Gemeinderat, 38. Sitzung vom 25.06.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 124 von 149
dass die Stadt Wien versucht, hier auch gerichtlich diesbezüglich hervorzugehen, denn die Glaubwürdigkeit in der Gesundheitspolitik hat aus meiner Sicht Schwarz-Blau schon massiv verloren.
Da gibt es viele andere Bereiche, und ich finde das ja sehr amüsant, wenn man vom Grillen und Feinstaub und Luftbelastung spricht, gleichzeitig aber hier mit dem Rauchen voranschreitet. Das ist vollkommen absurd! Ich muss hier ganz ehrlich sagen, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, das ist ein Kasperltheater! Das ist die eine Seite. (Beifall bei NEOS und GRÜNEN.)
Die andere Seite - und ich glaube, dass das langfristig oder mittelfristig schon ein großes Thema sein wird -, ist, dass wir so die Wiener Gesundheitsversorgung langfristig nicht finanzieren werden können. Wir werden hier in ein echtes Finanzierungsproblem hineinlaufen, weil die Menschen natürlich älter werden, weil es in vielen Bereichen zu einer Chronifizierung von Krankheiten kommt. Schmerz ist ein Thema, auf das ich dann noch speziell gesondert eingehe. Das heißt, das wird ein großes Problem werden. Das Thema der Mehrklassenmedizin ist ja heute schon gegeben und bereits heute Realität. Das heißt, wenn wir so weitermachen, wird das auch noch entsprechend zunehmen. Daher ist es - und das ist eines der wesentlichen Themen, auf das ich immer wieder zu sprechen komme - das Thema, dass wir hier eine massive strukturelle Veränderung brauchen und die geht über das ganze Spitalskonzept 2030 hinaus.
Solange wir hier nicht ernsthaft auch im Bereich der Primärversorgung oder anderen Strukturen darüber nachdenken, wie das auszugestalten ist, wie das vor allem zu finanzieren ist und wie das vor allem auch kostenträgerübergreifend zu finanzieren ist, bleibt das letztendlich Makulatur. Ganz ehrlich glaube ich auch nicht - davon bin ich mittlerweile schon ziemlich überzeugt -, dass das Spitalskonzept 2030 in der Form umsetzbar sein wird. Manchmal beschleicht mich der Gedanke, dass das schon ein bisschen einem Potemkin‘schen Dorf gleicht, weil vieles so nicht funktionieren wird.
Wenn wir uns das jetzt am Beispiel des KH Nord anschauen, möchte ich auf das eigentlich nicht im Detail eingehen - aber allein die Schwierigkeit hinsichtlich der Betriebsführung, hinsichtlich der technischen Inbetriebnahme! Wenn ich das für all die anderen Bauprojekte multipliziere, die ja noch notwendig wären, weiß ich nicht, wie das unmittelbar in diesem kurzen Zeitraum finanziert werden kann und ob es überhaupt die Leute gibt, die das auch tatsächlich so umsetzen werden können. Das ist die eine Ebene.
Die andere Ebene: Man hat ja in Wien zum Thema Primärversorgung etwas versucht. Da gibt es das eine Zentrum in Mariahilf, und dann hat man das zweite in der Donaustadt versucht. Es hat sich über Jahre gezogen, langwierige Ausschreibungen, mit teilweise ganz absurden Rahmenbedingungen, 170 m entfernt vom Donauspital. Kein Mensch versteht, warum man eine Primärversorgungseinheit so unmittelbar vor einem Spital platziert. Dann hat man Ärzte gesucht, dann hat man die gefunden, die haben vorher noch nie zusammengearbeitet, und offensichtlich hat das Ganze insgesamt nicht geklappt. Zumindest wenn man den Medienberichten Glauben schenken darf, wird das so nicht funktionieren und ist eigentlich zum Scheitern verurteilt. Da stelle ich mir schon die Frage. Das ist jetzt einige Zeit gelaufen, man hat das groß als das Wiener Modell abgefeiert, aus diesem Wiener Modell habe ich bis dato noch wenig Evaluierungen gesehen: Wie versorgungswirksam ist denn das überhaupt? Welche Schnittstellen gibt es denn zwischen dem Donauspital und dieser Primärversorgungseinheit? Das sind viele, viele offene Fragen.
Daher bringe ich auch einen ganz konkreten Antrag ein, denn uns ist die ganz konkrete Versorgung in Wien extrem wichtig, die auf der einen Seite dem Patienten hilft, aber auf der anderen Seite auch eine Entlastung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wiener Krankenanstaltenverbundes bietet. Das betrifft die Einrichtung einer allgemeinmedizinischen Akutordination, einer sogenannten AMA im Wiener Donauspital. Denn ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass die Primärversorgungseinheit, so wie sie dort vorgesehen ist, in der Realität je umgesetzt werden kann oder jene Versorgungswirksamkeit erreicht, die tatsächlich notwendig ist. Daher sollte man das Modell, das ja bereits im AKH eingesetzt wird, auch dort unmittelbar etablieren.
Deswegen bringe ich hier einen Antrag ein: Der Gemeinderat fordert den zuständigen Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport dazu auf, eine solche allgemeinmedizinische Akutordination wie auch im Wiener AKH vorzusehen, sich an dem zu orientieren und natürlich den örtlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen anzupassen. Denn das ist tatsächlich die effektivste Form eines Patientenleitsystems, wo ich sage, okay, zuerst gehe ich in diese Ambulanz und erst dann, wenn notwendig, gehe ich ins Spital. Die Erfolge beim AKH zeigen, dass nur 20 Prozent der Patienten dann tatsächlich nachher ins Spital müssen. Damit habe ich eine effektive Struktur, die eigentlich nicht sehr viel Geld kostet. Das einzige Problem, das man dort haben wird, ist, ob man die entsprechenden Ärzte auch tatsächlich findet, aber das ist auch eine Frage der entsprechenden Ausgestaltung. Das ist einmal der erste Antrag. (Beifall bei den NEOS.)
Ein zweiter Aspekt, den ich auch für sehr wichtig erachte, denn das ist ein Thema, das eine älterwerdende Bevölkerung zunehmend erfasst, ist das Thema des Schmerzes, vor allem die Chronifizierung des Schmerzes. Hier sind wir im internationalen Vergleich österreichweit extrem unterversorgt, in Wien im Besonderen. Ich habe hier wirklich auch mit den Vertretern der österreichischen Schmerzgesellschaft darüber gesprochen und sie auch eingeladen, das entsprechend zu diskutieren, weil es mir auch wichtig ist, die Fachleute hier reinzuholen. Ich glaube, dass es dringend notwendig ist, in Wien eine Schmerzversorgung zu etablieren, die multimodal und interdisziplinär ist, also mehrere Fachgruppen beinhaltet. Was wir derzeit in Wien haben, nämlich de facto im Wilhelminenspital und in der Rudolfstiftung, ist insgesamt viel zu wenig, auch was die Öffnungszeiten betrifft.
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