Gemeinderat, 44. Sitzung vom 26.11.2018, Wörtliches Protokoll - Seite 81 von 104
Ein Wort zum Krankenhaus Nord: Wir werden die Debatte zum Krankenhaus Nord noch zur späteren Zeit führen. Ich möchte jetzt nur zwei Punkte erwähnen. - Erstens möchte ich in Erinnerung rufen, dass die Untersuchungskommission noch nicht fertig ist. Das heißt, es gibt noch kein Ergebnis. Alle, die schon ein Ergebnis haben, erwecken den Anschein von Befangenheit. Zweitens: Bitte kritisieren Sie die Homepage weiter, und zwar möglichst unter Nennung des vollständigen Namens! Für diese Werbung sind wir Ihnen dankbar!
Damit zu einem wesentlichen Punkt, nämlich zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung beziehungsweise zur Frage, wie wir Armut in Wien bekämpfen: Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man Armut bekämpfen kann. Man kann sie einerseits passiv bekämpfen. Das ist das karitative Konzept, indem man sagt: Ihr seid arm. Da habt ihr eine Klostersuppe und eine Luftmatratze. - Das ist dann die entsprechende Fürsorge.
Andererseits kann man Armut nachhaltig bekämpfen, indem man beispielsweise die Bedarfsorientierte Mindestsicherung als Sprungbrett in den ersten Arbeitsmarkt hinein entwickelt und dementsprechende Maßnahmen dazu setzt. - Das ist das, was wir hier in dieser Stadt tun, und ich glaube, darauf können wir auch ein bisschen stolz sein! Das kostet Geld, keine Frage, aber das spart auch Geld. Das kostet Geld, aber im Tausch dazu bekommt man soziale Sicherung und Würde beziehungsweise „dignity“. Und das macht einen Sozialstaat aus. Wir sind ein Sozialstaat beziehungsweise eine soziale Stadt. Noch ist Österreich ein Sozialstaat, aber ich weiß nicht, ob wir es bleiben, wer weiß! Ich bin in Sorge! In Wien ist das aber auf jeden Fall so, und es soll auch so bleiben, dass man sich hier auf das soziale System verlassen kann.
Ich versuche, Ihnen das an einem Beispiel zu illustrieren. Stellen wir uns einmal Frau Pospischil vor, die Ecke Troststraße/Neilreichgasse in Favoriten wohnt. Sie wohnt wirklich dort, aber sie heißt nicht Pospischil, ich habe den Namen geändert. Aber es gibt sie, die Pospischils dieser Erde. (Zwischenruf von GR Mag. Wolfgang Jung.)
Sie ist, Kollege Jung, wie man am Namen erkennen kann, keine Migrantin der ersten Generation. Sie wohnt schon länger in Favoriten, und sie ist ein Mensch, der in seinem Leben nicht nur Glück gehabt hat. Das soll vorkommen. Sie ist eine relativ resolute Frau, aber sie ist nicht besonders gesund. Sie hat keine besonders gute Ausbildung. Sie wurde von ihrem Lebensgefährten geschlagen und dann verlassen, was sie gekränkt hat. Sie wurde aber aufgefangen, man half ihr also. Sie konnte sich auf das soziale System verlassen.
Das ist also Frau Pospischil, und Frau Pospischil lebt jetzt in dieser Gemeindebauwohnung in Favoriten, Ecke Neilreichgasse/Troststraße, im sozial textierten Wien. Und ich darf Ihnen verraten: Frau Pospischil ist hie und da ziemlich ang‘fressen auf die SPÖ, weil sie der Meinung ist, wir kümmern uns zu wenig um sie. Sie sieht uns also sehr kritisch. - In Anbetracht dessen sage ich: Wir müssen uns halt mehr bemühen, dass uns Frau Pospischil nicht so kritisch sieht! Jedenfalls ist sie aber eine wichtige Person in unserer Stadt.
Was erlebt Frau Pospischil jetzt? - Frau Pospischil bekommt die Mitteilung, dass sie vom Arbeitsmarktservice segmentiert wird. Frau Pospischil wird segmentiert. (GR Mag. Wolfgang Jung: Wie alt ist sie?) Frau Pospischil ist 50. Dafür kann sie aber nichts! Sie kann nichts dafür, dass sie 50 ist. Das ist so! Was soll man machen? Wenn sie 24 wäre, wäre sie wahrscheinlich froher, aber sie ist 50, da kann man nichts machen.
Sie hat in ihrem Leben schon viel geleistet, sie hat sich bemüht, sie ist keine Tachiniererin, sondern sie ist rege und rüstig, aber jetzt ist sie halt krank, und es wird ihr mitgeteilt, dass sie segmentiert ist. Sie weiß natürlich nicht, was das heißt, und geht fragen, was es bedeutet, segmentiert zu sein. Darauf sagen wir ihr: Du bist eine von 38.000 Leuten in Wien, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung bekommen. Frau Pospischil bekommt nämlich Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Damit ist sie abgesichert.
Bei der Segmentierung kommt Frau Pospischil ins Segment C. - Das haben übrigens nicht wir in Wien erfunden, das möchte ich nur sagen. - Sie kommt ins Segment C, und das heißt, dass ihr nicht mehr weitergeholfen wird. Sie bekommt keine weiteren Maßnahmen, sie bleibt, wo sie ist.
Jetzt könnte man sagen: Okay! Sie ist in Sicherheit. - Das ist sie aber nicht, denn über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung, die sie bekommt, wird ja diskutiert. Man könnte sagen, dass sie Glück hat, dass sie in der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ist. Nehmen wir an, Frau Pospischil wäre in der Notstandshilfe. Was geschähe dann mit Frau Pospischil? - Dann müsste sie sich Sorgen machen, denn die Frau Pospischil wäre, wenn sie in der Notstandshilfe wäre, in der Situation, dass man ihr sagen müsste: Freundin, du bleibst nicht in der Notstandshilfe, du kommst in die Mindestsicherung, und das hat den Effekt, dass der ganze Reichtum verfällt. Dazu kann man sagen: Frau Pospischil hat keinen Reichtum, also ist das wurscht! Aber ab dem Zeitpunkt, da sie Bedarfsorientierte Mindestsicherung bezieht, bekommt sie keine Pensionszeiten mehr, denn diese bekommt sie nur über das Arbeitsmarkservice, und das wäre halt die Notstandshilfe. - Das ist ein Problem für die Frau Pospischil in der Troststraße im Pernerstorferhof, so heißt nämlich der Gemeindebau, in dem Frau Pospischil wohnt.
Das bedeutet, dass sie eine von 21.000 Leuten ist, die - wie ich einmal sage - auf der Vorstufe der Aussteuerung sind. Ich will jetzt nicht, weil das ein so ruhiger Abend ist, Öl ins Feuer gießen, stelle aber dennoch die Frage: Was ist jetzt mit der sozialen Heimatpartei und der Frau Pospischil? Ich frage das vor allem, weil ich ja darauf warte, dass Frau Pospischil jetzt den Brief bekommt, auf den ich die ganze Zeit warte, weil das ja im Regierungsprogramm steht. Ich meine den Brief mit der Frage: Frau Pospischil! Wie viel verdienen sie, dass sie eine Gemeindewohnung haben? Verdienen Sie zu viel? Legen Sie ihr Einkommen offen!
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