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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 25.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 95 von 149

 

Schauen wir uns an, dass 60 Prozent der Pflichtschülerinnen und Pflichtschüler die Bildungsstandards in Deutsch nicht erreichen. Was anderes als ein Kollaps ist es, wenn man diese Zahlen ansieht? Ich finde keine anderen Worte dafür, vor allem deshalb, weil es hier um die Bildungschancen einer ganzen Generation geht. Hier geht es um die Bildungsgerechtigkeit für die jungen Menschen dieser Stadt. (Beifall bei den NEOS.)

 

Eigentlich müsste ich davon ausgehen, dass vor allem der Sozialdemokratie diese Bildungsgerechtigkeit ein Anliegen ist. Aber wenn man sich Wien anschaut, sieht man, dass diese Bildungschancen unglaublich ungleich verteilt sind und diese Schere der Bildungschancen immer weiter aufgeht. Wer von Ihnen, ehrlich gesagt, möchte seine Kinder an eine Brennpunktschule geben? (GRin Dr. Claudia Laschan: Ich!) Wer, auch in der Sozialdemokratie, der nur irgendeine Chance hat, versucht, seine Kinder in eine Privatschule oder in ein Gymnasium zu geben? (GRin Dr. Claudia Laschan: Ich nicht!) Dann sind Sie aber eine absolute Minderheit, auch innerhalb der Sozialdemokratie (GRin Dr. Claudia Laschan: Nein!), weil ich habe viele Schulen besucht oder mit Direktoren gesprochen.

 

Es gibt Brennpunktschulen, wo kaum mehr ein Kind ist, das Eltern hat, wo den Eltern Bildung ein Anliegen ist. Das heißt, wir kommen zu einer unglaublichen Segregation der Wiener Schulen. Wir haben Schulen, an denen kaum mehr unterrichtet werden kann. Darüber wird mittlerweile zum Glück auch ein bisschen berichtet, weil endlich diese Maulkorbmentalität, die jahrzehntelang in dieser Stadt geherrscht hat, aufbricht, es den Lehrerinnen und Lehrern schon reicht und diese endlich auch an die Öffentlichkeit gehen. Es ist ein ganz wichtiger Schritt, dass diese dramatische Situation, die Lehrerinnen und Lehrer an manchen Wiener Pflichtschulen haben, auch öffentlich diskutiert wird. Wenn man mit diesen Direktorinnen und Direktoren spricht, fühlen sie sich allein gelassen, im Stich gelassen mit den Herausforderungen, die sie haben. (GRin Dr. Claudia Laschan: Das stimmt doch nicht!) - Sie können durch Hereinrufen die Realität leugnen. Aber wenn mir Direktoren erzählen, wenn sie massive Konflikte an den Schulen haben und einen Schulpsychologen haben wollen, aber keiner innerhalb der nächsten Woche verfügbar ist, dann sind sie wirklich allein gelassen. Wenn es massive Probleme mit Gewalt gibt und kaum Möglichkeiten für Direktorinnen und Direktoren vorhanden sind, dagegen vorzugehen, dann sehen wir ein massives Problem an den Wiener Pflichtschulen! (Beifall bei den NEOS.)

 

Deshalb ist es Zeit aufzuwachen und Zeit, das Bildungssystem in dieser Stadt zu reformieren. Klar ist Schwarz-Blau auch gefordert, am österreichischen Bildungssystem viel zu machen, aber auch auf Landesebene ist einiges möglich. Ich sehe Wien ein bisschen wie London vor zehn Jahren, wo eine ähnliche Entwicklung stattgefunden hat, über starke Migration von bildungsfernen Schichten, einer starken Segregation an einzelnen Schulen, die zu Brennpunktschulen wurden, und einer unglaublichen Herausforderung an diesen Schulen. In dieser Situation sind wir jetzt auch ungefähr in Wien. Was London gemacht hat, ist, einen besonderen Fokus auf genau diese Brennpunktschulen zu setzen, wo alle schon gesagt haben, sie sind verloren und darum muss man sich gar nicht mehr kümmern. Aber genau um diese Schulen, um diese Brennpunktschulen, die es dutzendweise in Wien gibt, muss man sich besonders kümmern. (GRin Dr. Claudia Laschan: Wo sollen diese Brennpunktschulen sein?) Auf diese muss man besonders schauen, weil diese Schulen sind gestaltbar und veränderbar. (GRin Dr. Claudia Laschan: So ein Unsinn!) In London haben es innerhalb von ein paar Jahren genau diese Brennpunktschulen geschafft, in schwierigen Gegenden zu soliden Schulen zu werden. Dort werden die Indikatoren der Schulen und die Ergebnisse auch veröffentlicht. Das heißt, man sieht, dass sich diese Brennpunktschulen der Vergangenheit über Maßnahmen, die in London gesetzt worden sind, um genau diese Schulen zu attraktivieren, langsam hinaufarbeiten. Man muss diese Schulen attraktivieren, damit Eltern ihre Kinder wieder gern an öffentliche Schulen geben, aber auch, dass gute Lehrerinnen und gute Lehrer an diese Schulen gehen. Auch wird mir berichtet, dass viele Direktoren von solchen Brennpunktschulen Probleme haben, überhaupt Lehrer zu finden, die gern an diese Schule gehen, weil es natürlich einfacher ist, in Niederösterreich zu unterrichten als an einem solchen Hot Spot.

 

Diese Situation wird dadurch noch schwieriger werden, dass die LehrerInnenausbildung jetzt vereinheitlicht wurde, was im Prinzip gut ist. Aber genau dadurch werden noch weniger Lehrerinnen und Lehrer an Neue Mittelschulen gehen wollen. Hier ist die Politik gefordert, jetzt ein Programm anzubieten, damit der Einstieg in schwierige Schulen attraktiver wird. Hier braucht man bessere Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer über Support-Personal. Man braucht eine Begleitung der Lehrpersonen im Schulalltag. Man braucht eine bessere LehrerInnenausbildung, wo es auch verpflichtend ist, an einer Neuen Mittelschule oder an einer Pflichtschule ein Praktikum zu machen, um das einmal gesehen zu haben.

 

Was wir brauchen, ist Support an den Schulen, nicht nur psychosozial oder medizinisch, sondern auch administrativ. Wenn ich Direktor an einer Pflichtschule bin und das Telefon den ganzen Tag über selber abheben muss, den Supplierplan selber machen muss, ist klar, dass kaum mehr Zeit für die pädagogische Führung der Schule bleibt. Das heißt, hier brauchen wir an den Schulen Support-Personal für die Verwaltung. Das gibt es in anderen Bundesländern sehr wohl.

 

Wir müssen an diesen Brennpunktschulen die Klassengrößen massiv verringern, um das Betreuungsverhältnis zu verbessern.

 

Wir müssen die Autonomie stärken, damit die Lehrer vor Ort selber entscheiden können, welche Art des Unterrichts sinnvoll ist, ob Teamteaching an dieser Schule sinnvoll ist oder nicht. Das sollen bitte die Schulen entscheiden.

 

Ich möchte Bildungsstandards, die in Zukunft auch veröffentlicht werden, damit man sieht, an welchen Schulen es besondere Herausforderungen und besondere

 

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