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Gemeinderat, 38. Sitzung vom 25.06.2018, Wörtliches Protokoll  -  Seite 109 von 149

 

GRin Mag. Faika El-Nagashi (GRÜNE)|: Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren, Gäste auf der Galerie, Zusehende im Livestream!

 

Integration in Wien ist von der Frage der Menschenrechte nicht zu trennen. Das ist weder verwerflich noch träumerisch, ganz im Gegenteil! Es bräuchte viel mehr davon. Wien ist damit vorbildhaft im Sinne von Demokratiekultur, Emanzipation und Partizipation. Das ist nämlich der Kern von Integrationspolitik, von der Sie keine Ahnung haben, an der Sie kein Interesse haben und mit der Sie Schindluder treiben, indem Sie Ängste und Unsicherheiten schüren und auf Geflüchtete und die muslimischen Communities lenken.

 

Integration in Wien ist ein Weg, der nur gemeinsam möglich ist. Deswegen zählen wir auf die Arbeit, auf die Erfahrung, auf die Expertise, auf das Engagement der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vereinen, in den NGOs, in den Beratungsstellen und auf ihren Beitrag bei der Vermittlung von Sprache und ihren Beitrag an Beratung, Unterstützung und Begleitung beim Ankommen. Denn das ist es, worum es geht: Ein Ankommen zu ermöglichen, eine Orientierung möglich zu machen, damit man einen Platz in der Gesellschaft finden kann, der es ermöglicht, Teil der Gesellschaft zu sein.

 

Dieses Ankommen kann nun begleitet sein von Buh-Rufen, von Schikanen, von Diskriminierung und von sonstigen ausgrenzenden Anwandlungen, wie Sie es gut können, oder von einem Willkommen, welches das vielleicht ein wenig erleichtert, was bevorsteht, nämlich die sprachlichen Herausforderungen, die Arbeitsmarktintegration, die Hürden des Bildungssystems, das Leben zwischen Kulturen, zwischen alten und neuen Gepflogenheiten und ganz banalen Wünschen betreffend ein Leben in Sicherheit und Frieden für sich und die eigene Familie, kurz: „Life, liberty and the pursuit of happiness.“

 

Sie allerdings diffamieren die Arbeit der Stadt und ihrer Magistratsabteilungen und fordern eine Abkehr von der Willkommenskultur. - Ich lese Ihnen einmal vor, wie wir Willkommenskultur ins Regierungsübereinkommen geschrieben haben.

 

„NeuzuwanderInnen“ - und Männer sind hier mitgemeint (GR Mag. Wolfgang Jung: Das verstehen sie sicherlich!) - „brauchen Unterstützung und Orientierung, um die mitgebrachten Fähigkeiten und Fertigkeiten rasch in die Gesellschaft einbringen zu können.“ - Sogar Sie könnten hier einen Aspekt von Leistung herauslesen!

 

Ich zitiere weiter: „Es sind heute vor allem Menschen aus EU-Staaten, die nach Wien kommen, sich einbringen und ihre Zukunft hier gestalten. Eine Herausforderung liegt aber auch in der dynamischen Entwicklung der Flüchtlingszahlen. Wien lässt Menschen, die aus Krisengebieten fliehen mussten, nicht im Stich. Um ihnen Orientierung zu bieten, braucht es Maßnahmen in den Bereichen Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt sowie Zusammenleben.“

 

Die ÖVP und FPÖ wollen also eine Abkehr davon! Was ist denn Ihr Modell? (GR Armin Blind: Das haben wir schon gesagt!) Etwa das, was Sie derzeit in Niederösterreich treiben? Dort haben 110 Menschen im Caritas-Flüchtlingsheim St. Gabriel in Maria Enzersdorf gewohnt, davon 24 Minderjährige, 37 körperlich oder psychisch kranke Erwachsene und ihre 47 Angehörigen. Ein Teil dieser Menschen - und wenn es nach der FPÖ gegangen wäre, dann hätte es alle getroffen! - werden jetzt in eine andere Unterkunft verlegt, ohne Not, aber mit Zwang. (GR Mag. Wolfgang Jung: Sagen Sie auch dazu, dass das nach vielen Randalen und Polizeieinsätzen, und so weiter geschehen ist!)

 

Die Menschen werden aus ihrem sozialen Umfeld, Kinder aus den Schulen gerissen. Viele Kranke haben ihre ärztliche Versorgung in der Region oder Therapien in Wien. Sie fürchten, diese nicht mehr wahrnehmen zu können. Manchen steht eine Operation bevor, andere haben eine Lehrstelle in der Nähe von St. Gabriel gefunden.

 

„Wenn Sie mir diesen Ort wegnehmen, weiß ich nicht mehr, wohin.“ - So beschreibt eine Bewohnerin ihre Situation. Es ist dies eine Betreuungseinrichtung für psychisch kranke Flüchtlinge, für krebskranke Personen, für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, für Pflegebedürftige, für schwer Traumatisierte. Auch die Ordensbrüder der Steyler Missionare, denen das Kloster, in dem sich die Unterkunft befindet, gehört, sprechen sich für den Verbleib der Geflüchteten aus.

 

300 Menschen kamen im strömenden Regen zum Protest vor dem Kloster, unter ihnen der katholische Geistliche, Missionswissenschaftler und ehemalige Gemeindepfarrer Jakob Mitterhöfer sowie Pater Franz Helm, bis März Generalsekretär der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs. Letzterer ist ein direkter Nachbar, und er setzt sich ebenso für das Flüchtlingsheim ein wie die Caritas, die das Heim betreut.

 

Ist das Ihre Abkehr von der Willkommenskultur? Stellen Sie sich das so vor? Ist es das, was Sie für Wien wollen? - Die Verlegungen haben bereits begonnen. Unter denjenigen, die umziehen müssen, sind eine Frau, die unter Hypoplasie und spastischen Lähmungen leidet sowie ein russischer Künstler, 77 Jahre alt, psychisch krank und pflegebedürftig. Er wurde ebenso abgeholt wie ein Asylwerber, der wegen rasch fortschreitender Multipler Sklerose auf den Rollstuhl angewiesen ist, sowie zwei Dialysepatienten, die bereits seit sieben und acht Jahren dort leben.

 

In Niederösterreich ist es übrigens der FPÖ-Landesrat Waldhäusl, der die ÖVP vor sich hertreibt. Das ist derjenige, der allen Ernstes über Hunde mit Migrationshintergrund spricht und vor ihnen warnt und der 2016 schon einmal kurzerhand 20 Flüchtlingskinder aus der Feriensommerbetreuung geschmissen hat.

 

Ist das das, wofür Sie stehen? Zeigt sich Ihr Verständnis von Menschlichkeit und Menschenwürde im Besonderen dann, wenn die ÖVP mit der FPÖ zusammenarbeitet? Ihre Glaubwürdigkeit in der Integrationspolitik ist gleich null! Wenn parallel zur menschlichen Brutalität in St. Gabriel die FPÖ, so wie heute, Anträge stellt, um am Welt-Autismus-Tag ein öffentliches Gebäude blau anstrahlen zu lassen, dann ist Ihre Glaubwürdigkeit null!

 

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