wien einzusetzen. Dabei ist ein Haftungspaket der Wirtschaftsagentur Wien sowie ein neuer Mittelstandsfonds für die Klein- und Mittelbetriebe zu schaffen.
In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung verlangt.“ (Beifall bei der FPÖ.)
Ich muss jetzt noch einmal auf die Wirtschaftsförderung zu sprechen kommen, die leider schon seit vielen Jahren rückläufig ist. Laut Rechnungsabschluss betrug die Wirtschaftsförderung im Jahr 2010 noch 137 Millionen EUR, 2015 waren es nur mehr 66 Millionen EUR und 2017 53 Millionen EUR. Das bedeutet, dass gegenüber 2010 die Wirtschaftsförderung bis zum Jahr 2017 um 84 Millionen EUR gekürzt wurde, das sind immerhin 62 Prozent. Auch bei den KMUs sind natürlich Kürzungen erfolgt. Im Jahr 2010 waren es 46 Millionen EUR, im Jahr 2017 nur noch 31 Millionen EUR, das ist ein Minus von 15 Millionen EUR oder 33 Prozent. Ganz krass war es bei der Garagenförderung, die 2010 noch 25 Millionen EUR betrug, 2017 nur noch 3 Millionen EUR, also um 22 Millionen EUR, um 88 Prozent weniger.
Vor allem die Kürzung der Wirtschaftsförderung für die KMUs ist für mich vollkommen unverständlich, da die KMUs eine wesentliche Säule der Wiener Wirtschaft und des Wirtschaftsstandortes Wien sind. Viele dieser Unter
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